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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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4. Zur Kritik an R. Alexys analytis<strong>ch</strong>em Liberalismus<br />

Ursprüngli<strong>ch</strong> wurde an <strong>der</strong> Diskurstheorie Alexys vor allem die Son<strong>der</strong>fallthese kritisiert<br />

209 . Hier soll si<strong>ch</strong> die Analyse und Kritik auf die neuen Thesen Alexys zur diskurstheoretis<strong>ch</strong>en<br />

Begründung <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te konzentrieren. Dieser Untersu<strong>ch</strong>ungss<strong>ch</strong>werpunkt<br />

ist au<strong>ch</strong> deshalb geboten, weil Alexy mit <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te genau dort ansetzt, wo bei Habermas eine Begründungslücke festgestellt<br />

wurde: beim Übergang vom Diskurs zu realen Re<strong>ch</strong>ten.<br />

a) Zur Notwendigkeit <strong>der</strong> geheu<strong>ch</strong>elten genuinen Diskursteilnahme<br />

Von einer 'genuinen Diskursteilnahme' spri<strong>ch</strong>t Alexy, wenn <strong>der</strong> Diskursteilnehmer<br />

bereit ist, sein Handeln na<strong>ch</strong> allen Ergebnissen des Diskurses auszuri<strong>ch</strong>ten 210 . Die<br />

genuine Diskursteilnahme führt von <strong>der</strong> verpfli<strong>ch</strong>tenden Wirkung <strong>der</strong> Diskursregeln<br />

im Diskurs zu einer verpfli<strong>ch</strong>tenden Anerkennung <strong>der</strong> Autonomie im Handeln. Es<br />

handelt si<strong>ch</strong> damit um eine S<strong>ch</strong>lüsselstelle <strong>der</strong> Begründung von Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>ten.<br />

Wenn gezeigt werden kann, daß eine genuine Diskursteilnahme diskurstheoretis<strong>ch</strong><br />

notwendig ist, dann wäre damit die Autonomie im Handeln auf die kommunikationsnotwendige<br />

Geltung <strong>der</strong> Diskursregeln gestützt. Die objektive Anerkennung von<br />

Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>ten wäre dann diskurstheoretis<strong>ch</strong> notwendig.<br />

Die einzelnen S<strong>ch</strong>ritte des Autonomiearguments lassen si<strong>ch</strong> folgen<strong>der</strong>maßen zusammenfassen<br />

211 : (1) Man kann si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit nur im Diskurs vergewissern 212 .<br />

(2) Regierungen haben ein objektives Interesse an <strong>der</strong> Legitimation ihrer Herrs<strong>ch</strong>aft,<br />

müssen also <strong>der</strong>en Ri<strong>ch</strong>tigkeit behaupten. (3) Wer an Diskursen teilnimmt, setzt die<br />

Autonomie seiner Gesprä<strong>ch</strong>spartner im Diskurs voraus. (4) Wer ernsthaft an Diskursen<br />

teilnimmt (genuine Diskursteilnahme), will soziale Konflikte dur<strong>ch</strong> diskursiv erzeugte<br />

und kontrollierte Konsense lösen. (5) Wer soziale Konflikte dur<strong>ch</strong> Konsense<br />

lösen will, akzeptiert die Autonomie seiner Gesprä<strong>ch</strong>spartner au<strong>ch</strong> im Handeln. (6)<br />

Wer verhin<strong>der</strong>n will, daß das Interesse <strong>der</strong> Diskurspartner am Diskurs und damit die<br />

209 Aus <strong>der</strong> neueren Literatur etwa U. Neumann, Zur Interpretation des forensis<strong>ch</strong>en Diskurses<br />

(1996), S. 417 ff.; zustimmend demgegenüber J.P. Müller, Demokratis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1993),<br />

S. 149 ff., 161 ff. (parlamentaris<strong>ch</strong>e Gesetzgebung), 170 ff. (geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Verfahren), 180 ff. (juristis<strong>ch</strong>e<br />

Interpretation); P. Ts<strong>ch</strong>annen, Stimmre<strong>ch</strong>t und politis<strong>ch</strong>e Verständigung (1995), S. 388. Vgl.<br />

allgemein zur Kritik an <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>fallthese R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation<br />

(1991), S. 426 ff. (Zusammenstellung <strong>der</strong> Positionen). Habermas hatte si<strong>ch</strong> trotz <strong>der</strong> positivre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Bindung, <strong>der</strong> prozeßordnungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>ränkungen, des autoritativen Ents<strong>ch</strong>eidungs<strong>ch</strong>arakters<br />

und <strong>der</strong> Erfolgsorientierung ursprüngli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>fallthese Alexys ausdrückli<strong>ch</strong> anges<strong>ch</strong>lossen;<br />

J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1 (1981), S. 62 mit Fn. 63.<br />

Neuerdings hat er, <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung Günthers zwis<strong>ch</strong>en Begründungs- und Anwendungsdiskursen<br />

folgend (dazu oben S. 222), die Bejahung <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>fallthese deutli<strong>ch</strong> relativiert; J. Habermas,<br />

Faktizität und Geltung (1992), S. 283 ff. (286): »Aber die komplexere Geltungsdimension von<br />

Re<strong>ch</strong>tsnormen verbietet es, ... insofern den juristis<strong>ch</strong>en Diskurs als Son<strong>der</strong>fall von moralis<strong>ch</strong>en<br />

(Anwendungs-)Diskursen zu begreifen.« Vgl. dazu die Entgegnung von R. Alexy, Jürgen Habermas'<br />

Theorie des juristis<strong>ch</strong>en Diskurses (1995), S. 172 ff.<br />

210 Vgl. oben S. 252 (diskurstheoretis<strong>ch</strong>e Notwendigkeit <strong>der</strong> Autonomie).<br />

211 Vgl. dazu die ausführli<strong>ch</strong>ere Darstellung des Argumentationsgangs oben S. 250 ff. sowie R. Alexy,<br />

Diskurstheorie und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1995), S. 129 ff.<br />

212 Dazu oben S. 250 (T R ).<br />

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