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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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<strong>Das</strong> "absolute, allgeme<strong>in</strong>e Gesetz der kapitalistischen Akkumulation"<br />

M. komprimiert se<strong>in</strong>e Analyse des Akkumulationsprozesses. Es kommt e<strong>in</strong>e bündige und umstrittene<br />

Antwort auf unsere Leitfragen dabei heraus. Wir br<strong>in</strong>gen diesen Auszug aus dem "Kapital"<br />

als Zwischenlektüre. Danach werden wir uns den streitbaren Fragen genauer zuwenden.<br />

Lektüre: <strong>Karl</strong> <strong>Marx</strong>: <br />

S.242<br />

Der Text enthält e<strong>in</strong>ige der am häufigsten zitierten Absätze aus M.s Werk. Sie wurden <strong>von</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Anhängern wie <strong>von</strong> se<strong>in</strong>en Gegnern immer wieder zur Begründung verschiedener Me<strong>in</strong>ungen<br />

und Theorien herangezogen. Bevor wir darauf e<strong>in</strong>gehen, müssen wir uns genau ansehen,<br />

was uns M. mitteilt. Unmißverständlich dies:<br />

Mit wachsendem Reichtum, und das ist Wachstum des funktionierenden Kapitals, wächst die<br />

Arbeiterklasse und deren Produktivkraft. Damit verbunden wächst die <strong>in</strong>dustrielle Reservearmee,<br />

mit deren Größe auch die "konsolidierte Übervölkerung" wächst, die im "Elend" lebt, dafür<br />

aber den zweifelhaften Vorzug genießt, frei <strong>von</strong> "Arbeitsqual" zu se<strong>in</strong>.<br />

Ebenfalls wächst die "Lazarusschichte der Arbeiterklasse", jene Gruppe der Beschäftigten, deren<br />

Lohn kaum zum Leben reicht und die M. mit dem biblischen Lazarus vergleicht, der hungernd<br />

vor der Tür des Reichen sitzt und da<strong>von</strong> träumt, sich <strong>von</strong> dessen Abfall ernähren zu dürfen. 361<br />

Und alles <strong>in</strong> allem wächst der "offizielle Pauperismus", also jene Gruppe <strong>von</strong> Menschen <strong>in</strong> tiefster<br />

materieller und seelischer Not, deren Existenz niemand leugnen kann, weil sie für alle sichtbar<br />

die Elendsquartiere der Großstädte bevölkern und <strong>in</strong> den Statistiken der staatlichen Armenfürsorge<br />

als Zahlen ersche<strong>in</strong>en.<br />

Diese <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greifenden Wirkungen der kapitalistischen Akkumulation nennt M. das absolute,<br />

allgeme<strong>in</strong>e Gesetz der kapitalistischen Akkumulation und läßt diese Feststellung, damit niemand<br />

darüber h<strong>in</strong>wegliest, auch noch kursiv setzen. Wir wissen warum. <strong>Das</strong> ist M.s Antwort auf<br />

die Fragen, die Ausgangspunkt unserer Reise waren: Der Verwertungszwang der kapitalistischen<br />

Akkumulation ist für das gleichzeitige Nebene<strong>in</strong>ander <strong>von</strong> wachsendem Reichtum und wachsendem<br />

Elend verantwortlich. <strong>Das</strong> e<strong>in</strong>e gibt es nicht ohne das andere: "Die Akkumulation <strong>von</strong><br />

Reichtum auf dem e<strong>in</strong>en Pol ist also zugleich Akkumulation <strong>von</strong> Elend, Arbeitsqual, Sklaverei,<br />

Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol."<br />

Formuliert M. damit e<strong>in</strong>e für die kapitalistische Produktionsweise allzeit gültige Gesetzmäßigkeit?<br />

Ja. Warum sollte er sonst <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em absoluten und allgeme<strong>in</strong>en Gesetz sprechen? Im Unterschied<br />

zu vielen se<strong>in</strong>er Zitierer weiß M. freilich auch, worüber er redet, wenn er <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em<br />

gesellschaftlichen Gesetz spricht. Deshalb fügt er h<strong>in</strong>zu: "Es wird gleich allen andren Gesetzen <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher<br />

gehört." Ist das als preiswerte Ausrede gedacht, falls sich das Gesetz doch nicht so entfaltet, wie<br />

er behauptet? Und warum verzichtet er auf die Analyse dieser "mannigfachen Umstände"?<br />

Alles zu se<strong>in</strong>er Zeit<br />

Klar, man kann M.s Zitat über die "Akkumulation <strong>von</strong> Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit,<br />

Brutalisierung und moralischer Degradation" als Rem<strong>in</strong>iszenz auf die alten Zeiten nehmen<br />

und ihr die Akkumulation <strong>von</strong> Autos, Spülmasch<strong>in</strong>en, DVD-Playern, Urlaubsreisen usw. gegenüberstellen.<br />

<strong>Das</strong> ist vermutlich schon mehr als 1000-mal literarisch verwurstet worden. Doch lassen<br />

wir diesen propagandistischen Knüller erst mal beiseite. Sehen wir uns stattdessen genauer<br />

an, was M. uns wirklich geschrieben hat.<br />

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