09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>in</strong> Straßenlaternen und Gasleitungsrohren e<strong>in</strong> gutes Geschäft, da nun preiswertes Kokereigas<br />

darauf wartet, nutzbr<strong>in</strong>gend angewendet zu werden.<br />

Wenn es gut geht, br<strong>in</strong>gt ihm der richtige Riecher schon wenige Jahre später soviel an jährlichem<br />

Gew<strong>in</strong>n, dass selbst e<strong>in</strong>e neue Villa und aufwändigste Lebensführung nur e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen<br />

<strong>Teil</strong> da<strong>von</strong> verbrauchen. Was macht er jetzt mit den schnell anwachsenden Geldsummen? Noch<br />

mehr Gullydeckel oder Straßenlaternen? S<strong>in</strong>nvoller ist es vielleicht, Anteile an Gaswerken oder<br />

an Kokereien oder Eisenhütten zu erwerben. Oder soll er e<strong>in</strong>en <strong>Teil</strong> des Gew<strong>in</strong>ns aus der Gullydeckel-<br />

und Straßenlaternen-Produktion nutzen, um damit Eisenbahnaktien zu kaufen? Oder soll<br />

er sich an e<strong>in</strong>er neuen Fabrik für Haushaltsgeräte oder Werkzeugmasch<strong>in</strong>en beteiligen, für die er<br />

gleichzeitig Zulieferungen übernehmen kann?<br />

Was auch immer: Der umtriebige Kapitalist erreicht schon wenige Jahre später e<strong>in</strong>en Punkt, da<br />

er dank se<strong>in</strong>es akkumulierten Geldes nicht nur se<strong>in</strong> eigenes Geschäft betreibt, sondern <strong>in</strong> vielen<br />

anderen Geschäften mitmischt. Se<strong>in</strong>e Akkumulation ist gar nicht mehr an e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Produktionsprozess gebunden. Faktisch ist er für andere Kapitalisten zum Kreditgeber geworden,<br />

während das eigene Unternehmen weiter boomt. 334 Vielleicht wird es Zeit, den Boom zu<br />

nutzen und es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft umzuwandeln? Dadurch erhält er wieder e<strong>in</strong>e Menge<br />

Geld, was erneut die Frage aufwirft: Woh<strong>in</strong> damit?<br />

Jetzt ist er vom Fabrikanten, der e<strong>in</strong> wohlhabender Kapitalist war, zum schwerreichen Kapitalisten<br />

geworden, der immer weniger als Fabrikant fungiert. Die re<strong>in</strong>e Geldform se<strong>in</strong>es Kapitals eröffnet<br />

ihm viele weitere Möglichkeiten. <strong>E<strong>in</strong>e</strong>n Zeitungsverlag kaufen und Politiker werden? Im<br />

Ausland <strong>in</strong>vestieren, vielleicht <strong>in</strong> das <strong>in</strong>teressante Kanalbauprojekt? Oder e<strong>in</strong> wenig Geld <strong>in</strong> die<br />

neumodische Telegraphie stecken? Oder alles gleichzeitig tun? Die wundersame Welt der Investitionen<br />

steht ihm offen. Unser Kapitalist, vormals Fabrikant, ist endgültig zum Investor geworden,<br />

der, wie er es nennt, "se<strong>in</strong> Geld für sich arbeiten" läßt.<br />

Er könnte als nunmehr berufsmäßiger Kreditgeber auch e<strong>in</strong>e Bank gründen oder Kompagnon<br />

e<strong>in</strong>er Bank werden. Da würden ihm se<strong>in</strong>e Erfahrungen aus der Gußeisen-Szene gewiß Nutzen<br />

br<strong>in</strong>gen. Und er läge damit voll im Trend. Denn tatsächlich wird die Rolle des Bankiers immer<br />

mehr zu e<strong>in</strong>er zentralen Rolle für Akkumulation und Reproduktion. Diese Rolle ist zwar nicht<br />

neu. Wir er<strong>in</strong>nern uns an M.s Schema G-G', mit dem schon das Handelskapital als Kreditgeber<br />

operierte. Nur ist die Rolle längst umgeschrieben worden und wird speziell für das Stück mit<br />

dem Titel "kapitalistische Akkumulation" neu besetzt.<br />

Überall ist Akkumulation. Überall entsteht Geld, das sich <strong>von</strong> se<strong>in</strong>em Ursprung löst und nach<br />

neuer Anlage sucht. 335 Also muß man als Bankier ke<strong>in</strong>esfalls mit dem eigenen Geld arbeiten;<br />

man nimmt das freie Geld der anderen. Die Bank gibt denen für ihren kle<strong>in</strong>en Betrag Z<strong>in</strong>sen und<br />

verdient als Herr des großen Geldes mit den großen Geschäften selber e<strong>in</strong>iges mehr - dar<strong>in</strong> liegt<br />

das ganze Geheimnis.<br />

Aussichtsreiche Sachen, die man f<strong>in</strong>anzieren könnte, gibt es reichlich. Sogar die Produktion <strong>von</strong><br />

Gully-Deckeln und Straßenlaternen hat ja nicht aufgehört, auch wenn der neue Bankier dar<strong>in</strong><br />

nicht mehr <strong>in</strong> eigener Person, sondern nur noch als Aktionär oder Kreditgeber verwickelt ist.<br />

Doch das <strong>in</strong>zwischen als Aktiengesellschaft <strong>von</strong> beauftragten Managern geführte Unternehmen<br />

will weitere Kokereien zur Sicherung der Gasversorgung kaufen und große Produktionsanlagen<br />

für die Herstellung <strong>von</strong> Leitungsrohren errichten. Die Bank verschafft die Mittel sofort, die durch<br />

normale Akkumulation erst <strong>in</strong> Jahren verfügbar wären. Es ist e<strong>in</strong> nahezu todsichere Geschäft<br />

zum Vorteil beider: Des funktionierenden Kapitals 336 im G-W-G' Schema, und natürlich des F<strong>in</strong>anzkapitals<br />

im reduzierten Schema der G-G' Verwertung.<br />

111

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!