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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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eruhende feudale Ökonomie. Wir er<strong>in</strong>nern uns dabei an den ersten Satz unserer <strong>Marx</strong>-Lektüre<br />

zum Gegenstand der politischen Ökonomie: "In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens<br />

gehen die Menschen bestimmte, notwendige, <strong>von</strong> ihrem Willen unabhängige Verhältnisse e<strong>in</strong>,<br />

Produktionsverhältnisse, die e<strong>in</strong>er bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte<br />

entsprechen." (MEW 13, S.8)<br />

Diese Produktionsverhältnisse entstehen nicht zufällig, kennen <strong>in</strong> ihrer konkreten Ausprägung<br />

aber e<strong>in</strong>e nahezu unendliche Vielzahl <strong>von</strong> Variationen. In diesen Variationen der gegenwärtigen<br />

kapitalistischen Gesellschaften spiegelt sich ihre über viele Generationen sich erstreckende Vorgeschichte<br />

mit ihrem Arsenal an Erbstücken und ihrer langen Liste an Altlasten, die uns als Traditionen<br />

und Normen, als Werte und Kultur mit der Vergangenheit verb<strong>in</strong>den.<br />

So weit so gut. Ob unser Verständnis für Geschichte ausdrücklich auf M.s Entwürfen aufbaut<br />

oder sich mehr pragmatisch aus unserem eigenen Leben ableitet, ist e<strong>in</strong>erlei. Es kommt aber darauf<br />

an, diese Geschichte als <strong>in</strong>ner-gesellschaftlichen Prozess zu verstehen, <strong>in</strong> dem die Gesellschaft<br />

aus sich selbst heraus und im Wechselspiel mit anderen Gesellschaften den eigenen Entwicklungsprozess<br />

vorantreibt. Ob "große Ideen" oder "große Persönlichkeiten", ob "Revolutionen"<br />

oder "Reformen": All das entwickelt sich und wirkt nur soweit, wie es mit dem Stand der<br />

gesellschaftlichen Entwicklung zusammenpaßt. Es s<strong>in</strong>d nicht die Ideen, die die Gesellschaft treiben.<br />

Es s<strong>in</strong>d die gesellschaftlichen Entwicklungen, die Ideen hervorbr<strong>in</strong>gen und ihnen Wirkungsraum<br />

eröffnen. Nur mit diesen Grundannahmen bleiben wir zu M.s Analyse kompatibel und<br />

können ihr folgen.<br />

Wie steht es mit uns? Wieweit s<strong>in</strong>d wir Akteure im geschichtlichen Prozess? Zunächst so wie alle<br />

anderen. Da spielt es erstmal ke<strong>in</strong>e Rolle, ob wir als politische Aktivisten versuchen, direkten E<strong>in</strong>fluß<br />

auf ihren Verlauf zu nehmen, oder ob wir den Gang der Zeiten nur kommentieren und unseren<br />

besonderen persönlichen Beitrag zur Geschichte durch Unterlassung und Verzicht auf eigene<br />

politische Beiträge leisten. Jeder tut, was er kann. 516<br />

Nur e<strong>in</strong>es ist bei M. gewiß: Se<strong>in</strong>e Vorstellung e<strong>in</strong>es sich selbst aus dem <strong>in</strong>neren der Gesellschaft<br />

heraus bewegenden historischen Prozesses heißt eben nicht, dass alles <strong>von</strong> alle<strong>in</strong>e oder im<br />

Selbstlauf oder mit vorgegebener Richtung kommt. Die kapitalistische Produktionsweise formt<br />

sich nicht selbst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e friedliche und zukunftsorientierte Produktionsweise um. Alles, was passiert,<br />

passiert durch Handlungen. Wer e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en großen Streik erlebt hat, weiß, wie schnell<br />

das, was uns normal ersche<strong>in</strong>t, plötzlich nicht mehr funktioniert. Alle Räder stehen dann wirklich<br />

still. Besser: Stell dir e<strong>in</strong>fach mal vor, was passiert, wenn die Versorgung mit elektrischem Strom<br />

über Wochen ausfällt. Dann würden wir leibhaftig sehen können, wie sich unsere Gesellschaft<br />

vor unseren Augen neu konfiguriert. Vornehm umschrieben...<br />

Ob Streik oder Naturkatastrophe oder technologisches Desaster: Auch wer gesehen hat, wie<br />

stabile Staaten <strong>in</strong> wenigen Monaten implodierten, weil ihnen die Menschen mehrheitlich die<br />

Gefolgschaft aufkündigten, hat anschaulich gelernt, dass eben doch alles vom tagtäglichen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander<br />

greifenden Handeln der Menschen abhängt, so oder so.<br />

Nur e<strong>in</strong>es muß hier offen bleiben: Wie man nämlich diesem milliardenfachen Handeln e<strong>in</strong>e Richtung<br />

gibt, vielleicht sogar irgendwann mal h<strong>in</strong> zur Überw<strong>in</strong>dung der kapitalistischen Produktionsweise…<br />

<strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong> anderes großes M-Thema, für das wir mit der politischen Ökonomie Vorarbeiten<br />

leisten.<br />

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