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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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vergleichsweise genial. E<strong>in</strong> preiswertes Förderungsprogramm mit tiefer und breiter Wirkung. Dagegen ist die Abwrackprämie<br />

des Jahres 2009 nur e<strong>in</strong>e Idee, die Leuten e<strong>in</strong>fällt, denen sonst nichts e<strong>in</strong>fällt.<br />

In den Wirtschaftsmedien belegt man das Wechselspiel <strong>von</strong> technologischer Innovation, Kapitalvernichtung und<br />

Neuanlage <strong>von</strong> Kapital, wenn es mit der Vorhersagbarkeit e<strong>in</strong>es Sommergewitters zu Überkapazitäten führt, seit<br />

neuestem mit dem anschaulichen Begriff der Spekulationsblase und leitet daraus, schon mal wieder, e<strong>in</strong>en eigenen<br />

Wissenschaftszweig ab, der sich mit der Bubble-Ökonomie befaßt. Auch M. war schon bekannt, dass Aufblähungen<br />

der Produktionskapazitäten sehr oft (aber eben nicht nur) im Gefolge technischer Umwälzungen auftreten.<br />

Schließlich hat er die Weltwirtschafstkrise <strong>von</strong> 1857 genau studiert, die <strong>von</strong> der kreditf<strong>in</strong>anzierten Eisenbahnspekulation<br />

<strong>in</strong> den USA ausg<strong>in</strong>g. Anders als die modernen Blasen-Theoretiker wäre M. freilich nie auf die<br />

Idee gekommen, ausgerechnet die wunderbare Erf<strong>in</strong>dung der Eisenbahn (als Blasenvariable) und die Neigung der<br />

Investoren zu möglichst hohen Renditen (Blasenkonstante) für die skurrilen kapitalistischen Spekulationen verantwortlich<br />

zu machen. Da braucht es schon noch etwas mehr im Untergrund, z.B. soziale Verhältnisse, die überhaupt<br />

erst Investoren, Konkurrenz und Verwertungszwang hervorbr<strong>in</strong>gen. Aber auch das mal wieder nur am<br />

Rande angemerkt.<br />

469 MEW 24, S.109. Man beachte die Zusammenstellung "anormal" plus "Spekulation". Hier geht es um die<br />

Folgen nach unerwarteten, nicht vorhersehbaren Veränderungen; um das "Anormale" eben.<br />

M. ist klar, dass alles Verhalten der Akteure <strong>in</strong>nerhalb der kapitalistischen Produktionsweise Spekulation ist. Netter<br />

formuliert: <strong>Das</strong> Handeln der Akteure erfolgt im Vertrauen auf den Markt, der ihren Aktionen nachträglich die<br />

höheren Weihen e<strong>in</strong>er klugen Entscheidung verleihen möge. Tut er das nicht, war es eben e<strong>in</strong> Managementfehler.<br />

Dieselbe Entscheidung, die im Januar zu Ovationen <strong>in</strong> der Wirtschaftspresse führt, kann e<strong>in</strong>em Manager<br />

schon im Oktober die goldene Zitrone e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />

Folgen e<strong>in</strong>er Entscheidung des Managements gute Zahlen, war es e<strong>in</strong> geschickter Schachzug und alle bestätigen,<br />

dass man <strong>in</strong> der Chefetage klug die Bewegungen der Märkte gelesen habe. Ganz unabhängig da<strong>von</strong>, ob zwischen<br />

der Entscheidung und den guten Zahlen überhaupt irgende<strong>in</strong> Zusammenhang besteht. Folgen e<strong>in</strong>er Entscheidung<br />

schlechte Zahlen... Klar: Wieder unabhängig da<strong>von</strong>, ob zwischen Zahlen und Entscheidung überhaupt<br />

e<strong>in</strong> Zusammenhang besteht. Da geht es Managern wie Fußballtra<strong>in</strong>ern.<br />

Ob kluge Entscheidung oder Fehler: Bei näherer Betrachtung löst sich das <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Glücksspiel auf, mal mehr, mal<br />

weniger gelenkt durch den Zufall - spekulativ eben. Wer mit M.s Augen die Wirtschaftspresse liest, könnte fast<br />

(fast!) Mitleid mit den Managern bekommen. Aber die haben schon genug Mitleid mit sich selbst und sorgen für<br />

sich im großen Stil, sobald sie zum ersten Mal e<strong>in</strong>en Sessel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er obersten Etage mit ihrem H<strong>in</strong>tern wärmen.<br />

470 <strong>Das</strong> ist immer e<strong>in</strong> wichtiger Punkt, wenn wir über die kapitalistische Produktion sprechen, auf den wir noch<br />

mehrmals zurückkommen werden:<br />

<strong>1.</strong> Es entwickelt sich die Produktion über die Nachfrage h<strong>in</strong>aus, nicht die Konsumtion h<strong>in</strong>ter die Nachfrage zurück.<br />

M. legt darauf besonderen Nachdruck: "Es ist e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Tautologie zu sagen, daß die Krisen aus Mangel an<br />

zahlungsfähiger Konsumtion oder an zahlungsfähigen Konsumenten hervorgehn. Andre Konsumarten als zahlende<br />

kennt das kapitalistische System nicht, ausgenommen die sub forma pauperis (= Nachfrage der Armen = betteln)<br />

oder die des 'Spitzbuben' (= stehlen). Daß Waren unverkäuflich s<strong>in</strong>d, heißt nichts, als daß sich ke<strong>in</strong>e zahlungsfähigen<br />

Käufer für sie fanden..." (MEW 24, S.409).<br />

* sub forma pauperis me<strong>in</strong>t hier: Nachfrage der Armen, also betteln. Die Konsumart des 'Spitzbuben' me<strong>in</strong>t natürlich<br />

stehlen.<br />

2. Es nützt nichts, wenn e<strong>in</strong>e Menge Leute ohne Schuhe herumlaufen und gleichzeitig zu viele Schuhe produziert<br />

werden. Die Schuhe müssen bezahlt werden. So kommt es <strong>in</strong> der Geschichte des Kapitalismus immer wieder zu<br />

der Situation, die wir schon als Schaufensterperspektive bezeichnet haben: Man steht vor den sehnsüchtig erwünschten,<br />

vielleicht sogar lebensrettenden Waren und kann sie mangels Geld doch nicht erreichen. <strong>Das</strong> wird<br />

dann gerne als Verteilungsproblem gedeutet, als fehle es an den Möglichkeiten, die Lebensmittel und andere<br />

Waren dorth<strong>in</strong> zu schaffen, wo sie fehlen. Nur wenn am Ende die hungernden Menschen die Warenlager stürmen<br />

und das Verteilungsproblem für sich lösen, macht ihnen der Polizeiknüppel die Tatsache bewußt, dass Privateigentum<br />

vor Lebensrettung geht. Tatsächlich wurzelt das sche<strong>in</strong>bare Verteilungsproblem im Verwertungszwang,<br />

der aus der Grundstruktur der kapitalistischen Produktionsweise entspr<strong>in</strong>gt. Die ungleiche Verteilung des Geldes<br />

ist dafür nur der oberflächliche Ausdruck.<br />

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