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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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li<strong>ch</strong>keit des parlamentaris<strong>ch</strong>en Gesetzgebungsverfahrens beeinträ<strong>ch</strong>tigen, indem sie<br />

Verfahrensstationen o<strong>der</strong> Mitwirkungsre<strong>ch</strong>te entfallen lassen 176 .<br />

Die eigentli<strong>ch</strong>en Ri<strong>ch</strong>tigkeitsgarantien des Gesetzgebungsverfahrens liegen allerdings<br />

ni<strong>ch</strong>t innerhalb <strong>der</strong> Institution 'Parlament', son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> diskursiven Kontrolle<br />

dur<strong>ch</strong> eine kritis<strong>ch</strong>e Öffentli<strong>ch</strong>keit 177 . Darauf wird im Rahmen <strong>der</strong> deliberativen<br />

Politik zurückzukommen sein 178 .<br />

4. Die Verwaltungs- und Geri<strong>ch</strong>tsverfahren als reale Diskurse<br />

Die Regeln des Verwaltungsverfahrens erhöhen bei Ents<strong>ch</strong>eidungen <strong>der</strong> gebundenen<br />

Verwaltung die Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit <strong>der</strong> korrekten Re<strong>ch</strong>tsanwendung (unvollkommen<br />

prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> 179 ) und legen im Berei<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Ermessensverwaltung die Anwendungsbedingungen<br />

und Verfahrensregeln fest, unter denen eine Ents<strong>ch</strong>eidung<br />

prima facie gere<strong>ch</strong>t ist (quasi-reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>). Bei den Geri<strong>ch</strong>tsverfahren<br />

steht <strong>der</strong> erste Aspekt (korrekte Re<strong>ch</strong>tsanwendung, unvollkommen prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>)<br />

im Vor<strong>der</strong>grund. Jedenfalls im Rahmen einer anerkannten ri<strong>ch</strong>terre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Re<strong>ch</strong>tsfortbildung tritt aber ein gewisser Spielraum des Ri<strong>ch</strong>ters hinzu 180 . Die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

in diesem Berei<strong>ch</strong> wird wie<strong>der</strong>um dur<strong>ch</strong> Anwendungsbedingungen und<br />

Verfahrensregeln si<strong>ch</strong>ergestellt, die vor allem die Unparteili<strong>ch</strong>keit des Ri<strong>ch</strong>ters garantieren<br />

sollen (quasi-reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>). Der Ri<strong>ch</strong>ter wird dur<strong>ch</strong> das<br />

Konzept <strong>der</strong> Unparteili<strong>ch</strong>keit zu einem Garanten <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit (Diskursideal <strong>der</strong><br />

Fähigkeit und Bereits<strong>ch</strong>aft zum Rollentaus<strong>ch</strong> 181 ). Seine Verfahrensposition führt unter<br />

an<strong>der</strong>em dazu, daß er als Repräsentant für das ganze System von Re<strong>ch</strong>ten im<br />

Re<strong>ch</strong>tsstreit auftritt, so wie es idealiter von den als Urheber des Re<strong>ch</strong>ts geltenden Bügern<br />

im Einzelfall interpretiert würde 182 . Regeln über die Tatsa<strong>ch</strong>enermittlung nä-<br />

176 B.-O. Bryde, Geheimgesetzgebung (1998), S. 120.<br />

177 Vgl. J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 369: »Die deliberative Politik gewinnt ihre legitimierende<br />

Kraft aus <strong>der</strong> diskursiven Struktur einer Meinungs- und Willensbildung, die ihre sozialintegrative<br />

Funktion nur dank <strong>der</strong> Erwartung einer vernünftigen Qualität ihrer Ergebnisse erfüllen<br />

kann. Deshalb bildet das diskursive Niveau <strong>der</strong> öffentli<strong>ch</strong>en Debatten die wi<strong>ch</strong>tigste Variable.«<br />

(Hervorhebung bei Habermas).<br />

178 Dazu unten S. 353 ff. (deliberative Politik).<br />

179 Vgl. F. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren (1998), Rn. 586 ff. – Relativierung <strong>der</strong> Fehlerfolgen<br />

wegen <strong>der</strong> dienenden Funktion des Verfahrens. Zur dienenden Rolle des Verfahrens au<strong>ch</strong><br />

J. Pietzcker, Das Verwaltungsverfahren zwis<strong>ch</strong>en Verwaltungseffizienz und Re<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utzauftrag<br />

(1983), S. 222; R. Pits<strong>ch</strong>as, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren (1990), S. 160 ff.<br />

– relative Ri<strong>ch</strong>tigkeitsgewähr.<br />

180 Die re<strong>ch</strong>tsdogmatis<strong>ch</strong>en Details sind häufig umstritten. Vgl. etwa die lange Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

über die Theorie <strong>der</strong> Punktstrafe, na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> je<strong>der</strong> einzelnen Tats<strong>ch</strong>uld eine bestimmte<br />

(gere<strong>ch</strong>te) Strafgröße entspri<strong>ch</strong>t: R. v. Laun, Das freie Ermessen und seine Grenzen (1910),<br />

S. 57 ff., 259; E. S<strong>ch</strong>midt, Probleme staatli<strong>ch</strong>en Strafens in <strong>der</strong> Gegenwart (1946), S. 209; E. Dreher,<br />

Über die gere<strong>ch</strong>te Strafe (1947), S. 56 ff. (62 ff.); W. Fris<strong>ch</strong>, Revisionsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Probleme <strong>der</strong> Strafzumessung<br />

(1971), S. 67 ff. (84 ff.); H.-J. Bruns, Über Strafrahmen (1978), S. 162 ff.; <strong>der</strong>s., Der »Bestimmtheitsgrad«<br />

<strong>der</strong> Punktstrafe im Strafzumessungsre<strong>ch</strong>t (1979), S. 291 f.; <strong>der</strong>s., Das Re<strong>ch</strong>t <strong>der</strong><br />

Strafzumessung (1985), S. 63 ff., 105 ff.<br />

181 Vgl. R. Alexy, Probleme <strong>der</strong> Diskurstheorie (1989), S. 113; dazu oben S. 218 (D Di ).<br />

182 K.-H. Ladeur, Re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Ordnungsbildung unter Ungewißheitsbedingungen und intersubjektive<br />

Rationalität (1996), S. 407.<br />

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