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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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tion fungiert das Geld aber zunehmend als Buchgeld, mit dem Käufer und Verkäufer schon aus<br />

praktischen Gründen die e<strong>in</strong>zelnen Kaufakte gegene<strong>in</strong>ander als Konten bilanzieren. 167 Dadurch<br />

gew<strong>in</strong>nt der Kredit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en verschiedenen Formen an Bedeutung und der Austauschprozess<br />

wird <strong>in</strong>sgesamt komplexer und noch undurchschaubarer.<br />

Freilich ist der Kredit ke<strong>in</strong> neues Element, das sich der Warenproduktion erst aufdrängen muß,<br />

erfunden <strong>von</strong> habgierigen Wucherern, die den fleißigen Produzenten Waren und Geld abknöpfen<br />

wollen. Der Kredit ist <strong>von</strong> Anfang an <strong>in</strong>neres Element der Warenproduktion. Schließlich fallen<br />

Produktion der Ware und ihr Verkauf typischerweise zeitlich ause<strong>in</strong>ander. Damit das funktioniert,<br />

muß jede für den Austausch produzierte Ware bereits durch den Produzenten kreditiert<br />

werden: Sie ist vorgeschossenes Material und vorab geleistete Arbeit. Beides fließt erst durch<br />

den Verkauf (wenn alles gut geht) wertmäßig zurück.<br />

Mit wachsender Produktion und höherer Wertigkeit der Produkte wächst die Bedeutung des<br />

Kredits, der selbst zu e<strong>in</strong>em Element der Arbeitsteilung wird. Vor allem im Leder- und Weberhandwerk<br />

br<strong>in</strong>gt sehr oft der Kunde das Material, um vom Produzenten das Fertigprodukt, bei<br />

Anrechnung des Rohstoffs, zu kaufen. Auch diese Vorlieferung des Materials ist nichts anderes<br />

als e<strong>in</strong> Naturalkredit.<br />

Wo aus der gelegentlichen e<strong>in</strong>e gewerbsmäßige Produktion mit wachsender Produktivität wird,<br />

gew<strong>in</strong>nt die ausreichende Beschaffung des Rohmaterials immer mehr an Bedeutung. 168 Händler<br />

übernehmen diese Aufgabe; wenn nicht gegen sofortige Bezahlung, dann gegen Kredit, der mit<br />

dem Verkauf der Waren verrechnet wird. Es entsteht e<strong>in</strong> zunehmend komplexeres Geflecht <strong>von</strong><br />

Wirtschaftsbeziehungen. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d durch Geld vermittelte Abhängigkeiten der ökonomischen Akteure.<br />

Der Übergang zur Zirkulation <strong>von</strong> Geld und Waren als e<strong>in</strong>er relativ selbständigen Sphäre ist vollzogen,<br />

<strong>in</strong> der sich e<strong>in</strong> Vielzahl gleichzeitiger Austauschprozesse jeweils <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Stadien des W-G und G-W Prozesses bef<strong>in</strong>den. Die zunehmenden wechselseitigen Abhängigkeiten<br />

der Akteure <strong>in</strong> der Zirkulation, die sich aus dem Kredit ergibt, macht die Zirkulation zu e<strong>in</strong>em<br />

zwanghaft kont<strong>in</strong>uierlichen Prozess. "Flüssig zu se<strong>in</strong>" (solvent) wird zum obersten Gebot aller<br />

Akteure der Zirkulation. Wer nicht flüssig, sondern <strong>in</strong>solvent ist, wird aus der Zirkulation entfernt.<br />

S<strong>in</strong>d viele Akteure <strong>in</strong>solvent, s<strong>in</strong>d die Folgen klar. Wo die Zirkulation stockt und die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Akteure ihren Anteil am Buchgeld retten wollen und die sofortige Ausgleichung des Kredits<br />

<strong>in</strong> echtem Geld verlangen, ist e<strong>in</strong>e Krise der Zirkulation, e<strong>in</strong>e Handelskrise die zwangsläufige Folge.<br />

Nicht erst heute. 169<br />

Mit e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong> anerkannten Zahlungsmittel überschreitet die Zirkulation ihre durch Staat,<br />

Produktion, Klima, Kultur und andere Faktoren gesetzten Grenzen. <strong>Das</strong> Geld fungiert als<br />

Weltgeld. Was ohne Geld nur Ausnahme ist, z.B. im Grenzaustausch, wird vor allem dank des<br />

Goldgeldes zunächst als Fernhandel, dann als Welthandel schon früh zu e<strong>in</strong>er festen Größe.<br />

Sobald wir über das Geld nachdenken, kommt schnell der Punkt, wo wir an allen Ecken und Enden<br />

den Kapitalismus wittern. Auf dem gegenwärtigen Stand unserer Analyse müssen wir uns<br />

jedoch davor hüten, die bisher beschriebenen Funktionen des Geldes bereits als der Weisheit<br />

letzten Schluß zu betrachten. Wo es um die kapitalistische Produktionsweise und vor allem um<br />

den gegenwärtigen Kapitalismus geht, s<strong>in</strong>d die Funktionen des Geldes noch sehr viel umfassender<br />

und komplexer geworden.<br />

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