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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Antworten zu den Zwischenfragen<br />

<strong>1.</strong> Was verstehen wir eigentlich unter "Klassenkampf"?<br />

Wir verwenden den Begriff Klassenkampf ganz <strong>in</strong> M.s S<strong>in</strong>ne: "Die Geschichte aller bisherigen<br />

Gesellschaft ist die Geschichte <strong>von</strong> Klassenkämpfen." So lautet der berühmte erste Satz im<br />

"Kommunistischen Manifest" <strong>von</strong> 1848. 489 Aber weder die sozialen Klassen noch der Kampf<br />

dieser Klassen als Triebkraft der Geschichte ist M.s Entdeckung. Und schon gar nicht ist der Klassenkampf<br />

M.s "Erf<strong>in</strong>dung", um arme, unwissende Bürgerk<strong>in</strong>der zur Rebellion zu verführen.<br />

Mancher denkt bei Klassenkampf vielleicht an Barrikaden, Massenproteste, Revolutionen, an den<br />

Sturm auf das W<strong>in</strong>terpalais <strong>in</strong> Petrograd 1917 oder an die 72 Tage der Pariser Kommune im Jahr<br />

187<strong>1.</strong> Aber das ist nur e<strong>in</strong> w<strong>in</strong>ziger Ausschnitt. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d nur die Kulm<strong>in</strong>ationspunkte, über die<br />

man spricht, die "Lokomotiven der Geschichte", wie M. sie e<strong>in</strong>mal nannte. 490 Die meiste Geschichte<br />

aber, um im Bilde zu bleiben, wird zu Fuß erledigt.<br />

Außerdem herrscht die unseres Erachtens nicht marxistische Vorstellung vor, es gehe bei diesem<br />

Klassenkampf stets um den Kampf der großen Klassen, etwa zwischen "Bourgeoisie" und "Proletariat",<br />

mit wehenden Fahnen und geschmetterten Kampfliedern und Heroismus bis zum Abw<strong>in</strong>ken.<br />

Tatsächlich s<strong>in</strong>d mit Klassenkampf alle Kämpfe aller Klassen und Klassenfraktionen gegene<strong>in</strong>ander<br />

und <strong>in</strong>nerhalb derselben Klasse geme<strong>in</strong>t. Auch die kapitalistische Konkurrenz ist <strong>in</strong><br />

dieser Sicht nichts anderes als e<strong>in</strong>e Seite des Klassenkampfs, die sich sowohl gegen Belegschaften<br />

als auch gegen andere Kapitale richtet. Die unterschiedlichen Interessenlagen der Kapitalfraktionen<br />

bilden die Grundlage des Gerangels um die "richtige Regierungspolitik" und entscheiden<br />

viel häufiger über zentrale Fragen, etwa die <strong>von</strong> Krieg und Frieden, als dies die Kämpfe<br />

zwischen den großen Klassen tun.<br />

Der Klassenkampf besteht wie alles andere im Leben vornehmlich aus dem Alltag. Jede Tagesschau,<br />

jede Vorstandssitzung e<strong>in</strong>es Konzerns, jede Betriebversammlung, Millionen <strong>von</strong> Handlungen<br />

tagtäglich s<strong>in</strong>d wirklicher Klassenkampf, mehr oder weniger bewußt oder zielstrebig oder<br />

erfolgreich geführt, aber zweifellos Klassenkampf: Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwischen sozialen<br />

Gruppen um die Durchsetzung ihrer Interessen. Auch wenn die Akteure das ganz anders sehen<br />

und es vielleicht "Informationspflicht" oder "Wettbewerb" oder "soziale Reform" nennen, <strong>von</strong><br />

"sozialen Konflikten" oder "Arbeitskämpfen" oder sogar <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er "Politik für das Allgeme<strong>in</strong>wohl"<br />

und <strong>von</strong> "partnerschaftlicher Mitbestimmung" reden. Es geht um Klassen<strong>in</strong>teressen, ob<br />

wir diese Klassen nun Gruppen oder soziale Schichten oder Sozialpartner oder sonst wie nennen.<br />

Der Begriff "Klassenkampf" wird, wenn er <strong>in</strong> den Medien auftaucht, stets als etwas Ungehöriges<br />

vermittelt, das bestenfalls e<strong>in</strong>er dunklen Vergangenheit angehört, die längst überwunden<br />

ist. Aber der "Klassenkampf" ist eben ke<strong>in</strong>e kommunistische Erf<strong>in</strong>dung und erst recht ke<strong>in</strong>e<br />

marxistische Verführung der Massen zur Unbotmäßigkeit. (Die würden sich das verbitten.) Der<br />

Klassenkampf wurde nicht <strong>von</strong> dieser oder jener Gruppe erfunden und kann auch nicht e<strong>in</strong>fach<br />

<strong>in</strong>szeniert oder hervorgerufen werden. Er f<strong>in</strong>det statt.<br />

Inmitten der Weltwirtschaftskrise stellte "Die Zeit" <strong>in</strong> ihrem Feuilleton die Frage "Führt die F<strong>in</strong>anzkrise<br />

zum Klassenkampf?" (30.10.2008). Kuriose Frage! Dabei steht doch der Autor längst<br />

mittendr<strong>in</strong>: Mit se<strong>in</strong>em eigenen Artikel und dank des schlichten Umstands, dass die Krise selbst<br />

nicht nur Resultat, sondern auch sofort e<strong>in</strong>e Form des Klassenkampfs ist. Sie ist gewiß ke<strong>in</strong> Na-<br />

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