16.04.2014 Aufrufe

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

substantiellen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>, för<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> ist 31 . Sol<strong>ch</strong>e Bedeutungsgehalte können im<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskeptizismus ni<strong>ch</strong>t erklärt werden.<br />

Zum zweiten Einwand, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> an <strong>der</strong> Theorie Hayeks illustrieren läßt: Au<strong>ch</strong><br />

Skeptiker müssen für die reale Sozialordnung normative Vorgaben treffen; eine völlige<br />

Neutralität ist real ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong> und als epistemologis<strong>ch</strong>e Anfor<strong>der</strong>ung deshalb<br />

inakzeptabel 32 . Dieser Einwand gegen den <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskeptizismus betrifft die<br />

Adäquatheit seiner Ergebnisse. Wer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> für unbegründbar hält, <strong>der</strong> müßte<br />

si<strong>ch</strong> eigentli<strong>ch</strong> je<strong>der</strong> Aussage über die ri<strong>ch</strong>tige Gestaltung <strong>der</strong> Sozialordnung enthalten.<br />

Denn wer eine Handlungsweise im Ergebnis ni<strong>ch</strong>t akzeptieren will, glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

aber behauptet, es gebe keinen Weg, die Ri<strong>ch</strong>tigkeit o<strong>der</strong> Unri<strong>ch</strong>tigkeit eines Handelns<br />

zu begründen, <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>spri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> selbst. Wenn man <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ni<strong>ch</strong>t begründen<br />

kann, dann kann man si<strong>ch</strong> über Ungere<strong>ch</strong>tigkeit au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t beklagen 33 . Das<br />

Beispiel kann zwar die in si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>lüssige Theorie eines <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskeptikers ni<strong>ch</strong>t<br />

wi<strong>der</strong>legen, aber do<strong>ch</strong> illustrieren, wie inadäquat ihre Ergebnisse sind.<br />

Eine den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> realen Welt adäquate Theorie muß eine Aussage<br />

über die ri<strong>ch</strong>tige Sozialordnung treffen. Denn bei allem Streit über die ri<strong>ch</strong>tigen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>smaßstäbe<br />

herrs<strong>ch</strong>t do<strong>ch</strong> Übereinstimmung darin, daß <strong>der</strong> Staat für Unglei<strong>ch</strong>behandlungen<br />

prüfbare und diskussionsfähige Gründe angeben muß 34 . Daß<br />

mit sol<strong>ch</strong>en Aussagen, selbst wenn sie auf vermeintli<strong>ch</strong> neutrale Verfahren wie das<br />

des Marktes zurückgreifen, immer au<strong>ch</strong> normative Festlegungen verbunden sind,<br />

läßt si<strong>ch</strong> an <strong>der</strong> Theorie Hayeks zeigen. Dem Marktmodell Hayeks ist mit Re<strong>ch</strong>t entgegengehalten<br />

worden, daß au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Markt kein natürli<strong>ch</strong>es, vorpositives Faktum<br />

bildet, angesi<strong>ch</strong>ts dessen die Frage distributiver <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> überflüssig würde 35 .<br />

Regeln zur systembildenden Etablierung und kontrollierenden Absi<strong>ch</strong>erung des<br />

Marktes sind Mens<strong>ch</strong>enwerk 36 . Damit ist das Argument wi<strong>der</strong>legt, die dur<strong>ch</strong> den<br />

Markt bewirkte Verteilung sei gere<strong>ch</strong>t, weil <strong>der</strong> unpersönli<strong>ch</strong>e Verteilungsprozeß<br />

von niemandem verantwortet wird und in diesem Sinne neutral bleibt. Das marktgenerierte<br />

Verteilungsergebnis hängt von bewußten politis<strong>ch</strong>en Gestaltungsents<strong>ch</strong>eidungen<br />

ab 37 . Dieser politis<strong>ch</strong>en Verantwortung trägt letztli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Hayek Re<strong>ch</strong>nung,<br />

wenn er ein Minimaleinkommen für mögli<strong>ch</strong>erweise geboten hält 38 . Aber selbst<br />

31 Vgl. aus <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en Verfassungsjudikatur BVerfGE 42, 64 (65) – Zwangsversteigerung: »Die<br />

ri<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>e Unparteili<strong>ch</strong>keit ist kein wertfreies Prinzip, son<strong>der</strong>n an den Grundwerten <strong>der</strong> Verfassung<br />

orientiert, insbeson<strong>der</strong>e ... materialer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>.«<br />

32 Vgl. zu diesem 'Inakzeptabilitätsargument' N. Jansen, Struktur <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1998), S. 193 f.;<br />

ähnli<strong>ch</strong> W. Reese-S<strong>ch</strong>äfer, Was bleibt na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Dekonstruktion? (1998), S. 143 f., 157 ff. – Kritik an<br />

<strong>der</strong> Unfähigkeit postmo<strong>der</strong>ner Politiktheorie, Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und Demokratie zu begründen.<br />

33 J.-R. Sieckmann, Justice and Rights (1995), S. 117.<br />

34 R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 104. Vgl. allgemein zur 'Legitimitätserwartung' J. Habermas,<br />

Faktizität und Geltung (1992), S. 51: »Mit <strong>der</strong> Positivität des Re<strong>ch</strong>ts ist die Erwartung verbunden,<br />

daß das demokratis<strong>ch</strong>e Verfahren <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsetzung die Vermutung <strong>der</strong> rationalen Akzeptabilität<br />

<strong>der</strong> gesatzten Normen begründet.«<br />

35 C. Kukathas, Hayek and Mo<strong>der</strong>n Liberalism (1989), S. 166 ff. (172). Ähnli<strong>ch</strong> R. Kley, Hayek's Social<br />

and Political Thought (1994), S. 202; S. Brittan, Role and Limits of Government (1983), S. 53.<br />

36 R. Kley, Hayek's Social and Political Thought (1994), S. 203.<br />

37 R. Kley, Hayek's Social and Political Thought (1994), S. 203.<br />

38 F.A. Hayek, Liberalism (1973), S. 145: »[E]ven a minimum income assured to all might have been<br />

created within a liberal framework«.<br />

266

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!