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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Und da es sich überwiegend um Beiträge mit brandaktuellen politischen Bezügen handelte, hatten<br />

sie natürlich auch das Ziel, sich gegen andere Auffassungen zu behaupten. Im politischen<br />

Feld waren M. und E. nicht auf Lehrstühle aus, sondern wollten dem revolutionären Kampf gegen<br />

die bürgerliche Gesellschaft e<strong>in</strong> gedankliches Fundament geben. Auch der Orientierungskampf<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er zersplitterten Arbeiterbewegung mußte geführt werden: Woh<strong>in</strong> soll es<br />

gehen? Was s<strong>in</strong>d die weiter führenden Forderungen? Woran erkennt man e<strong>in</strong>en Holzweg? Beim<br />

Streit um solche Fragen geht es nicht eben höflich zu.<br />

Unbestritten ist aber auch, dass die, die heute als Klassiker gelten, nicht eben unter Bescheidenheit<br />

litten, sondern <strong>von</strong> ihren hervorragenden Fähigkeiten vollständig überzeugt waren. 492 <strong>Das</strong><br />

ist nur deshalb erträglich, weil beide eben auch außergewöhnliche Fähigkeiten besassen. Für uns<br />

jedenfalls gibt es ke<strong>in</strong>en Grund, dergleichen nachzuahmen.<br />

Wer ohne die entsprechenden Fähigkeiten me<strong>in</strong>t, heute den <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> Wort und Ton geben zu<br />

müssen, läuft Gefahr, <strong>in</strong> der Rolle des großspurigen Lauttöners stecken zu bleiben, dem man<br />

auch dann nicht zuhören wird, wenn er etwas richtiges sagt.<br />

3. Gibt es überhaupt e<strong>in</strong>en „<strong>Marx</strong>ismus“? Was könnte dafür, was könnte dagegen<br />

sprechen?<br />

Der Begriff "<strong>Marx</strong>ismus", mehr noch "<strong>Marx</strong>ismus-Len<strong>in</strong>ismus", legt die Vermutung nahe, man<br />

habe es mit e<strong>in</strong>em verb<strong>in</strong>dlichen, fix und fertigen System der Welterklärung zu tun. Gerade nach<br />

dem Scheitern des Sozialismus <strong>in</strong> der UdSSR, <strong>in</strong> der DDR und anderen Staaten sollte man zurückrudern<br />

und den Mund nicht allzu voll nehmen. "Bescheidener se<strong>in</strong> und wirksamer analysieren"<br />

wäre unsere Losung. Und alles wieder neu durchdenken. Und sich an den Klassikern e<strong>in</strong> Beispiel<br />

nehmen, sie als wirkliche Anregungen nutzen, nicht aber als Ste<strong>in</strong>bruch für Zitate mißbrauchen<br />

oder als heilige Offenbarung hüten.<br />

Engels gab 1893 e<strong>in</strong>em Vertreter der russischen Emigranten <strong>in</strong> Chicago, die ihn als Schiedsrichter<br />

für politische Fragen beanspruchen wollten, <strong>in</strong> dieser Sache folgenden Korb. Er schrieb:<br />

"Wenn Sie die russische Emigrationsliteratur der letzten zehn Jahre verfolgt haben, werden Sie<br />

selbst wissen, wie zum Beispiel <strong>von</strong> den verschiedenen russischen Emigrantengruppen Passagen<br />

aus den Schriften und dem Briefwechsel <strong>von</strong> <strong>Marx</strong> <strong>in</strong> höchst widersprüchlicher Weise ausgelegt<br />

worden s<strong>in</strong>d, genau so, als wären es Texte aus Klassikern oder aus dem Neuen Testament. Was<br />

ich auch immer über den <strong>von</strong> Ihnen erwähnten Gegenstand sagen könnte, würde wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

dasselbe Schicksal erleiden, wenn ihm irgendwelche Aufmerksamkeit erwiesen würde." 493<br />

Weniger höflich formuliert: Selber essen macht satt. Selber denken macht schlau.<br />

Andererseits bezeichnet "<strong>Marx</strong>ismus" 494 heute e<strong>in</strong>e Grundposition, die im E<strong>in</strong>zelnen zwar differenziert<br />

werden kann, die aber e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Bezugspunkt <strong>in</strong> M.s Theorie und Methode<br />

hat. In diesem S<strong>in</strong>ne hätten wir ke<strong>in</strong>e Bedenken, uns selbst als <strong>Marx</strong>isten zu bezeichnen, weil wir<br />

M.s zentrale Erkenntnisse, <strong>von</strong> denen wir e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong> dieser <strong>Spurensuche</strong> kennenlernen, als Konsens,<br />

als allgeme<strong>in</strong> akzeptierten Ausgangspunkt eigener Analysen nutzen.<br />

4. Übertreiben die <strong>Marx</strong>isten mit ihrer Kritik an der Volkswirtschaftslehre nicht erheblich?<br />

Als während der sogenannten F<strong>in</strong>anzkrise 2007/2008 plötzlich der Bedarf nach Übersicht und<br />

den "großen Zusammenhängen" stärker wurde, sprach man <strong>in</strong> den Medien mal wieder häufiger<br />

<strong>von</strong> Volkswirtschaft. <strong>E<strong>in</strong>e</strong>r aus der Gruppe der ansonsten tonangebenden Analysten deutete das<br />

so: "Wenn Volkswirte plötzlich so sehr im Mittelpunkt des Interesses stehen, dann muss es um<br />

die Märkte schlimm bestellt se<strong>in</strong>." <strong>Das</strong> Handelsblatt kommentiert am <strong>1.</strong>12.2008 die Rolle der<br />

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