Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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dadur<strong>ch</strong> ausgehebelt werden, daß in einem realen Diskurs ein Konsens erzielt wird,<br />
zukünftig nur no<strong>ch</strong> den König und seine dynastis<strong>ch</strong>en Thronfolger über die Ri<strong>ch</strong>tigkeit<br />
<strong>der</strong> Herrs<strong>ch</strong>aft befinden zu lassen. Eine sol<strong>ch</strong>e Selbstentäußerung <strong>der</strong> Erkenntniskompetenz<br />
ist unmögli<strong>ch</strong>, denn <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit kann man si<strong>ch</strong> nur im Diskurs vergewissern<br />
86 . Au<strong>ch</strong> ein sol<strong>ch</strong>ermaßen 'ermä<strong>ch</strong>tigter' König müßte si<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Zukunft<br />
zumindest gelegentli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit seiner Herrs<strong>ch</strong>aft in Diskursen mit an<strong>der</strong>en<br />
vergewissern. Diese Notwendigkeit und mit ihr den Grundsatz <strong>der</strong> anthropozentris<strong>ch</strong>en<br />
Souveränität (N S ) erkennt er bereits an, indem er kommuniziert und regiert.<br />
Um aber reale Diskurse führen zu können, sind au<strong>ch</strong> N M , N E und N G notwendig vorausgesetzt.<br />
Also sind die mit diesen Grundsätzen ausgedrückten Re<strong>ch</strong>te genauso<br />
unverzi<strong>ch</strong>tbar wie die Erkenntniskompetenz selbst.<br />
3. Die inhaltli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Prinzipien<br />
Immerhin markieren die vier Prinzipien jedes Sklaverei- o<strong>der</strong> Apartheidsregime, in<br />
dem die Unterdrückten ni<strong>ch</strong>t einmal eine Chance haben, die Regeln <strong>der</strong> sie betreffenden<br />
Sozialordnung mitzubestimmen, als ungere<strong>ch</strong>t. Entspre<strong>ch</strong>endes gilt für die<br />
Verni<strong>ch</strong>tung von Mens<strong>ch</strong>en in einem Genozid. Abgesehen von sol<strong>ch</strong>en eindeutigen<br />
Beispielen erweisen si<strong>ch</strong> die Prinzipien aber als inhaltli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>. Beispielsweise<br />
könnten sie eine Sozialordnung wie das Apartheidsregime des vorreformatoris<strong>ch</strong>en<br />
Südafrika ni<strong>ch</strong>t als ungere<strong>ch</strong>t qualifizieren. Dort waren die unterdrückten Bevölkerungsgruppen<br />
am öffentli<strong>ch</strong>en Diskurs über Reformen beteiligt. Diese Diskurse waren<br />
von idealen Bedingungen weit entfernt, do<strong>ch</strong> sie eröffneten immerhin eine Chance,<br />
daß Reformen dur<strong>ch</strong>geführt würden. Damit war die Einflußnahmemögli<strong>ch</strong>keit<br />
dur<strong>ch</strong> öffentli<strong>ch</strong>e Meinungsäußerung 'im Prinzip' anerkannt, hat aber an <strong>der</strong> Realität<br />
des Apartheidsregimes lange Zeit ni<strong>ch</strong>ts än<strong>der</strong>n können. Eine <strong>der</strong>artige Kombination<br />
aus grundsätzli<strong>ch</strong>er Anerkennung diskursiver Kontrollmögli<strong>ch</strong>keiten bei glei<strong>ch</strong>zeitiger<br />
Wirkungslosigkeit in <strong>der</strong> realen Sozialordnung läßt si<strong>ch</strong> mit je unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en<br />
Nuancen au<strong>ch</strong> für China, Singapur und den Iran feststellen 87 . Als diskurstheoretis<strong>ch</strong>e<br />
Notwendigkeit lassen si<strong>ch</strong> die bei sol<strong>ch</strong>en Staaten defizitären Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te<br />
(z.B. Wahlre<strong>ch</strong>t, Eigentum, allgemeine Glei<strong>ch</strong>heit) ni<strong>ch</strong>t begründen.<br />
4. Zu mögli<strong>ch</strong>en Wi<strong>der</strong>legungen <strong>der</strong> Prinzipien<br />
Mit alledem ist keine Letztbegründung gegeben, son<strong>der</strong>n es gibt definierte Punkte,<br />
an denen ein Versu<strong>ch</strong> zur Falsifizierung dieser Diskurstheorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ansetzen<br />
könnte 88 . Eine Wi<strong>der</strong>legung <strong>der</strong> bisherigen Aussagen kann analytis<strong>ch</strong> o<strong>der</strong><br />
empiris<strong>ch</strong> begründet werden. Als analytis<strong>ch</strong>e Wi<strong>der</strong>legung müßte sie zeigen, daß<br />
die Präsuppositionsanalyse <strong>der</strong> Diskurstheorie fals<strong>ch</strong> ist. Nur dadur<strong>ch</strong> ließe si<strong>ch</strong> die<br />
These ers<strong>ch</strong>üttern, daß jede Kommunikation, verbunden mit <strong>der</strong> empiris<strong>ch</strong>en Prämisse<br />
eines bes<strong>ch</strong>ränkten objektiven Interesses je<strong>der</strong> Regierung an Ri<strong>ch</strong>tigkeit, die<br />
innewohnenden Würde und ihrer glei<strong>ch</strong>en und unveräußerli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>te die Grundlage <strong>der</strong> Freiheit,<br />
<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> und des Friedens in <strong>der</strong> Welt bildet, ...«.<br />
86 Dazu oben S. 250 (T R ).<br />
87 Vgl. zu diesen Beispielen oben S. 299 ff. (Illustration).<br />
88 Zum hier verwendeten Falsifikationsbegriff oben S. 264, Fn. 20.<br />
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