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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> gema<strong>ch</strong>t wird, und eignet si<strong>ch</strong> deshalb ni<strong>ch</strong>t für verglei<strong>ch</strong>ende Theorieanalysen.<br />

3. Formale, prozedurale und materiale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

Es können na<strong>ch</strong> dem Inhalt vers<strong>ch</strong>iedene Arten von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen unters<strong>ch</strong>ieden<br />

werden. Materiale Normen treffen eine inhaltli<strong>ch</strong>e Aussage ('Du sollst<br />

ni<strong>ch</strong>t töten.'). Demgegenüber sind bloß formale Normen selbst inhaltsleer ('Jedem<br />

das Seine.'). Glei<strong>ch</strong>wohl handelt es si<strong>ch</strong> um <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen im Sinne von D NG .<br />

Einen Inhalt gewinnen sie, indem die leere Form dur<strong>ch</strong> Anwendung ausgefüllt wird,<br />

etwa dur<strong>ch</strong> eine Bestimmung dessen, was jemandem als 'das Seine' gebührt. Entspre<strong>ch</strong>endes<br />

gilt für prozedurale Normen, etwa für das Gebot des kontradiktoris<strong>ch</strong>en<br />

Verfahrens: 'Au<strong>ch</strong> die an<strong>der</strong>e Seite muß gehört werden!' – audiatur et altera pars.<br />

Au<strong>ch</strong> sie sind ohne bestimmten Inhalt und gewinnen ihre Substanz erst in <strong>der</strong> konkreten<br />

Dur<strong>ch</strong>führung des gebotenen Verfahrens. S<strong>ch</strong>on an dieser Stelle gilt es klarzustellen,<br />

daß die Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en prozeduralen und materialen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

ni<strong>ch</strong>t mit <strong>der</strong>jenigen zwis<strong>ch</strong>en prozeduralen und materialen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

zusammenfällt 167 . Eine prozedurale Theorie vermag materiale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

zu begründen, ebenso wie eine materiale Theorie zu prozeduralen<br />

Normen führen kann 168 .<br />

4. Begründung und Erzeugung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

Der pragmatis<strong>ch</strong>e Gehalt einer Norm besteht na<strong>ch</strong> den Ausführungen zum Normbegriff<br />

darin, ihre Geltung zu behaupten o<strong>der</strong> die Norm autoritativ in Geltung zu setzen.<br />

Mit dem Behaupten ist das argumentative Begründen, mit dem Ingeltungsetzen<br />

das reale Erzeugen von Normen angespro<strong>ch</strong>en. <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugung<br />

können zusammen als <strong>der</strong> pragmatis<strong>ch</strong>e Gehalt von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

angesehen werden.<br />

Die Begründung einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snorm als Moralnorm liegt darin, ihre bereits<br />

bestehende Geltung zu zeigen. <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen haben als Moralnormen ihr<br />

eigenes Geltungsuniversum, in dem die Geltungsgründe ni<strong>ch</strong>t von vornherein Bes<strong>ch</strong>ränkungen<br />

dur<strong>ch</strong> materielle Vorgaben (Verfassungsre<strong>ch</strong>t), Normsetzungskompetenzen<br />

(Gewaltenteilung), Normenhierar<strong>ch</strong>ien o<strong>der</strong> sozialen Konventionen unterliegen.<br />

Es kommt allein darauf an zu zeigen, daß eine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snorm unter Be-<br />

167 A.A. offenbar D. v.d. Pfordten, Re<strong>ch</strong>tsethik (1996), S. 269: »Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en materialen<br />

und prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien bzw. -prinzipien«; wie hier für eine Unters<strong>ch</strong>eidung<br />

N. Jansen, Struktur <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1998), S. 56 f. mit Fn. 58.<br />

168 Für den ersten Fall ist die Begründung <strong>der</strong> materialen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien in <strong>der</strong> prozeduralen<br />

Theorie von Rawls ein Beispiel; dazu unten S. 199 ff. (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Fairneß). Der zweite<br />

Fall liegt beispielsweise vor, wenn <strong>der</strong> demokratis<strong>ch</strong>e Verfassungsstaat trotz seiner prozeduralen<br />

Natur (siehe dazu unten S. 335 ff.) dur<strong>ch</strong> eine materiale Wertethik begründet wird; so beispielsweise<br />

in Deuts<strong>ch</strong>land die ältere Wertordnungsjudikatur des Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>ts: BVerfGE<br />

2, 1 (12) – freiheitli<strong>ch</strong>e demokratis<strong>ch</strong>e Grundordnung als 'wertgebundene Ordnung'. H. Welzel,<br />

Naturre<strong>ch</strong>t und materiale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1962), S. 225 ff. (227) spri<strong>ch</strong>t insoweit von »dem weitgehenden<br />

Bekenntnis <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung zum Naturre<strong>ch</strong>t«.<br />

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