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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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kommen, so ist au<strong>ch</strong> soziale Interaktion in Zwei- o<strong>der</strong> Mehrpersonenverhältnissen<br />

verallgemeinerbar. So wie bei Spielen neben Situationen <strong>der</strong> Gewißheit au<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e<br />

<strong>der</strong> Ungewißheit vorkommen, etwa wenn si<strong>ch</strong> die Mitspieler ni<strong>ch</strong>t in die Karten sehen<br />

lassen, so gibt es au<strong>ch</strong> bei sozialer Interaktion kleinere und größere Risikofaktoren.<br />

Spielallianzen finden ihre Parallele in sozialen Allianzen, Spielziele in Lebenszielen,<br />

Spielregeln in Gesetzen sozialer Ordnung, d.h. Re<strong>ch</strong>t und Sitte. Für die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong><br />

parametrisierten Spielsituationen (Lebenssituationen) ermittelt die Spieltheorie<br />

die jeweils vorteilhafteste Ents<strong>ch</strong>eidungsstrategie. Im Idealfall kann also jede<br />

Einzelents<strong>ch</strong>eidung auf rationale Überlegungen zurückgeführt werden, die allein<br />

von den eigenen Interessen (Spielgewinn, Lebenserfolg) geleitet sind.<br />

b) Der spieltheoretis<strong>ch</strong>e Fairneßbegriff<br />

In <strong>der</strong> Spieltheorie, wie au<strong>ch</strong> sonst in <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sdiskussion 57 , ist Fairneß<br />

glei<strong>ch</strong>bedeutend mit prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>. Der Fairneßbegriff hat aber hier eine<br />

enge, te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Bedeutung und unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> von demjenigen in<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien. Spieltheoretis<strong>ch</strong>e Fairneß kann in genau zwei Eigens<strong>ch</strong>aften<br />

eines Spiels verwirkli<strong>ch</strong>t sein. Erstens ist ein Spiel fair, wenn es symmetris<strong>ch</strong> ist 58 , weil<br />

die Spieler genau die glei<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>te haben, so daß ein Rollentaus<strong>ch</strong> das Spiel ni<strong>ch</strong>t<br />

verän<strong>der</strong>t 59 . Symmetrie des Spiels bedeutet bei Mehrpersonenspielen wegen <strong>der</strong> Kooperationsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

aber ni<strong>ch</strong>t Symmetrie <strong>der</strong> Gewinn<strong>ch</strong>ancen im Einzelfall. Insoweit<br />

ist Fairneß s<strong>ch</strong>on dadur<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>t, daß die Gewinn<strong>ch</strong>ancen beliebiger Koalitionen<br />

nur von <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Spieler abhängen 60 . Mehr no<strong>ch</strong>: Die Kooperationsmögli<strong>ch</strong>keit<br />

wird in aller Regel zu unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Gewinn<strong>ch</strong>ancen führen (kooperative<br />

Chancenverzerrung) 61 . Zweitens ist ein Spiel fair, wenn es zwar unsymmetris<strong>ch</strong> ist,<br />

die Vor- und Na<strong>ch</strong>teile <strong>der</strong> Spieler aus dieser Unsymmetrie aber dur<strong>ch</strong> Spielregeln<br />

ausgegli<strong>ch</strong>en werden 62 . Verglei<strong>ch</strong>t man diesen spieltheoretis<strong>ch</strong>en Fairneßbegriff mit<br />

57 Dazu oben S. 121 ff. (Glei<strong>ch</strong>setzung von Fairneß und prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

58 Vgl. J. v. Neumann/O. Morgenstern, Theory of Games and Economic Behaviour (1944), S. 259:<br />

»...games are symmetric and hence fair...«.<br />

59 J. v. Neumann/O. Morgenstern, Theory of Games and Economic Behaviour (1944), S. 165 f.<br />

60 Dies ist dur<strong>ch</strong> eine Funktion des Wertes eines Spiels für Koalitionen auszudrücken. J. v. Neumann/O.<br />

Morgenstern, Theory of Games and Economic Behaviour (1944), S. 238 f., 258 f., 315: »<strong>ch</strong>aracteristic<br />

function«.<br />

61 J. v. Neumann/O. Morgenstern, Theory of Games and Economic Behaviour (1944), S. 225: »It is quite<br />

instructive how the rules of the game are absolutely fair (in this case, symmetric), but the conduct<br />

of the players will necessarily not be.« Sowie Fn. 2: »This is, of course, a very essential feature of<br />

the most familiar forms of social organizations. It is also an argument whi<strong>ch</strong> occurs again and<br />

again in the criticism directed against these institutions, most of all against the hypothetical or<strong>der</strong><br />

based upon 'laisser faire.' It is the argument that even an absolute, formal fairness – symmetry of<br />

the rules of the game – does not guarantee that the use of these rules by the participants will be<br />

fair and symmetrical. Indeed, this 'does not guarantee' is an un<strong>der</strong>statement: it is to be expected<br />

that any exhaustive theory of raional behavior will show that the participants are driven to form<br />

coalitions in unsymmetric arrangements. ... It seems worth emphasizing that this <strong>ch</strong>aracteristically<br />

'social' phenomenon occurs only in the case of three or more participants.«<br />

62 J. v. Neumann/O. Morgenstern, Theory of Games and Economic Behaviour (1944), S. 166 f., Fn. 4.<br />

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