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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Nach der Krise mit geballter Kraft und gestärkt <strong>in</strong> den Konkurrenzkampf gehen. Ziel: Produktivitätspotentiale der<br />

Restrukturierung nutzen und spätestens dann weitere Arbeitskräfte freisetzen.<br />

357 Dabei geht es gegenwärtig weniger um die Abschaffung der Mitbestimmungsrechte. Die Politik der Unternehmerverbände<br />

zielt auf die Stärkung der Kooperation. Man will die Betriebsräte, deren Mitwirkungspflicht ja<br />

<strong>von</strong> Anfang an <strong>Teil</strong> des Betriebsverfassungsgesetzes ist, noch stärker zur Identifikation mit dem "eigenen" Unternehmen<br />

br<strong>in</strong>gen. Es gibt dafür e<strong>in</strong>e Reihe erprobter Maßnahmen.<br />

Wenn es nicht gel<strong>in</strong>gt, <strong>von</strong> vornhere<strong>in</strong> Gefolgsleute des Managements <strong>in</strong> die Betriebsräte zu hieven, stehen der<br />

Unternehmensleitung clevere Beratungsfirmen zur Seite, die <strong>in</strong>dividuelle Dossiers der Betriebsräte erschnüffeln<br />

und Wege erkunden, um wichtige Personen an die Le<strong>in</strong>e zu nehmen. <strong>Das</strong> reicht <strong>von</strong> der bauchstreichelnden namentlichen<br />

Anrede durch den Vorstandsvorsitzenden und der kundigen Frage nach dem Wohlbef<strong>in</strong>den der K<strong>in</strong>der<br />

(steht alles im Dossier), über kle<strong>in</strong>e Hilfsleistungen für Schlüsselpersonen im Betriebsrat unter Freunden, bis zu<br />

ordentlichen Bestechungen durch Karriere, gutbezahlte Posten oder kostenlose Auslandsreisen mit Puffbesuch<br />

(alles zur Fortbildung und Schärfung der unternehmerischen Perspektive).<br />

Natürlich gehören auch die klassischen Methoden für die Widerborstigen dazu: Denunziationen, aufgestellte Fallen<br />

und Mobb<strong>in</strong>g für Betriebsräte und Mitarbeiter, die nicht mitziehen.<br />

358 "Dieser eigentümliche Lebenslauf der modernen Industrie, der uns <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em frühem Zeitalter der Menschheit<br />

begegnet, war auch <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dheitsperiode der kapitalistischen Produktion unmöglich. Die Zusammensetzung<br />

des Kapitals veränderte sich nur sehr allmählich. Se<strong>in</strong>er Akkumulation entsprach also im Ganzen verhältnismäßiges<br />

Wachstum der Arbeitsnachfrage. Langsam wie der Fortschritt se<strong>in</strong>er Akkumulation, verglichen mit der modernen<br />

Epoche, stieß er auf Naturschranken der exploitablen Arbeiterbevölkerung, welche nur durch später zu<br />

erwähnende Gewaltmittel wegräumbar waren." M. spielt hier auf die zwangsweise Herbeischaffung <strong>von</strong> Arbeitskräften<br />

<strong>in</strong> der Phase der "Sogenannten ursprünglichen Akkumulation" an, die wir an anderer Stelle behandelten.<br />

<strong>Das</strong> Zitat fährt fort: "Die plötzliche und ruckweise Expansion der Produktionsleiter ist die Voraussetzung ihrer<br />

plötzlichen Kontraktion; letztere ruft wieder die erstere hervor, aber die erstere ist unmöglich ohne disponibles<br />

Menschenmaterial, ohne e<strong>in</strong>e vom absoluten Wachstum der Bevölkerung unabhängige Vermehrung <strong>von</strong> Arbeitern.<br />

Sie wird geschaffen durch den e<strong>in</strong>fachen Prozeß, der e<strong>in</strong>en <strong>Teil</strong> der Arbeiter beständig 'freisetzt', durch Methoden,<br />

welche die Anzahl der beschäftigten Arbeiter im Verhältnis zur vermehrten Produktion verm<strong>in</strong>dern. Die<br />

ganze Bewegungsform der modernen Industrie erwächst also aus der beständigen Verwandlung e<strong>in</strong>es <strong>Teil</strong>s der<br />

Arbeiterbevölkerung <strong>in</strong> unbeschäftigte oder halbbeschäftigte Hände." (MEW 23, S.661f)<br />

359 <strong>Das</strong> heißt auch: Die soziale Sicherung für die Mitglieder der Reservearmee, ob Arbeitslosengeld oder Hartz IV,<br />

ist ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e soziale Tat. Sie ist genauso im Interesse der Unternehmen, so lange jedenfalls, wie die Kosten<br />

dafür sozialisiert und zum überwiegenden <strong>Teil</strong> vom beschäftigten <strong>Teil</strong> der Arbeiterklasse bezahlt werden. Und<br />

so lange, wie die Leistungen niedrig genug ausfallen, um Druck auf die Löhne auszuüben. Qualifizierung der Arbeitslosen?<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong> unternehmerischem Denken? <strong>Das</strong> ist unbed<strong>in</strong>gt wünschenswert. Nur e<strong>in</strong>e qualifizierte, für<br />

jede Art Arbeit jederzeit e<strong>in</strong>setzbare Reservearmee kann die ihr zufallenden Funktionen erfüllen.<br />

Und natürlich haben die Taktiker und Strategen auf der Kapitalseite auch begriffen, dass Sozialleistungen für Arbeitslose<br />

nicht e<strong>in</strong>fach nur Kosten s<strong>in</strong>d. Sie entschärfen den Konflikt und wirken als "automatische Stabilisatoren"<br />

(so nennen das die Volkswirte). <strong>Das</strong> heißt: Der früher so verhängnisvolle Rückgang der Kaufkraft durch<br />

Massentlassungen wird erst durch Kurzarbeit, dann durch Arbeitslosengeld und Hartz IV entschärft. Die Krise<br />

selbst fällt flacher aus. Die Probleme verschw<strong>in</strong>den dadurch nicht, werden aber zeitlich entzerrt. <strong>Das</strong> alles ist nur<br />

möglich durch die wachsende ökonomische Rolle des Staats, auf den die Problemlasten aus der Verwertungssphäre<br />

abgeladen werden und die dort nicht zuletzt als wachsende Staatsverschuldung weiterwirken, um nicht zu<br />

sagen: weiterticken. Auch das e<strong>in</strong> wichtiges Thema für den dritten <strong>Teil</strong>.<br />

360 "Da der Produktionsprozeß zugleich der Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft durch den Kapitalisten, verwandelt<br />

sich das Produkt des Arbeiters nicht nur fortwährend <strong>in</strong> Ware, sondern <strong>in</strong> Kapital, Wert, der die wertschöpfende<br />

Kraft aussaugt, Lebensmittel, die Personen kaufen, Produktionsmittel, die den Produzenten anwenden. Der<br />

Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende<br />

und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, <strong>von</strong> ihren<br />

eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, <strong>in</strong> der bloßen Leiblichkeit des<br />

Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter. Diese beständige Reproduktion oder<br />

Verewigung des Arbeiters ist das s<strong>in</strong>e qua non der kapitalistischen Produktion." (MEW 23, S. 596)<br />

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