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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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stimmte Bed<strong>in</strong>gungen gestellt s<strong>in</strong>d, und das Kapital stellt sie unter diese Bed<strong>in</strong>gungen. Weil die gesellschaftliche<br />

Produktivkraft der Arbeit dem Kapital nichts kostet, weil sie andrerseits nicht <strong>von</strong> dem Arbeiter entwickelt wird,<br />

bevor se<strong>in</strong>e Arbeit selbst dem Kapital gehört, ersche<strong>in</strong>t sie als Produktivkraft, die das Kapital <strong>von</strong> Natur besitzt,<br />

als se<strong>in</strong>e immanente Produktivkraft." ( MEW 23, S.352f)<br />

307 Wir sprechen auch hier immer noch vom Kapitalisten als Prototypen se<strong>in</strong>er Klasse. Mit M. "gilt uns der kapitalistische<br />

Produzent als Eigentümer des ganzen Mehrwerts oder, wenn man will, als Repräsentant aller se<strong>in</strong>er<br />

<strong>Teil</strong>nehmer an der Beute." (MEW 23, S.590) Nur als Gesellschaftsklasse ist der prototypische Kapitalist an die<br />

Gesetze se<strong>in</strong>er Produktionsweise gebunden, die sich ihm durch die Konkurrenz aufzw<strong>in</strong>gen. Wo nicht e<strong>in</strong> ausreichender<br />

<strong>Teil</strong> des erzeugten Mehrwerts <strong>in</strong> den Zyklus zurückfließt und ihn <strong>in</strong> erweiterter Form fortsetzt, droht mehr<br />

als nur die gelbe Karte.<br />

Für den <strong>in</strong>dividuellen Kapitalisten gab und gibt es immer auch e<strong>in</strong>e Vielzahl anderer Optionen. Ke<strong>in</strong>e "Logik des<br />

Kapitals" oder irgend e<strong>in</strong>e andere höhere Macht schützt ihn vor tödlichen Fehlern im Geschäft oder vor der kostspieligen<br />

Leidenschaft als Opernmäzen oder Fußballsponsor oder vor dem Glücksspiel oder anderen Ablenkungen<br />

<strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Klassenpflicht. Da bef<strong>in</strong>det sich der Kapitalist sehr leicht <strong>in</strong> derselben Situation wie der Gastwirt, der<br />

se<strong>in</strong> bester Gast wird, auf dem absteigenden Ast nämlich. Durchaus zur Freude se<strong>in</strong>er Konkurrenten, die das Geschäft<br />

gerne übernehmen.<br />

308 Für jede Verwendung der Floskel vom "geldheckenden Geld" <strong>in</strong> der <strong>Marx</strong>-Literatur der letzten 100 Jahre<br />

müßte man e<strong>in</strong>en Euro bekommen. Dann könnte man e<strong>in</strong>e Menge Geld hecken oder sich General Motors kaufen<br />

oder, noch viel besser, sich als hauptberuflicher PolitÖkonom niederlassen, um den geheimen Geschäften <strong>von</strong><br />

General Motors und Co. mal auf die Spur zu kommen.<br />

309 <strong>Das</strong> ist im historischen Verlauf nicht nur die Kapitalisierung der vorgefundenen Produktion <strong>von</strong> Landwirtschaft,<br />

Handwerk und Handel. <strong>Das</strong> ist vor allem die Entwicklung immer neuer Produktionsbereiche und neuer<br />

Waren. <strong>Das</strong> ist Ausweitung der Märkte, Ausweitung der Lohnarbeit und E<strong>in</strong>beziehung <strong>von</strong> immer mehr Dienstleistungen<br />

unter dieselben Gesetze der Kapitalverwertung. <strong>Das</strong> erleben wir doch zu unserer Zeit:<br />

Aus gegenseitigen Hilfeleistungen wird erst "Schwarzarbeit" und dann werden daraus Dienstleister, auf die man<br />

auch noch angewiesen ist, weil das mit der gegenseitigen Hilfe nicht mehr richtig klappt. Aus dem Dienst am<br />

