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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Kommen wir auf die verme<strong>in</strong>tliche Innovationsfreude und Technikbegeisterung des Kapitalisten zurück. Auch dafür<br />

ist die Klimadebatte e<strong>in</strong>e gute Illustration: Wo es darauf ankommt, schnelle und spürbare absolute Reduktionen<br />

des CO2 Ausstoßes zu erzielen, werden die Maßnahmen immer weiter auf die lange Bank geschoben. Was<br />

2012 passiert se<strong>in</strong> sollte (mit 15 Jahren Vorlauf!), wird im Dezember 2008 zur e<strong>in</strong>en Hälfte auf 2015 und zur anderen<br />

noch e<strong>in</strong>mal auf 2020 verschoben. Was aber tatsächlich sofort herauskommt: Z<strong>in</strong>sgünstige Kredite für die<br />

Firmen, um damit angeblich die Autos zu entwickeln, an denen man angeblich schon seit Jahren arbeitet und die<br />

man als "Gespensterautos" seit Jahren auf den Autombobilsalons <strong>in</strong> Frankfurt, Genf, Paris und Detroit präsentiert,<br />

angeblich kurz vor der Serienreife. Aber das s<strong>in</strong>d nur Tribute an das Gewissen; nicht an das eigene Gewissen,<br />

sondern an das der Autofreaks!<br />

Am Ende reduziert sich der Klimaschutz auf fragwürdigen Zertifikatehandel, auf e<strong>in</strong>en börsenmäßig organisierten<br />

Handel mit Lizenzen zum Klimakill. Auch hier w<strong>in</strong>kt uns der relative Mehrwert freundlich zu: Denn dieser Trick mit<br />

den Zertifikatebörsen erlaubt es den technisch fortgeschrittenen Unternehmen, ihren Vorsprung bei der Umwelttechnik<br />

<strong>in</strong> Kostenvorteil und damit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Extraprofit auf Kosten der weniger entwickelten Industrien und Länder<br />

zu verwandeln. Der Nutzen für das Klima? M<strong>in</strong>imal, auf jeden Fall viel zu wenig, und schlimmstenfalls sogar<br />

e<strong>in</strong> Nullsummenspiel. Am Ende vielleicht nichts weiter als der gelungene Versuch, auch noch mit der Erhaltung<br />

des gefahrvollen Status quo Geld zu verdienen.<br />

299 <strong>Das</strong> schreibt sich leichter als es sich machen läßt. Wir wollen schließlich nicht als zynische Analyse-<br />

Akademiker enden, die <strong>von</strong> "<strong>in</strong>nerer Kapitallogik" schwatzen, wo e<strong>in</strong>e verständliche Darstellung der ökonomischen<br />

und sozialen Gewalt und ihre entschiedene politische wie moralische Verurteilung notwendig ist. Die Art<br />

<strong>von</strong> Wissenschaft, die <strong>von</strong> offenbar gefühllosen Th<strong>in</strong>ktanks (also: Denk-Panzern) betrieben wird, passt uns nicht.<br />

Die bilden sich e<strong>in</strong>, ihre Objektivität und Wertfreiheit zu beweisen, <strong>in</strong>dem sie alles ausblen- den, was als Mitgefühl<br />

ersche<strong>in</strong>en könnte.<br />

Diesen Weg hat uns M. versperrt, <strong>in</strong>dem se<strong>in</strong>e Methode zu e<strong>in</strong>er historischen Sicht und eben zu wechselnden<br />

Perspektiven zw<strong>in</strong>gt. Die Frage nach den Machtstrukturen und den Interessen der beteiligten Gruppen und nach<br />

ihrer Entstehung ist dar<strong>in</strong> fest e<strong>in</strong>gebunden. Wer M.s Ansatz folgt, kann sich nicht auf e<strong>in</strong>en neutralen Beobachterposten<br />

zurückziehen und sich dabei auf Sachzwänge oder die Natur des Menschen berufen.<br />

