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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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424 Man mag darüber streiten, ob der Transport <strong>von</strong> e<strong>in</strong>gepacktem Seelachs oder <strong>von</strong> Frischmilch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Aldizentrale zu den unproduktiven Kosten der Zirkulation gehört oder e<strong>in</strong>e Verlängerung des Produktionsprozesses<br />

ist. Für den Unternehmer, der den Transport durchführt, ist es jedenfalls produktive Verwertung se<strong>in</strong>es Kapitals,<br />

auch wenn der Unternehmer Aldi oder Lidl heißt.<br />

Es geht hier überhaupt nicht darum, den vielen Millionen alltäglichen Handlungen, die unser Wirtschaftsleben<br />

ausmachen, im e<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong> Etikett wie "produktiv" oder "faux frais" aufzukleben. Gewiss kann man die bei<br />

Rewe reifenden Bananen e<strong>in</strong>em verlängerten Produktionsprozess ebenso zuordnen wie die Montage e<strong>in</strong>er Spülmasch<strong>in</strong>e<br />

im Haushalt Müller durch e<strong>in</strong>en Beauftragten des Mediamarktes. Doch was br<strong>in</strong>gen uns solche Mikrodetails<br />

für die Analyse der Produktionsweise? Mit unserer Feststellung, dass der Zirkulation ke<strong>in</strong> Mehrwert entspr<strong>in</strong>gen<br />

kann, hat das nichts zu tun. Die wirkliche Zirkulation ist vielgestaltig und besteht nicht nur aus Regalen,<br />

<strong>in</strong> denen die Waren darauf warten, zu Geld zu werden. Und sie ist vielfältig mit den Produktionsprozessen verbunden.<br />

<strong>Das</strong> war schließlich e<strong>in</strong>e der wichtigen Feststellungen der vorangehenden Kapitel und ist Ausdruck der<br />

zunehmenden Arbeitsteilung, die auch <strong>Teil</strong>prozesse abspaltet und zu spezialisierten Dienstleistungen verselbständigt,<br />

die weder ganz der Produktion noch ganz der Zirkulation zugehören.<br />

425 "Wenn die Transport<strong>in</strong>dustrie daher auf Grundlage der kapitalistischen Produktion als Ursache <strong>von</strong> Zirkulationskosten<br />

ersche<strong>in</strong>t, so ändert diese besondre Ersche<strong>in</strong>ungsform nichts an der Sache.<br />

Produktmassen vermehren sich nicht durch ihren Transport. Auch die durch ihn etwa bewirkte Veränderung ihrer<br />

natürlichen Eigenschaften ist mit gewissen Ausnahmen ke<strong>in</strong> beabsichtigter Nutzeffekt, sondern e<strong>in</strong> unvermeidliches<br />

Übel. Aber der Gebrauchswert <strong>von</strong> D<strong>in</strong>gen verwirklicht sich nur <strong>in</strong> ihrer Konsumtion, und ihre Konsumtion<br />

mag ihre Ortsveränderung nötig machen, also den zusätzlichen Produktionsprozeß der Transport<strong>in</strong>dustrie. <strong>Das</strong> <strong>in</strong><br />

dieser angelegte produktive Kapital setzt also den transportierten Produkten Wert zu, teils durch Wertübertragung<br />

<strong>von</strong> den Transportmitteln, teils durch Wertzusatz vermittelst der Transportarbeit. Dieser letztre Wertzusatz<br />

zerfällt, wie bei aller kapitalistischen Produktion, <strong>in</strong> Ersatz <strong>von</strong> Arbeitslohn und <strong>in</strong> Mehrwert." (MEW 24, S.151)<br />

Mit der Veränderung der Ware beim Transport ist e<strong>in</strong>e mögliche Qualitätsm<strong>in</strong>derung geme<strong>in</strong>t. Als beabsichtigten<br />