Menschen werden rendite-starke Unternehmen für Wellness, Ag<strong>in</strong>g-Services oder Healthcare. Da entstehen rasend<br />

schnell private Kl<strong>in</strong>iken mit sehr viel an kostengünstigem Ambiente, hervorragender Buchhaltung und immer<br />

stärker ausdifferenzierten mediz<strong>in</strong>ischen Standards <strong>von</strong> billig bis VIP-Niveau. Alles hat dann se<strong>in</strong>en eigenen Preis.<br />

Dann kommt der Punkt, dem wir schon nahe s<strong>in</strong>d, wo es an vorderster Stelle nicht um Gesundheit, sondern darum<br />

geht, was man sich noch leisten kann.<br />

Aus dem Brotbäcker mit se<strong>in</strong>er Backstube werden Verkaufsstellen, die sich nur noch romantische Namen wie<br />

"Backstübchen" oder "XY-Bäcker" geben, die <strong>in</strong> Wirklichkeit längst zu gut getarnten Backkonzernen gehören. In<br />

den Verkaufsstellen werden die wochenlang gereisten, zentral <strong>in</strong> der ganzen Welt e<strong>in</strong>gekauften und daher gut<br />

(oder schlecht?) konservierten Backl<strong>in</strong>ge aufgepustet und verhökert. Dafür nimmt man Preise, die dem Handwerk<br />

den goldenen Boden entziehen, und kassiert dennoch Gew<strong>in</strong>ne, <strong>von</strong> denen der Bäcker alter Zunft nicht e<strong>in</strong>mal zu<br />

träumen wagte. (Auch dann nicht, wenn er um vier Uhr morgens noch geschlafen hätte, statt schon <strong>in</strong> der Backstube<br />

zu stehen, um unser täglich Brot zu backen.)<br />

Genug. Wir wollen nicht <strong>in</strong> kulturkritische Tränen ausbrechen. Jeder wird wohl aus eigener Beobachtung diese<br />

Liste verlängern können. Mag manche Veränderung auch vernünftig oder doch wenigstens unvermeidlich se<strong>in</strong>.<br />

Aber s<strong>in</strong>d es immer auch die Formen, <strong>in</strong> denen sich solche Veränderungen vollziehen? Jedenfalls fällt es immer<br />

schwerer, die Folgen des Mehrwertrennens e<strong>in</strong>fach nur unter "Preis des Fortschritts" abzuheften.<br />

310 "Früher hatten wir zu betrachten, wie der Mehrwert aus dem Kapital, jetzt wie das Kapital aus dem Mehrwert<br />

entspr<strong>in</strong>gt. Anwendung <strong>von</strong> Mehrwert als Kapital oder Rückverwandlung <strong>von</strong> Mehrwert <strong>in</strong> Kapital heißt Akkumulation<br />

des Kapitals." (MEW 23, S.605)<br />

311 Sicher bedurfte es auch anderer Bed<strong>in</strong>gungen, um den Prozess <strong>in</strong> Gang zu setzen. Die Verfügung über e<strong>in</strong>e<br />

wachsende Zahl an Lohnarbeitern gehört ebenso dazu wie die Entwicklung e<strong>in</strong>es ausreichenden <strong>in</strong>neren Marktes,<br />

der die steigende Produktion aufnehmen konnte. Wir haben dieses Thema bereits als sogenannte ursprüngliche<br />

Akkumulation kennengelernt, an der M. zwei Seiten hervorhebt: "In der Tat, die Ereignisse, die die Kle<strong>in</strong>bauern<br />

<strong>in</strong> Lohnarbeiter und ihre Lebens- und Arbeitsmittel <strong>in</strong> sachliche Elemente des Kapitals verwandeln, schaffen<br />

gleichzeitig diesem letztern se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Markt... Und nur die Vernichtung des ländlichen Hausgewerbes kann<br />

308

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