16.04.2014 Aufrufe

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

soziologis<strong>ch</strong>e Herrs<strong>ch</strong>aftsanalysen und normative <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien einen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en<br />

Legitimitätsbegriff. Eine Übernahme <strong>der</strong> Gruppenbildung Webers wäre<br />

folgli<strong>ch</strong> eine nur unvollständige Wie<strong>der</strong>gabe des Spektrums von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

und deshalb hier ni<strong>ch</strong>t sa<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>t.<br />

b) Das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en dem Re<strong>ch</strong>ten und dem Guten (T. Nagel)<br />

Das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en dem Re<strong>ch</strong>ten und dem Guten ist eine viel untersu<strong>ch</strong>te<br />

Grundents<strong>ch</strong>eidungen in <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien 313 , die wohl am konsequentesten<br />

von Nagel zu einer Klassifizierung <strong>der</strong> <strong>Theorien</strong> herangezogen wurde 314 . Die Grenzlinie<br />

entspri<strong>ch</strong>t im Grundsatz <strong>der</strong>jenigen zwis<strong>ch</strong>en <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition auf <strong>der</strong> einen und <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en und kantis<strong>ch</strong>en Grundposition<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Erstere bejahen ein Primat des Guten über das Re<strong>ch</strong>te, ma<strong>ch</strong>en<br />

also die Ri<strong>ch</strong>tigkeit einer Handlung davon abhängig, ob sie (teleologis<strong>ch</strong>, konsequentialistis<strong>ch</strong>)<br />

315 eine bestimmte Konzeption des Guten för<strong>der</strong>n kann. Letztere<br />

bejahen ein Primat des Re<strong>ch</strong>ten über das Gute, fragen also isoliert na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit<br />

<strong>der</strong> einzelnen Handlung, glei<strong>ch</strong> ob sie vorhandene (individuelle o<strong>der</strong> kollektive)<br />

Konzeptionen des Guten zu för<strong>der</strong>n vermag o<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t. Im ersten Fall wir das tugendhafte<br />

Gute zum vorrangigen Maßstab <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung, im letzteren<br />

das moralis<strong>ch</strong> Ri<strong>ch</strong>tige. <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskepsis, also sol<strong>ch</strong>e, die jede<br />

positive Begründbarkeit von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ablehnen (nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>e Grundposition),<br />

bleiben in dieser einfa<strong>ch</strong>en Einteilung unberücksi<strong>ch</strong>tigt.<br />

Die s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>te Zweiteilung <strong>der</strong> Positionen ist in <strong>der</strong> Analyse von Nagel zu fünf beson<strong>der</strong>s<br />

wi<strong>ch</strong>tigen Konstellationen verfeinert worden, unter denen au<strong>ch</strong> die nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>e<br />

Grundposition wie<strong>der</strong> eine Zuordnung findet 316 . Je na<strong>ch</strong>dem, wie das<br />

gute Leben (das Gute) zum moralis<strong>ch</strong>en Leben (dem Re<strong>ch</strong>ten) ins Verhältnis gesetzt<br />

wird, sollen fünf vers<strong>ch</strong>iedene Konstellationen resultieren. Erstens könne, wie bei<br />

Aristoteles, das moralis<strong>ch</strong>e Leben in Abhängigkeit vom guten Leben definiert werden.<br />

Eine Handlung sei dana<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig, wenn sie dem guten Leben diene. Zweitens solle,<br />

wie bei Platon, das gute Leben in Abhängigkeit vom moralis<strong>ch</strong>en Leben definierbar<br />

sein. Moralis<strong>ch</strong>es Handeln ist dann eine Voraussetzung für gutes Leben. Wird das<br />

Leben ni<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> auf moralis<strong>ch</strong>e Handlungen gegründet, so kann es kein<br />

gutes Leben mehr sein. Drittens könne, wie bei Nietzs<strong>ch</strong>e, das moralis<strong>ch</strong>e Leben unabhängig<br />

vom guten Leben verstanden werden; das Re<strong>ch</strong>te und das Gute bedingten<br />

einan<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t, do<strong>ch</strong> gebühre dem guten Leben im Kollisionsfall die absolute Priorität<br />

317 . Viertens sei es mögli<strong>ch</strong>, wie beim Utilitarismus und den meisten deontologi-<br />

313 Vgl. J. Rawls, Theory of Justice (1971), S. 24: »The two main concepts of ethics are those of the right<br />

and the good; ... The structure of an ethical theory is, then, largely determined by how it defines<br />

and connects these two basic notions.«<br />

314 T. Nagel, The View From Nowhere (1986), S. 195 ff.<br />

315 Zum Begriff des Konsequentialismus (consequentialism) siehe unten S. 152 (Charakteristika <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition).<br />

316 T. Nagel, The View From Nowhere (1986), S. 195 ff.<br />

317 T. Nagel, The View From Nowhere (1986), S. 196. Dana<strong>ch</strong> kann das moralis<strong>ch</strong>e Leben zwar als<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Gut angesehen werden, jedo<strong>ch</strong> nur solange, wie es ein gutes Leben ni<strong>ch</strong>t dominiert.<br />

Würde moralis<strong>ch</strong>es Handeln indes das gute Leben behin<strong>der</strong>n, so gäbe aus keinen Grund, die Moralität<br />

aufre<strong>ch</strong>tzuerhalten.<br />

105

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!