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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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nicht, denselben Prozess e<strong>in</strong>fach nur zu wiederholen. Se<strong>in</strong>e Existenz als Kapitalist ermöglicht<br />

mehr und fordert mehr.<br />

Zwischenfrage 56: Gibt es bestimmte "bürgerliche Tugenden" wie Sparsamkeit oder Enthaltsamkeit,<br />

gibt es so etwas wie e<strong>in</strong>e "bürgerliche Ethik", die den Aufstieg der Bourgoisie erklärt? (S.209)<br />

Warum mehr dr<strong>in</strong> ist als vorher, ist klar. Nach dem Verkauf der Waren, dem Abschluß der G'-<br />

Phase, ist mehr Geld vorhanden als zu Beg<strong>in</strong>n. Daraus ergibt sich e<strong>in</strong>e neue Option. Gewiß, der<br />

Kapitalist könnte sich das Strich vom G' als persönliche Belohnung e<strong>in</strong>sacken, still für sich konsumieren<br />

("vermöbeln" nennt M. das) und mit dem dann wieder strichfreien G den G-W-G' Zyklus<br />

erneut durchlaufen. So könnte es se<strong>in</strong>, aber so ist es nicht. Natürlich nimmt der Kapitalist e<strong>in</strong>en<br />

<strong>Teil</strong> des Gew<strong>in</strong>ns für se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnisse; er muß essen und tr<strong>in</strong>ken und wohnen.<br />

Aber plötzlich ist e<strong>in</strong>e Situation entstanden, <strong>in</strong> der es nicht um den Status quo, um diesen<br />

oder jenen Gew<strong>in</strong>n geht. Plötzlich geht es um stetigen Gew<strong>in</strong>n und plötzlich ist der stetige Gew<strong>in</strong>n<br />

untrennbar mit dem Wachstum se<strong>in</strong>es Kapitals verbunden.<br />

Nicht jeder e<strong>in</strong>zelne <strong>von</strong> ihnen, aber als soziale Klasse waren die Kapitalisten sche<strong>in</strong>bar ganz wild<br />

darauf, das Strich am G' <strong>von</strong> Zyklus zu Zyklus zu vergrößern - und tatsächlich mauserten sie sich<br />

dadurch <strong>von</strong> <strong>in</strong>dividuellen Nutznießern der Lohnarbeit, die es seit Jahrtausenden schon gegeben<br />

hatte, zu wirklichen Kapitalisten. 307 So wird aus unserem e<strong>in</strong>fachen Schema G-W-G' das neue<br />

Schema G-W-G'-W'-G''-W''-G''' usf., wobei die wachsende Zahl der Striche die wachsende Kapitalmasse,<br />

also die Re-Investition des Mehrwerts symbolisiert. <strong>Das</strong> ist die eigentliche Verwertung<br />

des Kapitals, das "geldheckende Geld", wie es bei M. verschiedentlich heißt. 308<br />

Die Folgen s<strong>in</strong>d für uns alle sichtbar. In der Abfolge der Produktionszyklen kommt es nicht nur<br />

zur Ausweitung des Kapitals <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er stofflichen Form. Es kommt zur Ausdehnung der Produktionssphären<br />

und damit zur Ausdehnung des Kapitalverhältnisses selbst. 309 Wir haben oben untersucht,<br />

wie aus dem Kapital, also aus der Lohnarbeit unter Regie e<strong>in</strong>es Geldgebers, der Mehrwert<br />

entspr<strong>in</strong>gt. Jetzt untersuchen wir, wie aus dem Mehrwert wieder Kapital wird. Diesen Prozess<br />

nennt M. die Akkumulation des Kapitals. 310<br />

Weil die neue Produktionsweise <strong>von</strong> Anfang an auf Ausweitung angelegt war, konnte es ihr<br />

überhaupt gel<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong>nerhalb der feudalen Gesellschaft zur dom<strong>in</strong>ierenden Produktionsweise<br />

e<strong>in</strong>er neuen Gesellschaftsformation zu werden. 311 Wie sich diese quantitative und qualitative<br />

Ausdehnung der Produktion vollzogen hat, haben wir im Kapitel über den Mehrwert <strong>von</strong> außen<br />

beschrieben. Jetzt zoomen wir uns näher ran und sehen uns den Produktionsprozess (sprich: die<br />

E<strong>in</strong>heit <strong>von</strong> Arbeits- und Verwertungsprozess) auch vom Standpunkt der vielen beteiligten Kapitale<br />

an. Erst die Beziehungen dieser Kapitale zue<strong>in</strong>ander, die wir Konkurrenz nennen, macht den<br />

Zwang zur erweiterten Verwertung verständlich.<br />

Die oben für den e<strong>in</strong>zelnen Kapitalisten beschriebene Option, vom Strich am G' e<strong>in</strong> sattes Leben<br />

außerhalb des kapitalistischen Wettbewerbs zu genießen, ist nämlich ke<strong>in</strong>e echte Option. Oder<br />

anders gesagt: Er könnte, wenn auch alle anderen es so machten. Machen sie aber nicht. Und<br />

deshalb kann der e<strong>in</strong>zelne Kapitalist nur so lange ohne Wachstum agieren, bis die wachsende<br />

Kapitalkraft der Konkurrenten se<strong>in</strong>er zurückbleibenden Existenz e<strong>in</strong> ökonomisches Ende bereitet.<br />

Die Akkumulation des Kapitals ist gleichzeitig der Prozess, <strong>in</strong> dem sich die Konkurrenz der Kapitale<br />

zu e<strong>in</strong>ander verwirklicht.<br />

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