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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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517 s. Fußnote 268. Hier f<strong>in</strong>den wir auch die Schnittstelle <strong>von</strong> der politischen Ökonomie zur Klassenanalyse und<br />

marxistischen Politik. Wie ist die Arbeiterklasse gegliedert? Welche Unterschiede <strong>in</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen, Lohnhöhe<br />

und Lohnform s<strong>in</strong>d zu beachten? Wie wird die Lohnabhängigkeit wahrgenommen und zu welchen E<strong>in</strong>stellungen<br />

verdichtet sich diese Sichtweise? Entsprechendes gilt für die Kapitalistenklasse, die ja ebenfalls ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches<br />

Bild bietet, sondern sich <strong>in</strong> Gruppen mit durchaus unterschiedlichen Interessen gliedert.<br />

518 Wenn auch unsere Urgroßeltern dieser Vergötterung der Geschw<strong>in</strong>digkeit nur mit Verachtung und Angst begegnet<br />

wären und es für e<strong>in</strong>en Götzendienst wider die Natur erklärt hätten. <strong>Das</strong> sollten wir uns klar machen:<br />

Zwischen e<strong>in</strong>er Lebensweise, <strong>in</strong> denen Postkutschen e<strong>in</strong> Privileg der Reichen waren und das Leben (ke<strong>in</strong>eswegs<br />

rosig-idyllisch) dem Wechsel <strong>von</strong> Tag und Nacht und den Jahreszeiten folgte, und der heutigen "Verzeitung" des<br />

Lebens, das schon morgens mit dem Radiowecker e<strong>in</strong>en auf die M<strong>in</strong>ute festgelegten Tagesablauf eröffnet, liegen<br />

nur wenig mehr als 150 Jahre - e<strong>in</strong> historischer Klacks.<br />

519 <strong>Das</strong> kl<strong>in</strong>gt, als habe Thießen aus jener englischen Flugschrift <strong>von</strong> 1770 abgekupfert, die wir bereits an anderer<br />

Stelle zitierten. Dar<strong>in</strong> empört sich der anonyme Autor auch über die unverschämt hohen Löhne. Er schreibt:<br />

"Man betrachte nur die haarsträubende Masse <strong>von</strong> Überflüssigkeiten, die unsre Manufakturarbeiter verzehren,<br />

als da s<strong>in</strong>d Branntwe<strong>in</strong>, G<strong>in</strong>, Tee, Zucker, fremde Früchte, starkes Bier, gedruckte Le<strong>in</strong>wand, Schnupf- und Rauchtabak<br />

etc." (zit.n. MEW 23, S.627)<br />

520 <strong>Das</strong> ist sogar der BLÖD-Zeitung <strong>in</strong> ihrem reißerischen Bericht unangenehm aufgefallen. Denn ob die sich<br />

selbst unter Kommunikation oder unter Kultur e<strong>in</strong>ordnet: Bei dieser Summe ist nicht e<strong>in</strong>mal das Billigblatt dr<strong>in</strong>.<br />

521 Thießen gilt jetzt als seriöser Fachmann. In dieser Funktion wurde er <strong>von</strong> der Süddeutschen Zeitung am 2.<br />

April 2008 über die damals schon kräftig rumorende F<strong>in</strong>anzkrise <strong>in</strong> den USA befragt. Se<strong>in</strong> Urteil: "Wir haben ke<strong>in</strong>e<br />

reale Krise, sondern nur e<strong>in</strong>e Ängstlichkeitskrise." Kurz drauf knallt und kracht es im Gebälk der Banken allerorten.<br />

