Die Wirtschaftsschule – Verdienste und Entwicklungsperspektiven ...

Die Wirtschaftsschule aus der Sicht des VLB
darf nicht, wie aus Interessenkreisen erwogen oder gar gefordert, Bauernopfer zur Beruhigung der
Hauptschulen bei Einführung der sechsstufigen Realschule werden!“ 46
Die Regierungspartei, d.h. die Landtagsfraktion der CSU, reagierte auf Eingaben des VDH positiv:
„Die Wirtschaftsschule ist in zwei-, drei- und vierstufige Angebote gegliedert. Diese Struktur und die
bestehenden Zweige bleiben künftig gleichberechtigt erhalten.“ 47
Wenigstens formal und auch von der Regierungspartei voll mitgetragen blieb es so – und damit wie
im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Bay EUG) auch verankert.
Die Bestandsgarantie für die Wirtschaftsschulen in allen bestehenden Formen honorierte der
Verband insofern, als er ausgesprochene Expansionskampagnen für die Wirtschaftsschulen nicht
forcierte. Das schützte die Wirtschaftsschulen aber nicht vor immer wieder gesetzten Nadelstichen
aus bekannter, eigeninteressebezogener Richtung.
3.3 Sonderproblem – Berufsfachschul-Anrechnungs-Verordnung vom 06.07.1972
Ursprünglich gingen die Absolventen/innen der Handelsschulen „direkt“ als Angestellte vornehmlich
für kaufmännische Tätigkeiten in die Wirtschaft. Mit Ausbau der dualen Ausbildung ging der Weg
zunächst für die männlichen Absolventen über eine – i. d. R. verkürzte – Lehre; schließlich folgten
auch die weiblichen Absolventen. Eine gewisse Unsicherheit lag in der Länge der Lehre, besser in
ihrer Verkürzung bzw. Anrechnung auf die Normalzeit von 3 Jahren. Die Wirtschaftsschulen sahen
ihre Absolventen gut auf „die Wirtschaft“ vorbereitet und traten für kürzere Lehrzeiten, hohe Anrechnung
ein – die Wirtschaft neigte zum Gegenteil. Der VDH stand zwischen den beiden Fronten,
natürlich mit mehr Sympathie auf Seiten „seiner“ Schulen.
Die Berufsschul-Anrechnungs-Verordnung von 1972 – auf die der VDH über seinen Spitzenverband
„Deutscher Verband der Diplom-Handelslehrer/innen“ im Sinne seiner Wirtschaftsschulen aufklärenden
Einfluss genommen hatte – schien das Problem zu lösen: der erfolgreiche Besuch einer
Wirtschaftsschule wird mit einem Jahr auf ein Ausbildungsverhältnis im Berufsfeld Wirtschaft und
Verwaltung angerechnet. Die Macht des Faktischen zeigte sich aber so: viele Betriebe „umgingen“
die Verordnung, indem sie – bei dem damals grassierenden Lehrstellenmangel leicht möglich – eher
Realschulabsolventen einstellten, oder dass in manchen Kammerbezirken die Anrechnungsverordnung
sehr lasch gehandhabt wurde, d.h. auch Verträge mit Wirtschaftsschulabsolventen ohne
Anrechnung oder mit unterjähriger Anrechnung akzeptiert wurden.
Der Verband stand hier auf verlorenem Posten – zumal er auch auf das Ende des Lehrstellenmangels
setzte – der schließlich auch eintrat und das Problem zumindest vordergründig löste!
46 „akzente“ 02/1999, S. 19
47 „akzente“ 02/1999, S. 20
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