09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>von</strong> ihr als solcher die Rede ist. Dies ist festzuhalten, weil es gleich über die E<strong>in</strong>teilung Entscheidendes<br />

zur Hand gibt. Z.B. nichts sche<strong>in</strong>t naturgemäßer, als mit der Grundrente zu beg<strong>in</strong>nen,<br />

dem Grundeigentum, da es an die Erde, die Quelle aller Produktion und allen <strong>Das</strong>e<strong>in</strong>s, gebunden<br />

ist, und an die erste Produktionsform aller e<strong>in</strong>igermaßen befestigten Gesellschaften – die<br />

Agrikultur. Aber nichts wäre falscher. In allen Gesellschaftsformen ist es e<strong>in</strong>e bestimmte Produktion,<br />

die allen übrigen, und deren Verhältnisse daher auch allen übrigen, Rang und E<strong>in</strong>fluß anweist.<br />

Es ist e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Beleuchtung, wor<strong>in</strong> alle übrigen Farben getaucht s<strong>in</strong>d und [die] sie<br />

<strong>in</strong> ihrer Besonderheit modifiziert. Es ist e<strong>in</strong> besondrer Äther, der das spezifische Gewicht alles <strong>in</strong><br />

ihm hervorstehenden <strong>Das</strong>e<strong>in</strong>s bestimmt.<br />

Paul M. Sweezy: <br />

Aus: Paul M. Sweezy: Theorie der kapitalistischen Entwicklung (1942; dt. Frankfurt: Suhrkamp<br />

Verlag 1970)<br />

Lukacs 531 sagt über <strong>Marx</strong>' Methode, sie sei "<strong>in</strong> ihrem <strong>in</strong>nersten Wesen historisch". <strong>Das</strong> ist sicherlich<br />

richtig, und ke<strong>in</strong>e Diskussion des Problems, die das zu betonen vergißt, kann für befriedigend<br />

gelten.<br />

Für <strong>Marx</strong> besteht die soziale Wirklichkeit nicht so sehr aus e<strong>in</strong>er spezifischen Auswahl <strong>von</strong> Beziehungen,<br />

noch weniger aus e<strong>in</strong>em Konglomerat <strong>von</strong> D<strong>in</strong>gen. Sie ist der Prozess der Veränderung,<br />

der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er spezifischen Auswahl <strong>von</strong> Beziehungen wesensmäßig vorhanden ist. Mit anderen<br />

Worten: Die soziale Realität ist der historische Prozess, e<strong>in</strong> Prozess, der im Pr<strong>in</strong>zip ke<strong>in</strong>e Endlichkeit<br />

und ke<strong>in</strong>e Haltepunkte kennt. Soziale Systeme durchlaufen wie Individuen e<strong>in</strong>en Lebenszyklus<br />

und treten <strong>von</strong> der Szene ab, wenn sie aus Entwicklungsformen der Produktionskräfte zu ihren<br />

Fesseln werden. Der Prozess der sozialen Veränderung ist aber nicht re<strong>in</strong> mechanisch, er ist<br />

das Produkt menschlichen Handelns, freilich e<strong>in</strong>es Handelns, das durch die Art der Gesellschaft,<br />

<strong>in</strong> der es se<strong>in</strong>e Wurzeln hat, bestimmt begrenzt ist. <strong>Marx</strong> schreibt dazu: "Die Menschen machen<br />

ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten,<br />

sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen." Die<br />

Gesellschaft verändert sich und kann <strong>in</strong>nerhalb bestimmter Grenzen verändert werden.<br />

Konsequente Anhänglichkeit an diese Position führt zu e<strong>in</strong>em konsequenten historischen Zugang<br />

zu den Sozialwissenschaften. Dieser erlaubt - und das ist nur e<strong>in</strong> anderer Aspekt derselben<br />

Sache - e<strong>in</strong>e kritische Annäherung an jede Form der Gesellschaft mit E<strong>in</strong>schluß der gegenwärtigen.<br />

Man kann die Bedeutung dieses Punktes schwerlich überschätzen. Es ist e<strong>in</strong> Merkmal des<br />

nicht-marxistischen Denkens, dass es den Übergangscharakter aller früheren sozialen Ordnungen<br />

begreifen kann, während ihm dieselbe kritische Fähigkeit mangelt, wenn es sich um das kapitalistische<br />

System selbst handelt. Dies trifft zweifellos bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad auf alle historischen<br />

Epochen zu, doch gibt es, wie wir später sehen werden, besondere Gründe, warum es<br />

mit besonderer Intensität auf unsere eigene zutrifft. Für den typisch modernen Denker hat es,<br />

wie <strong>Marx</strong> es formulierte, "e<strong>in</strong>e Geschichte gegeben, aber es gibt ke<strong>in</strong>e mehr." (…) Auf der anderen<br />

Seite <strong>in</strong>terpretieren die <strong>Marx</strong>isten konsequent zeitgenössische Ereignisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em welthistorischen<br />

Zusammenhang. Der Unterschied ist zweifellos nicht e<strong>in</strong>e Frage der Intelligenz, sondern<br />

e<strong>in</strong>e Frage der Methode und Betrachtungsweise.<br />

Die meisten Menschen nehmen den Kapitalismus als gegeben h<strong>in</strong>, genauso wie sie das Sonnensystem<br />

als gegeben annehmen. <strong>Das</strong> mögliche Vergehen des Kapitalismus, das heute oft zugestanden<br />

wird, wird weitgehend <strong>in</strong> der gleichen Art gesehen wie das mögliche Erkalten der Sonne,<br />

d.h. se<strong>in</strong>e Relevanz für zeitgenössische Ereignisse wird bestritten. Von diesem Gesichtspunkt<br />

224

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!