Wir versuchen es wie M. zu machen: "S<strong>in</strong>e ira et studio", also: Ohne Zorn und Eifer! war e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Leitsprüche.<br />

Denn Zorn und Wut dämpfen die Erkenntnisfähigkeit. Gut geme<strong>in</strong>ter Eifer neigt dazu, sich die D<strong>in</strong>ge im Kopf<br />

zurechtzurücken, um sie den eigenen Wünschen anzubequemen. Nur, wenn wir Zorn und Eifer unter Kontrolle<br />

halten, kann die nüchterne politisch-ökonomische Analyse <strong>in</strong> M.s Tradition unserer Empörung e<strong>in</strong> Fundament geben.<br />

Uns geht es ja <strong>in</strong> dieser <strong>Spurensuche</strong> nicht darum, die Untaten der Produktionsweise aufzulisten; das ist e<strong>in</strong>e<br />

Menge Arbeit und wurde schon <strong>von</strong> anderen geleistet. Wir wollen die Verwurzelung dieser Untaten <strong>in</strong> der kapitalistischen<br />

Produktionsweise begreifen.<br />

300 Dafür gibt es viel zu viele blöde Kapitalisten, die, wenn sie nicht reich geerbt hätten, vermutlich kaum auf eigenen<br />

Füßen stehen könnten und gerade mal als Futter für die Klatschpresse taugen. Aber es gibt und gab<br />

selbstverständlich auch e<strong>in</strong>e Menge sehr begabter Kapitalisten, die als bedeutende Erf<strong>in</strong>der und Ingenieure anf<strong>in</strong>gen<br />

und wichtige Beiträge zur Entwicklung der Produktivkräfte geleistet haben. (Ne<strong>in</strong>, Bill Gates gehört nicht<br />

zu ihnen!) Insgesamt hat sich aber auch die Kapitalistenklasse gewandelt. Sie reden vom freien Unternehmertum,<br />

unternehmen selber aber nichts mehr, sondern lassen <strong>von</strong> gut bezahlten Managern unternehmen. Deren<br />

Gehalt wurde <strong>in</strong> der F<strong>in</strong>anzkrise zum beliebten Politikerthema. Durch "radikale Forderungen" zur Beschneidung<br />

der Manager-Gehälter haben uns Merkel, Ste<strong>in</strong>brück und Co. ihr "Bankenrettungspaket" als moralisch wertvolle<br />

Offensive verkauft.<br />

Natürlich ist das nur Theaterdonner. E<strong>in</strong> wenig Klassenkeile für das Publikum. Und vermutlich auch e<strong>in</strong>e Menge<br />

Neid. Da sehen die schlechter bezahlten Klassenfunktionäre aus der Berl<strong>in</strong>er Parallelgesellschaft e<strong>in</strong>e Möglichkeit,<br />

es den Managern an der Spitze mal so richtig zu zeigen... Es geht vorüber. Letztenendes weiß die Klasse sehr genau,<br />

dass Manager ke<strong>in</strong>e normalen Angestellten s<strong>in</strong>d. Ihre Entlohnung ist deshalb auch ke<strong>in</strong> Gehalt, sondern die<br />

goldene Hundele<strong>in</strong>e, mit der man sie an die Interessen ihrer Auftraggeber b<strong>in</strong>det - die Eigentümer. Deshalb fallen<br />

die Entlohnungen der Manager nicht nur üppig, sondern bevorzugt <strong>in</strong> Aktienoptionen aus: Es s<strong>in</strong>d Zahlungen aus<br />

der Klassenkasse für die wichtigsten Funktionäre der Klasse, die sich durch "harte, aber unternehmerisch notwendige<br />

Entscheidungen" wenn nicht die Hände, so doch vielleicht Gewissen und weiße Weste beschmutzen.<br />

Arbeitslöhne und Gehälter h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d bestenfalls Instrumente der Mitarbeiterführung, im Falle e<strong>in</strong>es Falles<br />

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