Nutzeffekt sehen wir etwa e<strong>in</strong>en Obsttransport, bei dem die Transportzeit auch als Reifezeit genutzt wird. <strong>Das</strong><br />

wäre genauso e<strong>in</strong>e Verkürzung der Produktionszeit durch E<strong>in</strong>beziehung des Transports wie jede Verkürzung <strong>von</strong><br />

Transportzeiten die Produktionszeit verkürzt und die Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen verbessert.<br />

426 "Was aber die Transport<strong>in</strong>dustrie verkauft, ist die Ortsveränderung selbst. Der hervorgebrachte Nutzeffekt ist<br />

untrennbar verbunden mit dem Transportprozeß, d.h. dem Produktionsprozeß der Transport<strong>in</strong>dustrie. Menschen<br />

und Ware reisen mit dem Transportmittel, und se<strong>in</strong> Reisen, se<strong>in</strong>e örtliche Bewegung, ist eben der durch es bewirkte<br />

Produktionsprozeß. Der Nutzeffekt ist nur konsumierbar während des Produktionsprozesses; er existiert<br />

nicht als e<strong>in</strong> <strong>von</strong> diesem Prozeß verschiednes Gebrauchsd<strong>in</strong>g, das erst nach se<strong>in</strong>er Produktion als Handelsartikel<br />

fungiert, als Ware zirkuliert. Der Tauschwert dieses Nutzeffekts ist aber bestimmt, wie der jeder andern Ware,<br />

durch den Wert der <strong>in</strong> ihm verbrauchten Produktionselemente (Arbeitskraft und Produktionsmittel) plus dem<br />

Mehrwert, den die Mehrarbeit der <strong>in</strong> der Transport<strong>in</strong>dustrie beschäftigten Arbeiter geschaffen hat. Auch <strong>in</strong> Beziehung<br />

auf se<strong>in</strong>e Konsumtion verhält sich dieser Nutzeffekt ganz wie andre Waren. Wird er <strong>in</strong>dividuell konsumiert,<br />

so verschw<strong>in</strong>det se<strong>in</strong> Wert mit der Konsumtion; wird er produktiv konsumiert, so daß er selbst e<strong>in</strong> Produktionsstadium<br />

der im Transport bef<strong>in</strong>dlichen Ware, so wird se<strong>in</strong> Wert als Zuschußwert auf die Ware selbst übertragen."<br />

(MEW 24, S.60f)<br />

Die Transport<strong>in</strong>dustrie unterscheidet sich also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt <strong>von</strong> anderen Prozessen: Der Produktionsprozess<br />

selbst, die Durchführung des Transports ist hier die Ware. So gesehen kann die Tranport<strong>in</strong>dustrie auch als Verwertungsmodell<br />

für alle Dienstleisungen gelten, die wie e<strong>in</strong>e Ware verkauft werden und deren Kauf gleichbedeutend<br />

mit ihrer Konsumtion ist.<br />

427 Oft wird Transport <strong>von</strong> Waren und Zirkulation <strong>in</strong> Gedanken gleichgestellt. <strong>Das</strong> ist nicht korrekt. Zirkulation ist<br />

nicht an die Bewegung im Raum gebunden. Zwar ist offensichtlich, dass sich die Waren beständig bewegen; wir<br />

sprechen nicht ohne Grund <strong>von</strong> Warenströmen. Aber wenn e<strong>in</strong>e Immobilie verkauft wird, bewegt sich nicht das<br />

Haus oder Grundstück. Der Eigentumstitel wird übertragen und nur e<strong>in</strong>e Kontobewegung f<strong>in</strong>det statt. <strong>Das</strong> gilt für<br />

sehr viele Käufe und Verkäufe, nicht nur für den Handel mit Immobilien, sondern auch für den umfangreichen<br />

Handel mit Geld und Eigentumstiteln. Die Zahl dieser Käufe und Verkäufe kann besonders <strong>in</strong> spekulativen Phasen<br />

enorm anschwellen, ohne dass auch nur e<strong>in</strong> Meter Transport stattgefunden hätte.<br />

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