Ziemlich ängstliche Ängstlichkeitskrise, Herr Professor, oder? Unser Tip: Psychologie ist gut und schön und<br />

gehört nun mal dazu. Alles, was Menschen tun, muß ja irgendwie durch ihren Kopf h<strong>in</strong>durch. Aber wenn die Krise<br />

e<strong>in</strong> Produkt der Ängstlichkeit ist: Woher kommt dann plötzlich die Ängstlichkeit nach so viel Mut und Übermut<br />

zur Spekulation? Klar ist das e<strong>in</strong>e schwierige Frage, Herr Professor, doch ke<strong>in</strong>e Angst: Es ist nicht verboten, h<strong>in</strong><br />

und wieder auch mal den Ursachen auf den Grund gehen. Wofür sonst sollten Universitäten und Wissenschaften<br />

gut se<strong>in</strong>?<br />

522 Als der Nasdaq100-Index nach dem Platzen der New Technology-Spekulation zwischen März 2000 und Oktober<br />

2002 um 78% implodierte, wurde er eiligst beurlaubt und mit verläßlich ersche<strong>in</strong>enden neuen Unternehmen<br />

rekonstruiert; standardmäßig s<strong>in</strong>d das die 100 Technologiekonzerne mit dem jeweils höchsten Börsenwert.<br />

Wer rausfällt wird ersetzt. Erfolg auf Dauer garantiert. Der deutsche Nemax-Index, dem dasselbe passierte, wurde<br />

2002 sogar vollständig e<strong>in</strong>gestellt, um die Pleite nicht länger dokumentieren zu müssen.<br />

523 Lediglich im Band 3 des "Kapital" wird der Begriff verwendet, allerd<strong>in</strong>g <strong>in</strong> ganz anderem Zusammenhang. Da<br />

schreibt M. im E<strong>in</strong>leitungskapitel zur Grundrente, wie die Kapitalisierung der Landwirtschaft das kapitalistische<br />

Grundeigentum <strong>von</strong> allen Verbrämungen befreit und auf re<strong>in</strong>es Privateigentum zurückgeführt habe, und fügt h<strong>in</strong>zu:<br />

"Wie alle ihre andern historischen Fortschritte, erkaufte sie auch diesen zunächst durch die völlige Verelendung<br />

der unmittelbaren Produzenten." (MEW 25, S.631) Wie gesagt: An anderen Stellen taucht das Wort Verelendung<br />

nicht auf – und schon gar nicht als Gesetz.<br />

524 Onkel Salomons (angebliche) Feststellung über se<strong>in</strong>en Neffen: "Hätt’ er gelernt was Rechtes, müsst er nicht<br />

schreiben Bücher" er<strong>in</strong>nert an e<strong>in</strong>en (angeblichen) Ausspruch <strong>von</strong> Frau <strong>Marx</strong> senior, den M. gerne zum besten<br />

gab: "Wenn der <strong>Karl</strong> viel Kapital gemacht hätte, statt über 'Kapital' zu schreiben, wäre es viel besser gewesen."<br />

525 Am 14. Januar 1848 schreibt Friedrich Engels an M., der <strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> Brüssel Zuflucht suchen mußte, über<br />

He<strong>in</strong>es Erkrankung:<br />

"He<strong>in</strong>e ist am Kaputtgehen. Vor 14 Tagen war ich bei ihm, da lag er im Bett und hatte e<strong>in</strong>en Nervenanfall gehabt.<br />

Gestern war er auf, aber höchst elend. Er kann ke<strong>in</strong>e drei Schritt mehr gehen, er schleicht, an den Mauern<br />

sich stützend, <strong>von</strong> Fauteuil bis ans Bett und vice versa. Dazu Lärm <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Hause, der ihn verrückt macht,<br />

Schre<strong>in</strong>ern, Hämmern usw. Geistig ist er auch etwas ermattet." (MEW 27, S.110)<br />

526 M.s Familienleben ist immer wieder Stoff für zahllose Bücher und Beiträge <strong>in</strong> den Medien. Vermutlich nur<br />

deshalb, weil man dann nicht über die Merkwürdigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise schreiben muß.<br />

Lang und breit wird <strong>in</strong> diesen Homestories zur <strong>Marx</strong> Family die Egozentrik des Hausherrn angeprangert. Und na-<br />

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