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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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33. Unterliegt vielleicht auch die Betrachtung des Staates diesem Warenfetischismus? Wie<br />

sieht hier die Verb<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Warenproduktion und Staat aus?<br />

<strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong> großes Thema für sich. Die Staatstheorie gehört vermutlich außerhalb der Politischen<br />

Ökonomie zu den am heißesten diskutierten Themen unter <strong>Marx</strong>isten jeder Färbung. In aller<br />

Verknappung läßt sich folgender Ausgangspunkt für die Analyse des Staats festmachen:<br />

Wir haben gesehen, dass Warenproduktion <strong>in</strong> entwickelter Form ohne bestimmte Rechtsverhältnisse<br />

nicht funktionieren kann. E<strong>in</strong>haltung der im Warentausch geschlossenen Verträge, Sicherung<br />

des Eigentums und Bereitstellung allgeme<strong>in</strong>er Bed<strong>in</strong>gungen (die man früher "Infrastruktur",<br />

heute meist "Standortfaktoren" nennt), <strong>von</strong> denen alle Beteiligten profitieren. Mit wachsender<br />

Komplexität des kapitalistischen Systems (wir werden das als Reproduktionprozess kennenlernen)<br />

wachsen die Aufgaben des Staates. Nicht nur die Abwehr politischer Gefahren für<br />

das System bilden den Kern se<strong>in</strong>er Funktionen. Ebenso wichtig wird die Abwendung systemischer<br />

Risiken, die aus der Produktionsweise <strong>in</strong> Gestalt ökonomischer Krisen erwachsen.<br />

<strong>Das</strong> und vieles andere werden zu Aufgaben des Staates. Der "Fetischcharakter" kommt <strong>in</strong>s<br />

Spiel, weil die Vielfalt dieser Aufgaben, die ja Organisierung der Rechtssicherheit ebenso umfaßt<br />

wie Altersversorgung und Umweltschutz, den Staat als Akteur des Allgeme<strong>in</strong>wohls ersche<strong>in</strong>en<br />

lassen.<br />

Die Rolle des Staates ersche<strong>in</strong>t durch die Brille der Warenproduktion geradezu als e<strong>in</strong> Segen.<br />

<strong>Das</strong>s aber Straßenbau, Schulwesen, Gesundheitsfürsorge, Renten usw., die D<strong>in</strong>ge also, auf denen<br />

das Image des Sozialstaats beruht, nicht zum Wesensmerkmal des Staats gehören, wird<br />

heute wieder deutlicher, da diese Aufgaben zunehmend an das private Kapital zurückfallen. Der<br />

<strong>von</strong> den Neoliberalen geforderte "schlanke Staat" soll wieder auf diese Kernfunktionen reduziert<br />

werdenb: Sicherung der bestehenden Produktionsverhältnisse und der daraus sich ergebenden<br />

Macht- und Herrschaftsverhältnisse.<br />

Erfreulich offen beschreibt der neoliberale Propagandist Thomas L. Friedman die Rolle des Staates<br />

hier <strong>in</strong> Bezug auf die USA: "Die unsichtbare Hand des Marktes wird ohne sichtbare Faust<br />

nicht funktionieren. McDonald's kann nicht expandieren ohne McDonnel Douglas, den Hersteller<br />

der F-15. Und die sichtbare Faust, die die globale Sicherheit der Technologie des Silicon Valley<br />

verbürgt, heißt US-Armee, US-Luftwaffe, US-Kriegsmar<strong>in</strong>e und US-Mar<strong>in</strong>ekorps." (New York<br />

Times Magaz<strong>in</strong>e 28.3.1999)<br />

34. Warum kommt es notwendigerweise immer zu Abweichungen zwischen Wert und Preis?<br />

Weil sich der Wert nur über die Markthandlungen <strong>in</strong> den Preis verwandelt, diese Markthandlungen<br />

aber immer neu erfolgen, nehmen unendlich viele andere Faktoren E<strong>in</strong>fluß auf die Preisbildung.<br />

Vor allem für den e<strong>in</strong>zelnen Produzenten hat daher die psychologische Betrachtung der Preisbildung<br />

e<strong>in</strong>e grundlegende Bedeutung. Die Unterscheidung <strong>von</strong> Wert und Preis <strong>in</strong>teressiert ihn<br />

überhaupt nicht. Er will möglichst hohe Preise und die mit möglichst hoher Sicherheit erzielen.<br />

<strong>Das</strong>s ihm da irgendwas unbekannterweise und je nach Branche mal sehr enge und mal auch<br />

erweiterte Grenzen für die Preisbildung setzt, ist ihm natürlich irgendwie klar, macht ihn aber<br />

auch noch lange nicht zum Anhänger des Wertbegriffs.<br />

Was mit dem Wert zusammenhängt, ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Grundaussagen für ihn viel zu deprimierend,<br />

viel zu gesellschaftlich. <strong>Das</strong> hat mit se<strong>in</strong>en unternehmerischen Interessen nichts zu tun. Ihm s<strong>in</strong>d<br />

die Tricks und Schliche lieber, wie man den eigenen Erfolg am Markt steigert. Als Theorien verkleidete<br />

Anleitungen, wie man Marktpräsenz und Marktdurchdr<strong>in</strong>gung und Absatz und Kon-<br />

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