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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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die Arbeitszeit möglichst zu verkürzen. Obgleich aber die Produktionszeit des Kapitals <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Arbeitszeit abweichen<br />

mag, so umschließt sie stets dieselbe, und ist der Überschuß selbst Bed<strong>in</strong>gung des Produktionsprozesses.<br />

Die Produktionszeit ist also stets die Zeit, während deren das Kapital Gebrauchswerte produziert und sich<br />

selbst verwertet, daher als produktives Kapital fungiert, obgleich sie Zeit e<strong>in</strong>schließt, wor<strong>in</strong> es entweder latent ist<br />

oder auch produziert, ohne sich zu verwerten." (MEW 24, S.126f)<br />

411 Als Arbeitsperiode bezeichnen wir mit M. "die Zahl zusammenhängender Arbeitstage, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten<br />

Geschäftszweig erheischt ist, um e<strong>in</strong> fertiges Produkt zu liefern. <strong>Das</strong> Produkt jedes Arbeitstags ist hier nur e<strong>in</strong><br />

<strong>Teil</strong>produkt, welches Tag für Tag weiter ausgeführt wird und erst am Schluß der längern oder kürzern Periode der<br />

Arbeitszeit se<strong>in</strong>e fertige Gestalt erhält, e<strong>in</strong> fertiger Gebrauchswert ist." (MEW 24, 233)<br />

Die Produktionszeit (die M. an dieser Stelle Produktionsperiode nennt) ist der Zeitraum, den e<strong>in</strong> Produkt braucht,<br />

um gebrauchsfertig zu werden. <strong>Das</strong> umfaßt die eigentliche Arbeitsperiode und vom jeweiligen Arbeitsprozess abhängige<br />

Phasen, <strong>in</strong> denen ke<strong>in</strong>e Arbeit zugesetzt wird (Trocknung, Reifung, chemischen Umwandlung, Auskühlung<br />

usw.). Wir s<strong>in</strong>d diesem Unterschied bereits begegnet, nämlich <strong>in</strong> der Entstehung des bäuerlichen Handwerks.<br />

Grundlage dafür war ja die starke Abweichung zwischen eigentlicher Arbeitsperiode und der Produktionszeit<br />

<strong>in</strong> der Landwirtschaft. Der <strong>Teil</strong> der Produktionszeit, der über die landwirtschaftliche Arbeitszeit h<strong>in</strong>ausg<strong>in</strong>g,<br />

wurde durch bäuerliches Kle<strong>in</strong>gewerbe ausgefüllt.<br />

E<strong>in</strong> anschauliches Beispiel liefert uns die Holzwirtschaft. Da das Wachstum der Wälder (= Produktionszeit) kaum<br />

mehr beschleunigt werden kann, kam es schon zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts zu Engpässen <strong>in</strong> der Versorgung<br />

der meistens noch kle<strong>in</strong>gewerblichen Möbelhersteller. <strong>Das</strong> änderte sich erst mit dem Übergang vom knapper<br />

werdenden Naturholz zum technischen Holz, dem Stabsperrholz, auch Tischlerplatte genannt, und vor allem zu<br />

den seit etwa 1930 üblichen Spanplatten. <strong>Das</strong> technische Holz erlaubte e<strong>in</strong>e fast komplette Nutzung der Bäume<br />

und dank entsprechender Produktion die kont<strong>in</strong>uierliche Versorgung mit diesem Rohstoff. Komplizierte Phasen<br />

der Holztrocknung, Holzauswahl und Vorbehandlung und hohe Lagerkosten fielen weg. Schön für die Tischler,<br />

aber: Dadurch wurde auch der Weg zur <strong>in</strong>dustriellen Massenfertigung <strong>von</strong> preiswerten Möbeln geöffnet und<br />

gleichzeitig das Ende des kle<strong>in</strong>gewerblichen Möbelherstellers e<strong>in</strong>geläutet.<br />

412 Gerade bei Kraftwerken oder Immobilien, die ja wegen ihrer hohen Kapitalfixierung selbst sehr lange Verwertungsperioden<br />

haben, ist e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzierung <strong>von</strong> Erstellung und Betrieb durch den laufenden Wertrückfluß praktisch<br />

ausgeschlossen. Ohne Kredit geht hier nichts. Ke<strong>in</strong> Wunder, dass Infrastruktur- und Immobilienf<strong>in</strong>anzierung<br />

immer ganz oben stehen, wenn über die Ursachen <strong>von</strong> F<strong>in</strong>anzkrisen die Rede ist.<br />

413 Als Ref<strong>in</strong>anzierung wird <strong>in</strong> den kapitalistischen Unternehmen beschönigend der laufende Schuldendienst<br />

durch Aufnahme neuer Schulden bezeichnet. Da alle Unternehmen für den Betrieb und die Sicherung der Konkurrenzposition<br />

regelmäßig Kredite aufnehmen, müssen dafür auch regelmäßig Z<strong>in</strong>sen geleistet werden und Rückzahlungen<br />

zu festgelegten Term<strong>in</strong>en erfolgen. Der gesamte Geldfluß ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>anzplan niedergelegt, der die<br />

ständige Liquidität des Unternehmens, also den Zugriff auf ausreichende flüssige Geldmittel sichern soll. Die stete<br />

Anpassung des F<strong>in</strong>anzplans an Geschäftsgang und äußere Bed<strong>in</strong>gungen wie Kreditkosten, Währungsbewegungen<br />

oder Inflation gehört zu den zentralen Aufgaben des Managements.<br />

Banken und andere Kreditgeber bezeichnen als Ref<strong>in</strong>anzierung im engeren S<strong>in</strong>ne alle Verfahren, mit denen sie<br />

gewährte Kredite aus Fremdmitteln, also nicht aus dem Eigenkapital f<strong>in</strong>anzieren. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>es der zentralen<br />

Themen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise aus kapitalistischer Sicht, denn gerade die gescheiterte Ref<strong>in</strong>anzierung<br />

der Kredite über Kreditverbriefung hat die Krise so sehr verschärft.<br />

414 Mit Blick auf den Londoner Hausbau im großen Stil kommt M. zu der Verallgeme<strong>in</strong>erung:<br />

"Die Ausführung <strong>von</strong> Werken <strong>von</strong> bedeutend langer Arbeitsperiode und großer Stufenleiter fällt erst vollständig<br />

der kapitalistischen Produktion anheim, wenn die Konzentration des Kapitals bereits sehr bedeutend ist, andrerseits<br />

die Entwicklung des Kreditsystems dem Kapitalisten das bequeme Auskunftsmittel bietet, fremdes statt se<strong>in</strong><br />

eignes Kapital vorzuschießen und daher auch zu riskieren." (MEW 24, S.237)<br />

Natürlich ist jede Branche mit langer Produktionsperiode wie Immobilienprojekte, Staudämme, Stahlwerke, Eisenbahnl<strong>in</strong>ien,<br />

Schiffsbau usw. nicht nur wegen der verzögerten Verwertung und der Abhängikeit vom Kredit <strong>in</strong><br />

risikoreicher Lage; sie werden auch durch Krisen eher und dann auch härter getroffen. Trifft die Schuhfabrik <strong>in</strong><br />

der Krise auf ger<strong>in</strong>ge Nachfrage, bleiben die bis dah<strong>in</strong> täglich produzierten Schuhe als Warenwerte erhalten.<br />

Durch Verkauf der Lagerbestände, notfalls unter Preis, kann man sich sogar gewisse Zeit retten.<br />

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