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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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('rational <strong>ch</strong>oice contractarianism' 199 ). Die Treue zum (hypothetis<strong>ch</strong>en) Gesells<strong>ch</strong>aftsvertrag<br />

s<strong>ch</strong>ulden die Beteiligten genau dann, wenn si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Vertrag aus <strong>der</strong> Si<strong>ch</strong>t jedes<br />

einzelnen als vorteilhaft und deshalb als rational, vernünftig und ri<strong>ch</strong>tig erweist<br />

200 . Ri<strong>ch</strong>tigkeit und Pfli<strong>ch</strong>tigkeit eines Handelns folgen also aus <strong>der</strong> Vorteilhaftigkeit<br />

für jeden Einzelnen. Verbindet man T RC mit <strong>der</strong> allgemeinen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sdefinition<br />

in D 1 , so ist <strong>der</strong> spezifis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien<br />

und <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> rationalen Ents<strong>ch</strong>eidungstheorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> errei<strong>ch</strong>t:<br />

D 1RC :<br />

D 4RC :<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Sinne <strong>der</strong> <strong>Theorien</strong> rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens<br />

ist die Ri<strong>ch</strong>tigkeit und Pfli<strong>ch</strong>tigkeit desjenigen<br />

sozial- und glei<strong>ch</strong>heitsbezogenen Handelns, auf das si<strong>ch</strong><br />

egoistis<strong>ch</strong>e Nutzenmaximierer einigen (würden).<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien des rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens sind<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien, na<strong>ch</strong> denen eine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snorm<br />

N genau dann ri<strong>ch</strong>tig ist, wenn sie das Ergebnis<br />

einer Prozedur P des rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens sein kann.<br />

Beim Übergang von <strong>der</strong> Einzelents<strong>ch</strong>eidung zum Sozialvertrag muß es einen individuellen<br />

Vorteil geben, um dessentwillen si<strong>ch</strong> die Beteiligten überhaupt auf ein Miteinan<strong>der</strong><br />

einlassen, statt si<strong>ch</strong> in einem fortwährenden Gegeneinan<strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong><br />

aufs neue na<strong>ch</strong> den je eigenen Vorteilen in <strong>der</strong> Einzelsituation zu ri<strong>ch</strong>ten. Der<br />

Übergang vom (ni<strong>ch</strong>tkooperativen) Krieg aller gegen alle (T. Hobbes) in die<br />

(kooperative) Zivilgesells<strong>ch</strong>aft ges<strong>ch</strong>ieht um <strong>der</strong> Kooperationsvorteile willen, die für<br />

jeden einzelnen damit verbunden sind. Hier wird anar<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e Freiheit gegen<br />

staatli<strong>ch</strong> organisierte Si<strong>ch</strong>erheit getaus<strong>ch</strong>t, weil für jeden Einzelnen damit ein Vorteil<br />

verbunden ist. Dabei bleibt es im Prinzip glei<strong>ch</strong>gültig, ob <strong>der</strong> Kooperationsvorteil in<br />

<strong>der</strong> Si<strong>ch</strong>erung s<strong>ch</strong>on bestehen<strong>der</strong> Güter, insbeson<strong>der</strong>e des Lebens und <strong>der</strong><br />

körperli<strong>ch</strong>en Integrität, o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>affung neuer Güter dur<strong>ch</strong> Produktion besteht.<br />

In jedem Fall stellen si<strong>ch</strong> zwei Fragen, die eine Theorie rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens<br />

beantworten muß: erstens die Frage, wel<strong>ch</strong>er Grad von Kooperation begründet ist,<br />

und zweitens die Frage, wie die Kooperationsgewinne ri<strong>ch</strong>tigerweise verteilt werden<br />

sollen – sei es dur<strong>ch</strong> gere<strong>ch</strong>te Zuordnung von Re<strong>ch</strong>ten (Anspru<strong>ch</strong> auf Lohn, Eigentum<br />

an Frü<strong>ch</strong>ten und an<strong>der</strong>en Produkten), sei es dur<strong>ch</strong> gere<strong>ch</strong>te Zuordnung von<br />

Pfli<strong>ch</strong>ten (Steuern und an<strong>der</strong>e Abgaben, Wehrpfli<strong>ch</strong>t). Für diese Fragen beim<br />

Übergang von Konflikt zu Kooperation ist innerhalb <strong>der</strong> Grundlagendiskussionen<br />

zur rationalen Ents<strong>ch</strong>eidung die Spieltheorie zuständig, die versu<strong>ch</strong>t, »das rationale<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen abzuleiten, in denen <strong>der</strong><br />

199 So <strong>der</strong> treffende Begriff bei J.L. Coleman, Risks and Wrongs (1992), S. 3. Coleman (S. 3) definiert<br />

diese Form als eine Vertragstheorie mit <strong>der</strong> zentralen Annahme, daß legitime politis<strong>ch</strong>e Autorität<br />

eine beson<strong>der</strong>e Lösung für das Problem des Marktversagens ist, wie es in den Verteilungsstrukturen<br />

des Gefangenendilemmas für viele mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Interaktionen in einem Naturzustand auftritt.<br />

200 Zur Glei<strong>ch</strong>setzung von Vorteilhaftigkeit, Rationalität (rationality), Vernunft (reason) und Ri<strong>ch</strong>tigkeit,<br />

wie sie in allen <strong>Theorien</strong> rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens vorgenommen wird, siehe beispielhaft<br />

D. Gauthier, Morals by Agreement (1986), S. 150.<br />

170

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