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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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7. Welche anderen wissenschaftlichen Diszipl<strong>in</strong>en tummeln sich auf dem Gebiet der<br />

Politischen Ökonomie? Oder ist das e<strong>in</strong> alle<strong>in</strong>iges Privileg der <strong>Marx</strong>isten?<br />

Den <strong>Marx</strong>isten ist (unfreiwillig) das Firmenschild "Politische Ökonomie" als Erbe zugefallen. Aber<br />

M. selbst beanspruchte ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> Urheberrecht daran. Er betrachtete die Erf<strong>in</strong>der und Vertreter<br />

der Politischen Ökonomie, sogar die schwächeren, als se<strong>in</strong>e Vorläufer und baute auf deren<br />

Werk auf. Natürlich arbeiten auch die heutigen Wirtschaftswissenschaften auf diesem Feld. Aber<br />

sie ziehen, um im Bild zu bleiben, nur noch e<strong>in</strong>zelne Furchen. Die Bearbeitung des ganzen Feldes,<br />

strukturell wie historisch, betrachten sie <strong>in</strong>zwischen als abwegig.<br />

Die enge Ingriffnahme dieser (bürgerlichen) Wirtschaftswissenschaft(en) mit ihrer Vielzahl <strong>von</strong><br />

Diszipl<strong>in</strong>en und <strong>Teil</strong>gebieten durch die Unternehmen und deren meist kurzfristige Interessen hat<br />

die wissenschaftliche Kreativität als Gesellschaftswissenschaft weitgehend versiegen lassen.<br />

Dennoch s<strong>in</strong>d viele Beiträge aus diesem Lager etwa zur Geld- und Preistheorie auch für <strong>Marx</strong>isten<br />

<strong>in</strong>teressant. Ganz zu schweigen <strong>von</strong> der umfassenden Datenbasis, auf deren Grundlage sich<br />

der gegenwärtige Kapitalismus wirtschaftspolitisch und betriebswirtschaftlich immer wieder zu<br />

rationalisieren versucht. Diese Datenbasis ist für die marxistische Analyse erst ansatzweise genutzt.<br />

Und natürlich haben andere Wissenschaften enge Berührung mit der Politischen Ökonomie: Dazu<br />

gehören vor allem die Geschichtswissenschaften (Wirtschaftsgeschichte, Technikgeschichte,<br />

Archäologie) und die Soziologie; wir werden noch sehen, dass M.s Analyse zahlreiche soziologische<br />

Elemente enthält.<br />

Aber nicht nur Wissenschaften, auch die Literatur ist <strong>in</strong> gewisser Weise auf dem Gebiet der Politischen<br />

Ökonomie aktiv. In den Romanen der französischen Realisten des 19. Jahrhunderts f<strong>in</strong>det<br />

man mehr E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die ökonomischen Zusammenhänge als bei den meisten Ökonomen<br />

dieser Zeit. M. nutzt im "Kapital" e<strong>in</strong>e Reihe literarischer Zitate zur Veranschaulichung se<strong>in</strong>er<br />

Argumente.<br />

8. Wo haben Natur, Ökologie und Biologie ihren Platz <strong>in</strong> der Politischen Ökonomie? Gibt es<br />

das überhaupt?<br />

Die Natur wird als Grundlage der menschlichen Existenz vorausgesetzt. M. spricht <strong>von</strong> ihr als <strong>Teil</strong><br />

der allgeme<strong>in</strong>en Produktionsbed<strong>in</strong>gungen. Aber M. war sich klar darüber (wie Ökonomen vor<br />

ihm), dass die Natur <strong>in</strong> der politischen Ökonomie e<strong>in</strong>en wichtigen Stellenwert hat. <strong>Das</strong> natürliche<br />

Wachstum der Pflanzen war e<strong>in</strong>e der ersten systematisch angewendeten Produktivkräfte. Ebenso<br />

die Viehzucht und der E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Tieren zur Vervielfachung der Arbeitskraft.<br />

Die biologische Existenz der Menschen gehört natürlich zu diesen Voraussetzungen. Im Begriff<br />

der Reproduktion, dem wir noch begegnen werden, wird das deutlich. Die ökonomische Reproduktion<br />

umfaßt immer auch die leibliche Reproduktion der Mitglieder e<strong>in</strong>er Gesellschaft. Aber<br />

im Wesentlichen ist die Politische Ökonomie e<strong>in</strong>e Wissenschaft <strong>von</strong> den materiellen Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />

der Gesellschaft, die diese sich "im Stoffwechsel mit der Natur" immer wieder neu<br />

erschaffen muss.<br />

Auch Fragen, die erst ab den 1970er Jahren modern wurden, wie die nach der Vernichtung <strong>von</strong><br />

natürlicher Umwelt oder die nach versiegenden Ressourcen, werden <strong>von</strong> M. bereits unter dem<br />

Stichwort der Allgeme<strong>in</strong>en Produktionsbed<strong>in</strong>gungen thematisiert. Für ihn war es selbstverständlich,<br />

dass Wasser, Luft und Bodenschätze, so sehr sie <strong>von</strong> den Kapitalisten se<strong>in</strong>er Zeit (und weitgehend<br />

ja auch noch heute) als "Gratisdienste der Natur" vere<strong>in</strong>nahmt wurden, für die Gesellschaft<br />

ke<strong>in</strong>eswegs gratis und für die sich erweiternden Produktionsprozesse auch ke<strong>in</strong>eswegs<br />

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