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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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399 Sage jetzt ke<strong>in</strong>er: Die importieren wir aus Vietnam. Um solche für den Fortbestand e<strong>in</strong>er Gesellschaft wichtigen<br />

Produkte auf dem Außenmarkt zu erwerben, müssen Produkte vorhanden se<strong>in</strong>, die auf den Außenmärkten<br />

nachgefragt werden. Die Abhängigkeiten werden dadurch komplexer statt sich aufzulösen.<br />

400 MEW 24, S.108. Mit dem H<strong>in</strong>weis auf die "oben geschilderten Unterbrechungen" me<strong>in</strong>t M. die verschiedenen<br />

Formwechsel, die wir für die strukturelle Analyse als getrennte Stadien e<strong>in</strong>es Kreislaufs betrachtet haben.<br />

Noch e<strong>in</strong>mal: Diese Trennung der Stadien ist ke<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung; sie existiert wirklich. Aber wegen der Gleichzeitigkeit<br />

aller Stadien selbst für e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Kapital wird daraus e<strong>in</strong> stetiger Fluß, <strong>in</strong> dem zu jedem Zeitpunkt alle<br />

Stadien gleichzeitig existieren. Wirklich s<strong>in</strong>d die Stadien. Falsch h<strong>in</strong>gegen wäre es, sich den Zirkulationsprozess<br />

auch nur e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Kapitals als bloße Abfolge der Stadien vorzustellen, wie es unser Schema präsentiert.<br />

<strong>Das</strong> Schema hier wie überhaupt alle <strong>von</strong> M. verwendeten Schemata haben für sich genommen ke<strong>in</strong>erlei Beweiskraft;<br />

es s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e mathematischen Beweise. Und es s<strong>in</strong>d auch ke<strong>in</strong>e Abbildungen der Vorgänge. Es ist nicht das<br />

Schema, sondern unsere Analyse, mit der wir die Wirrniss der realen Verhältnisse aufschließen und die <strong>in</strong>nere<br />

Struktur offenlegen. Mit dem Schema skizzieren wir unser Vorgehen nur. Die Frage ist daher niemals, ob das<br />

verwendete Schema richtig ist, sondern ob die zugrunde liegenden Überlegungen richtig s<strong>in</strong>d.<br />

401 Überhaupt hat die kapitalistische Produktionsweise unser Leben vollständig dem Regime der Zeit untergeordnet.<br />

Nicht nur Arbeitszeit und Arbeitstempo, auch Fernsehprogramm und Fahrpläne, Stundenpläne und<br />

Urlausbpläne und vielfältige B<strong>in</strong>dungen an tausende, unheimlich wichtig sche<strong>in</strong>ende Term<strong>in</strong>e regeln unser Leben<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise, die bei unseren Ur-Ur-Urgroßeltern vor 150 Jahren blankes Entsetzen hervorrufen würde.<br />

Der natürliche Tag- und Nachtwechsel wird durch unsere Arbeitszeiten überlagert. Will e<strong>in</strong>e Großstadt als besonders<br />

modern und offen gelten, weisen ihre Image-Planer darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> ihr Tag wie Nacht das Leben tost.<br />

Filofaxe und personal organizer und Sem<strong>in</strong>are zur verbesserten Zeitnutzung versprechen uns gegen Geld e<strong>in</strong> besser<br />

organisiertes (!) Leben*, <strong>in</strong> dem sogar die Freizeit (?) und die Erholung (?) verb<strong>in</strong>dlich geplant werden.<br />

Auch hier w<strong>in</strong>kt die Politische Ökonomie mit dem Zaunpfahl. Denn e<strong>in</strong>e der <strong>von</strong> uns anfangs erwähnten verständigen<br />

Abstraktionen ist die Arbeit, die M. als Lebensveräußerung zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse bezeichnet.<br />

In Anwendung: Wir leben nicht, um besser zu arbeiten, sondern wir arbeiten, um besser zu leben. Jeder<br />

kann prüfen, ob diese Prioritäten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben und im Leben unserer Gesellschaft eigentlich noch stimmen.<br />

*"besser organisiert" heißt hier leider nicht, dass man sich besser organisiert, um für e<strong>in</strong>e andere Lebensweise,<br />

möglicherweise sogar für e<strong>in</strong>e andere Produktionsweise aktiv e<strong>in</strong>zutreten.<br />

402 Mit Stechuhren am Betriebse<strong>in</strong>gang und zahlreichen anderen Vorkehrungen errichtet die kapitalistische Produktionsweise<br />

e<strong>in</strong> straffes Zeitregime über die Gesellschaft. Nach nur wenigen Jahrzehnten ist der gesamte Gesellschaftsablauf<br />

bis <strong>in</strong> die sogenannte Freizeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> "ver-zeitigt". Im Katalog e<strong>in</strong>er Ausstellung zur Zeitmessung<br />

mit dem sprechenden Titel "Zeit ist Geld" heißt es:<br />

"Die Arbeitsteilung <strong>in</strong> der Fabrik erforderte nun e<strong>in</strong>heitliche Arbeitszeiten und unterwarf die Menschen dem<br />

Rhythmus der teuren Masch<strong>in</strong>en. Nachdrücklich forderten Fabrikanten pünktlichen Arbeitsbeg<strong>in</strong>n, striktes E<strong>in</strong>halten<br />

<strong>von</strong> Pausen und regelmäßige Schichten. Der Wert der Arbeit bemaß sich jetzt nach der geleisteten Arbeitszeit:<br />

Zeit wurde Geld. Die Idee der Kontrolluhr war geboren!"<br />

Doch bevor da irgende<strong>in</strong>e Idee geboren werden konnte, brauchte es e<strong>in</strong>e Menge an sozialen und ökonomischen<br />

Strukturen, an Dressur und Macht über mehr als vier Generationen.<br />

403 Mit dem patentierten Radialapparat der Dey Time Register Company <strong>in</strong> USA beg<strong>in</strong>nt 1894 die Ära der automatisierten<br />

Zeiterfassung. Mit e<strong>in</strong>em zweifarbigen Band wurden die Fehlzeiten bereits rot auf dem Kontrollstreifen<br />

ausgedruckt.<br />

Bei der schnellen Verbreitung der neuen Technik g<strong>in</strong>g es natürlich nicht nur um die bessere Kontrolle der Arbeitszeit,<br />

sondern vor allem um die Entlastung und E<strong>in</strong>sparung des damit bisher beschäftigten Kontrollpersonals. Wir<br />

er<strong>in</strong>nern uns: Relativer Mehrwert!<br />

404 "Die Bewegung des Kapitals durch die Produktionssphäre und die zwei Phasen der Zirkulationssphäre vollzieht<br />

sich, wie man gesehn, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zeitlichen Reihenfolge. Die Dauer se<strong>in</strong>es Aufenthalts <strong>in</strong> der Produktionssphäre<br />

bildet se<strong>in</strong>e Produktionszeit, die <strong>in</strong> der Zirkulationssphäre se<strong>in</strong>e Zirkulations- oder Umlaufszeit. Die Gesamtzeit,<br />

wor<strong>in</strong> es se<strong>in</strong>en Kreislauf beschreibt, ist daher gleich der Summe <strong>von</strong> Produktionszeit und Umlaufszeit. (MEW 24,<br />

S.124)<br />

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