09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Unternehmen die Arbeitsproduktivität weiter gesteigert und zuvor gebundene Arbeit im großen<br />

Stil wieder "freigesetzt" wird. 354<br />

Dieselben Prozesse, die e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dustrielle Reservearmee immer wieder neu hervorbr<strong>in</strong>gen, verändern<br />

beständig die soziale Struktur des Gesamtarbeiters und der ihn ergänzenden Arbeitskräfte<br />

im Wartestand: Auf der e<strong>in</strong>en Seite e<strong>in</strong>e relativ gut bezahlte, mit der modernen Technik und den<br />

komplexen Produktionsabläufen vertraute Gruppe <strong>in</strong>nerhalb der Arbeiterklasse. M. nennt sie die<br />

Arbeiteraristokratie, die zwar ke<strong>in</strong>eswegs gefeit ist gegen die Auswirkungen der Krisen, diese<br />

aber besser überstehen kann. Auf der anderen Seite die zahlreicher werdenden Zwischengruppen<br />

und unteren Gruppen des Gesamtarbeiters, die ger<strong>in</strong>ger qualifiziert s<strong>in</strong>d, disponible <strong>Teil</strong>arbeiten<br />

verrichten, nur vorübergehend beschäftigt werden, zwischen Reservearmee und produktiver<br />

Nutzung pendeln und dabei beständig Gefahr laufen, dauerhaft <strong>in</strong> die "Sphäre des Pauperismus"<br />

355 zu fallen.<br />

Antworten auf e<strong>in</strong> Dauerproblem<br />

Natürlich geht das heute nicht mehr so e<strong>in</strong>fach wie zu M.s Zeiten. Damals wurden Beschäftigte<br />

<strong>von</strong> heute auf morgen auf die Straße gesetzt, wenn sie nicht mehr benötigt wurden oder durch<br />

Unfall oder Krankheit arbeitsunfähig waren. Die vielen Klassenkämpfe seither haben das verändert<br />

und der quick & dirty Lösung auch auf diesem Gebiet Grenzen gesetzt. Aber die Verwertungszwänge,<br />

die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wechselhaften Akkumulationsprozess flexible Reaktionen verlangen,<br />

h<strong>in</strong>terlassen auch zu unserer Zeit ihre Spuren.<br />

Was sich <strong>in</strong> den letzten Jahren als Spaltung <strong>in</strong> Stammbelegschaften und disponible Bedarfsbelegschaften<br />

<strong>in</strong> den Betrieben immer stärker abzeichnet, ist nicht e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e Idee <strong>von</strong> pfiffigen<br />

Managern. Auch Regelungen zur Kurzarbeit, Flexibilisierung der Arbeitszeiten, Frühberentungen,<br />

Ausweitung der Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge usw. s<strong>in</strong>d die heutigen Antworten auf das<br />

Dauerproblem der Produktionsweise:<br />

Wie kann man sich der Belastung durch Arbeitskosten <strong>in</strong> Phasen s<strong>in</strong>kender Akkumulation schnell<br />

entledigen? 356 Wie kann man sich die Vorteile <strong>in</strong>tensiver Akkumulation, die aus der Perspektive<br />

der Unternehmen als Rationalisierung oder Restrukturierung bezeichnet wird, durch parallele<br />

Reduzierung der Mitarbeiterzahlen schneller und billiger zunutze machen? Wie kann man zeitweilig<br />

wachsenden Bedarf an Arbeitskraft schnell und qualifiziert befriedigen? Nicht überraschend,<br />

wenn der Abbau des Kündigungsschutzes, flexible Arbeitszeiten und E<strong>in</strong>schränkungen<br />

der Mitbestimmung 357 ganz oben auf der Agenda der Unternehmerverbände stehen.<br />

Als wir die Veränderungen <strong>in</strong> der Produktionsweise vom Standpunkt der Mehrwertproduktion<br />

betrachteteten, war es der relative Mehrwert, <strong>von</strong> dem M. sagte, er revolutioniere durch und<br />

durch die gesamte Gesellschaft. Jetzt erfahren wir, dass dah<strong>in</strong>ter die Gesetze der Akkumulation<br />

stehen: Zwang zur Verwertung mit e<strong>in</strong>em noch zu erklärenden Auf und Ab der Akkumulation,<br />

stets wechselnd zwischen extensivem und <strong>in</strong>tensiven Akkumulationsregime mit Phasen des Stillstands<br />

oder Rückschritts. Die Hervorbr<strong>in</strong>gung und stete Erneuerung der <strong>in</strong>dustriellen Reservearmee<br />

ist dabei nicht beiläufiges Ergebnis, sondern aus Sicht der Verwertung wirkliche Notwendigkeit.<br />

Deshalb kommt M. zu der Feststellung: "Die ganze Bewegungsform der modernen Industrie<br />

erwächst also aus der beständigen Verwandlung e<strong>in</strong>es <strong>Teil</strong>s der Arbeiterbevölkerung <strong>in</strong><br />

unbeschäftigte oder halbbeschäftigte Hände." 358<br />

Die <strong>in</strong>dustrielle Reservearmee ist für den Akkumulationsprozess lebensnotwendig. 359 Sie ist das<br />

Reservoir, aus dem wachsender Bedarf an Arbeitskraft sofort befriedigt und <strong>in</strong> das zeitweilig<br />

117

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!