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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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2. Zur Kritik an K.-O. Apels Transzendentalpragmatik<br />

Die Probleme, die si<strong>ch</strong> allgemein mit einer Letztbegründung von Normen verbinden,<br />

sind bereits im Zusammenhang mit dem Mün<strong>ch</strong>hausen-Trilemma ges<strong>ch</strong>il<strong>der</strong>t worden<br />

173 . Ihnen ist au<strong>ch</strong> Apels Transzendentalpragmatik ausgesetzt. Eine Kritik an diesem<br />

Letztbegründungsversu<strong>ch</strong> muß dabei ni<strong>ch</strong>t in seine Wi<strong>der</strong>legung münden, son<strong>der</strong>n<br />

ergibt si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on daraus, daß eine Letztbegründung jedenfalls für Fragen <strong>der</strong><br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ni<strong>ch</strong>t notwendig ers<strong>ch</strong>eint 174 . S<strong>ch</strong>on wenn für die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Lebensweise,<br />

wie wir sie <strong>der</strong>zeit beoba<strong>ch</strong>ten können, eine überzeugende Konzeption<br />

des ri<strong>ch</strong>tigen Handelns gefunden wird, ist die Begründungsaufgabe einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie<br />

erfüllt.<br />

Abgesehen von <strong>der</strong> Letztbegründung verdient au<strong>ch</strong> Apels Erweiterung <strong>der</strong> Diskursethik<br />

zur Verantwortungsethik Kritik. Das Ergänzungsprinzip führt dazu, daß<br />

si<strong>ch</strong> Kommunikationsteilnehmer in <strong>der</strong> realen Welt von <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Diskursregeln<br />

s<strong>ch</strong>on dann freima<strong>ch</strong>en dürfen, wenn die Einhaltung dur<strong>ch</strong> alle an<strong>der</strong>en ni<strong>ch</strong>t<br />

si<strong>ch</strong>ergestellt ist. Da Diskursregeln real nie vollständig erfüllbar sind, verbirgt si<strong>ch</strong> in<br />

diesem Doppelprinzip eine mögli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung <strong>der</strong> Diskurstheorie, <strong>der</strong>en reales<br />

Ausmaß nur s<strong>ch</strong>wer einzus<strong>ch</strong>ätzen ist. Wer si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>weg auf den Standpunkt<br />

stellt, daß es angesi<strong>ch</strong>ts <strong>der</strong> realen Umstände unzumutbar ist, si<strong>ch</strong> in Diskursen zu<br />

verständigen, <strong>der</strong> kann dafür auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Apels<strong>ch</strong>en Verantwortungsethik<br />

immer Gründe anführen. Diese Ents<strong>ch</strong>uldigungswirkung führt real zu einer S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Diskurstheorie und kann damit letztli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einmal das propagierte Ziel<br />

einer Steigerung <strong>der</strong> Verantwortung bewirken.<br />

3. Zur Kritik an J. Habermas Rekonstruktion des Re<strong>ch</strong>ts<br />

Für die Rezeption von Habermas Rekonstruktion des Re<strong>ch</strong>ts in 'Faktizität und Geltung'<br />

gilt ähnli<strong>ch</strong>es wie für Rawls <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie: Die Vielzahl <strong>der</strong> Argumente<br />

für und gegen die Konzeption ist ni<strong>ch</strong>t mehr übers<strong>ch</strong>aubar 175 . Die Analyse und Kritik<br />

muß si<strong>ch</strong> darum hier auf eine S<strong>ch</strong>lüsselstelle <strong>der</strong> Theorie bes<strong>ch</strong>ränken, die im letzten<br />

Teil dieser Untersu<strong>ch</strong>ung erneut aufgegriffen wird 176 .<br />

a) Zur Übertragbarkeit des Diskursprinzips auf das Re<strong>ch</strong>t<br />

Eine S<strong>ch</strong>lüsselstelle in Habermas neuerer Theorie ist die Übertragung des Diskursprinzips<br />

auf das Re<strong>ch</strong>t. Die ersten und grundlegendsten Re<strong>ch</strong>tskategorien stützt Habermas<br />

unmittelbar auf eine sol<strong>ch</strong>e Übertragung: »Diese drei Kategorien von Re<strong>ch</strong>ten<br />

ergeben si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on aus <strong>der</strong> Anwendung des Diskursprinzips auf das Re<strong>ch</strong>tsmedium<br />

als sol<strong>ch</strong>es« 177 . Damit werden oberste Grundre<strong>ch</strong>tsgruppen eingeführt: das größtmö-<br />

173 Dazu oben S. 261 ff. (Mün<strong>ch</strong>hausen-Trilemma).<br />

174 G. Patzig, 'Principium diiudicationis' und 'Principium executionis' (1986), S. 218.<br />

175 Vgl. nur die 26 Symposionsbeiträge zum Thema 'Habermas on Law and Democracy' in: Cardozo<br />

Law Review 17 (1996), S. 767-1684; die 10 Beiträge im 'Habermas-Son<strong>der</strong>heft' Re<strong>ch</strong>tstheorie 26<br />

(1996), S. 271-473; I. Maus, Freiheitsre<strong>ch</strong>te und Volkssouveränität (1995), S. 514 ff. u.v.m.<br />

176 Dazu unten S. 317 ff. (unmittelbare Begründung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen).<br />

177 J. Habermas, Faktizität und Geltung (1992), S. 156.<br />

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