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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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große und bald auch sehr große Vertreter dieser Art. Auch ihre soziale Position ändert sich. Die<br />

ist nicht mehr daran gebunden, persönlich Regie über die Produktion zu führen. Die Produktion<br />

f<strong>in</strong>det längst an weit entfernten oder doch gut verborgenenen unwirtlichen Orten statt, die den<br />

Eigentümern nur vom Hörensagen bekannt s<strong>in</strong>d. Sie wird <strong>von</strong> beauftragten und bestens honorierten<br />

Funktionären erledigt, die wiederum Fachleute mit der eigentlichen Kontrolle der Produktion<br />

beauftragen.<br />

Der Kapitalist ist nicht mehr direkter Eigentümer e<strong>in</strong>er Fabrik, sondern Eigentümer um viele<br />

Ecken an vielen Fabriken, <strong>von</strong> denen er möglicherweise ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige kennt. Was er im Kontor<br />

e<strong>in</strong>er Bank oder im gemütlichen Arbeitszimmer se<strong>in</strong>er Tess<strong>in</strong>er Villa oder <strong>in</strong> der Kanzlei se<strong>in</strong>es<br />

Anlagenberaters an Geld zählt und verplant, ist <strong>von</strong> allem Rauch und Schweiß befreit - sche<strong>in</strong>bar.<br />

Für den Kapitalisten als Bankier oder Investor ersche<strong>in</strong>t das Kapital nur noch als Geld. Und<br />

wer hat, der hat. Der Gew<strong>in</strong>n ersche<strong>in</strong>t als e<strong>in</strong>e dem <strong>in</strong>vestierten Geld direkt entspr<strong>in</strong>gende E<strong>in</strong>kommensquelle.<br />

341 Und wer Geld hat und für Investition hergibt, erwirbt e<strong>in</strong>en gleichsam natürlichen<br />

Anspruch auf Rendite. Und diesem Anspruch hat sich der gesamte materielle Produktionsprozess,<br />

letztlich die gesamte Gesellschaft unterzuordnen.<br />

Bankier und Investor haben auch die Macht, diesen Anspruch durchzusetzen: Gegenüber dem<br />

kapitalistischen Unternehmen zunächst durch Androhung, dann durch wirklichen Abzug des<br />

Kapitals oder durch Verkauf der Aktien an fe<strong>in</strong>dliche Übernehmer oder durch Verweigerung<br />

oder Kündigung des Kredits. Gegenüber der Gesellschaft, <strong>in</strong>dem man sich Medien und Politik<br />

dienstbar macht und den zentralen Glaubenssatz allen Köpfen e<strong>in</strong>zupauken versucht: Aller<br />

Reichtum der Gesellschaft, auch Arbeitsplätze und Löhne, kommen ganz alle<strong>in</strong> aus den Investitionen<br />

unseres Kapitals! 342<br />

So wird die ausreichende Versorgung der Investoren und Kreditgeber mit Rendite sche<strong>in</strong>bar zur<br />

Schicksalsfrage der Gesellschaft. Nachrichten über fallende Kurse und rote Bilanzzahlen werden<br />

zu Schreckensmeldungen. Wo das "Schicksal" mit Unternehmensschließung zuschlägt, richten<br />

sich alle Hoffnungen der wirklichen Opfer nicht etwa auf die eigene Kraft. Die sche<strong>in</strong>t ihnen zu<br />

ger<strong>in</strong>g zu se<strong>in</strong>, obwohl sie vor dem "Schicksalschlag" noch völlig ausreichte, um e<strong>in</strong>er toten Fabrik<br />

rentables Leben 343 e<strong>in</strong>zuhauchen. Alle Hoffnungen richten sich stattdessen auf e<strong>in</strong>en vielleicht<br />

kommenden Investor, der gegen entsprechenden Gew<strong>in</strong>n als Retter wieder herstellt, was<br />

e<strong>in</strong> anderer Investor als Täter zuvor vernichtet hat. Neuerliche Entlassungen und Kostensenkungen<br />

s<strong>in</strong>d dieser "Lösung" schon e<strong>in</strong>gebaut!<br />

Der Exkurs zum Thema Gullydeckel und Kredit wurde durch M.s Text über Konzentration und<br />

Zentralisation des Kapitals angeregt; dabei haben wir (ohne das im E<strong>in</strong>zelnen auszuweisen) auf<br />

M.s Erkenntnisse vorausgegriffen, die im 2. und 3. Band des "Kapital" präsentiert werden. Aber<br />

man kann Bedeutung, Umfang und Tempo der Akkumulation <strong>in</strong> den letzten 150 Jahren nur begreifen,<br />

wenn man die Rolle des Kredits begreift. Der Exkurs zeigt uns, wie das Gesetz der Akkumulation<br />

auf direktem Weg zum modernen F<strong>in</strong>anzmarkt, besser: zum F<strong>in</strong>anzkapital mit se<strong>in</strong>en<br />

Bankern und Börsen und Funds und den dr<strong>in</strong> und drumherum sich tummelnden Investoren<br />

führt.<br />

Dieser F<strong>in</strong>anzmarkt existiert sche<strong>in</strong>bar neben der "Realwirtschaft". So nennen die F<strong>in</strong>anzakteure<br />

wohlwollend-herablassend die Produktionsbetriebe, <strong>in</strong> denen der Gesamtarbeiter den gesellschaftlichen<br />

Reichtum tatsächlich hervorbr<strong>in</strong>gt. Diesem Gesamtarbeiter gehören weder Banker<br />

noch Investoren an. Und längst auch nicht mehr die Manager an der Spitze, die nicht nur durch<br />

Aktienbesitz, hohes E<strong>in</strong>kommen und Bonuszahlungen an die Interessen der Eigentümer gebunden<br />

s<strong>in</strong>d, sondern im hohen Maße auch dieser Klasse entstammen.<br />

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