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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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) Zwei Prinzipien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (N 1 N 2 )<br />

Auf <strong>der</strong> Basis des so definierten Urzustandes nimmt Rawls die Wahl zweier Grundsätze<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> an, die er zunä<strong>ch</strong>st in einer vorläufigen und dann in <strong>der</strong> folgenden<br />

endgültigen Fassung formuliert 374 :<br />

N 1 :<br />

N 2 :<br />

Jede Person hat das glei<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>t auf das umfangrei<strong>ch</strong>ste<br />

Gesamtsystem glei<strong>ch</strong>er Grundfreiheiten, das mit einem<br />

entspre<strong>ch</strong>enden Freiheitssystem für alle vereinbar<br />

ist.<br />

Soziale und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Unglei<strong>ch</strong>heiten müssen so<br />

bes<strong>ch</strong>affen sein, daß sie sowohl<br />

(a) den am wenigsten Begünstigten zum größten Vorteil<br />

gerei<strong>ch</strong>en, vereinbar mit dem gere<strong>ch</strong>ten Spargrundsatz,<br />

als au<strong>ch</strong><br />

(b) mit Ämtern und Positionen verbunden sind, die allen<br />

unter den Bedingungen fairer Chancenglei<strong>ch</strong>heit offenstehen.<br />

Zwis<strong>ch</strong>en den Grundsätzen besteht eine Vorrangregel (lexical or<strong>der</strong>), die eine Unglei<strong>ch</strong>heit<br />

im Sinne des zweiten Grundsatzes erst zuläßt, wenn Glei<strong>ch</strong>heit im Sinne<br />

des ersten Grundsatzes hergestellt ist 375 . Die Überlegungen, die na<strong>ch</strong> Rawls notwendig<br />

zur Wahl dieser Prinzipien führen, orientieren si<strong>ch</strong> an <strong>der</strong> bereits erwähnten Maximin-Regel<br />

376 . Der Urzustand ist absi<strong>ch</strong>tsvoll so gestaltet, daß den Parteien dur<strong>ch</strong><br />

den S<strong>ch</strong>leier des Ni<strong>ch</strong>twissens alle wi<strong>ch</strong>tigen Informationen über ihre Eigens<strong>ch</strong>aften,<br />

Fähigkeiten und Güter in <strong>der</strong> realen Welt entzogen sind. Sie befinden si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong><br />

in einer Situation weitgehen<strong>der</strong> Unsi<strong>ch</strong>erheit, in <strong>der</strong> sie mit einer existentiell wi<strong>ch</strong>tigen<br />

Ents<strong>ch</strong>eidung über die Rahmenbedingungen ihres Lebens konfrontiert werden.<br />

Das sind die Bedingungen, unter denen na<strong>ch</strong> Rawls eine risikos<strong>ch</strong>eue Wahl na<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

Maximin-Regel als ri<strong>ch</strong>tige Ents<strong>ch</strong>eidungsstrategie ers<strong>ch</strong>einen soll. Bestimmte<br />

Grundfreiheiten (N 1 ) sollen den Parteien dabei so wi<strong>ch</strong>tig sein, daß sie sie au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

für einen größeren Güterbestand opfern würden 377 . Im übrigen wären die Parteien –<br />

laut Rawls – nur dann bereit, Unglei<strong>ch</strong>heiten in Kauf zu nehmen, wenn sie selbst im<br />

ungünstigsten Fall davon profitieren. Dies drückt das sogenannte Differenzprinzip<br />

374 Zur vorläufigen Fassung J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 11, S. 60; endgültige Fassung ebd.,<br />

§ 46, S. 302. Die hier vorgenommene Übersetzung ist strikt am Wortlaut des englis<strong>ch</strong>en Originals<br />

orientiert und deshalb ni<strong>ch</strong>t identis<strong>ch</strong> mit <strong>der</strong> – zwar von Rawls autorisierten aber teilweise lei<strong>ch</strong>t<br />

vom Original abwei<strong>ch</strong>enden – deuts<strong>ch</strong>en Ausgabe: J. Rawls, Theorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1979), § 46,<br />

S. 336.<br />

375 J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 8, S. 42 ff.; § 47, S. 302 f.; <strong>der</strong>s., Political Liberalism (1993), S. 6:<br />

»The two principles together, with the first given priority over the second, regulate the basic institutions«.<br />

376 J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 26, S. 150 ff. Dazu oben S. 180 ff. (Theorie <strong>der</strong> Maximin-Wahl).<br />

377 J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 26, S. 156.<br />

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