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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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vertragsmodellen genaueren Begründungsansatz. Die Spieltheorie kann aber ni<strong>ch</strong>t<br />

die normativen Argumente liefern, die zu einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung no<strong>ch</strong> fehlen.<br />

Die si<strong>ch</strong> we<strong>ch</strong>selseitig wi<strong>der</strong>spre<strong>ch</strong>enden Ansätze <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien<br />

zeigen, daß ein universelles Nutzenkalkül ni<strong>ch</strong>t bestimmbar ist. Dieses Defizit läßt<br />

si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t dadur<strong>ch</strong> überbrücken, daß – gewissermaßen dur<strong>ch</strong> die Hintertür –<br />

moralis<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>ränkungen <strong>der</strong> Nutzenmaximierung eingeführt werden, denn damit<br />

verliert die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie ihren Charakter als Ents<strong>ch</strong>eidungstheorie. Die<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en Grundposition stellen si<strong>ch</strong> also insgesamt<br />

als prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien dar, <strong>der</strong>en konkrete <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung<br />

mit so gewi<strong>ch</strong>tigen Unwägbarkeiten belastet ist und zu so inadäquaten<br />

Sozialmodellen führt, daß die <strong>Theorien</strong> im Ergebnis ni<strong>ch</strong>t überzeugen können.<br />

14. Au<strong>ch</strong> die <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> kantis<strong>ch</strong>en Grundposition bieten nur teilweise eine<br />

hinrei<strong>ch</strong>ende <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung. Kantis<strong>ch</strong>e Sozialvertragstheorien und<br />

Standpunkttheorien begegnen s<strong>ch</strong>on im methodis<strong>ch</strong>en Ansatz dur<strong>ch</strong>greifenden Bedenken;<br />

sie können den Verda<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> konstruktiven Beliebigkeit ihrer moralis<strong>ch</strong>en<br />

Gehalte ni<strong>ch</strong>t ausräumen. Diskurstheorien verspre<strong>ch</strong>en am ehesten, eine befriedigende<br />

Antwort auf die Frage na<strong>ch</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Re<strong>ch</strong>t geben zu können.<br />

V. Grundzüge einer Diskurstheorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

15. <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen lassen si<strong>ch</strong> unmittelbar begründen, indem man ihre<br />

diskurstheoretis<strong>ch</strong>e o<strong>der</strong> diskursive Notwendigkeit zeigt; sie lassen si<strong>ch</strong> mittelbar<br />

begründen, indem man die Anwendungsbedingungen und Verfahrensregeln definiert,<br />

unter denen reale Diskurse gere<strong>ch</strong>te Ergebnisse hervorbringen. Es bietet si<strong>ch</strong><br />

an, diese Begründungsformen zu einer kombinierten Begründungsstrategie zu verbinden.<br />

16. Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und Demokratie lassen si<strong>ch</strong> weitgehend unmittelbar begründen,<br />

also ohne Rückgriff auf konkrete Diskurse. Eine diskurstheoretis<strong>ch</strong>e Präsuppositionsanalyse,<br />

erweitert um s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e empiris<strong>ch</strong>e Prämissen, kann dabei zeigen, daß<br />

die Grundsätze <strong>der</strong> anthropozentris<strong>ch</strong>en Souveränität, <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Meinungsäußerungsfreiheit,<br />

<strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heit im Diskurs und <strong>der</strong> mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Existenzbere<strong>ch</strong>tigung<br />

bei je<strong>der</strong> Kommunikation über <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> notwendig vorausgesetzt<br />

werden müssen (diskurstheoretis<strong>ch</strong>e Notwendigkeit). Sie sind damit aber<br />

ni<strong>ch</strong>t ausnahmslos, son<strong>der</strong>n nur 'im Prinzip' objektiv anerkannt, haben also no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t den Status vorpositiver Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te. Mit Hilfe des hypothetis<strong>ch</strong>en idealen<br />

Diskurses – einem Verfahren <strong>der</strong> reinen prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> – lassen si<strong>ch</strong> darüber<br />

hinaus einzelne <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien begründen (diskursive Notwendigkeit).<br />

Dazu gehören ein umfassendes System öffentli<strong>ch</strong>er und privater Freiheiten,<br />

<strong>der</strong> allgemeine Glei<strong>ch</strong>heitssatz, das Gebot <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit und ein Grundre<strong>ch</strong>t<br />

auf Demokratie. Die spezifis<strong>ch</strong>e Abwägung <strong>der</strong> Freiheitsre<strong>ch</strong>te untereinan<strong>der</strong>,<br />

die Begründung einer Eigentumsordnung und die konkrete Institutionalisierung eines<br />

demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaates folgen hingegen ni<strong>ch</strong>t aus einem idealen Diskurs.<br />

Die unmittelbar begründeten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen müssen in <strong>der</strong> Form zwingenden<br />

Re<strong>ch</strong>ts institutionalisiert werden, weil nur die Institutionalisierung von Normen,<br />

ihre Bewehrung mit staatli<strong>ch</strong>em Zwang, die Normdur<strong>ch</strong>setzung und damit die<br />

Realisierung von Kooperationsgewinnen in <strong>der</strong> Gemeins<strong>ch</strong>aft si<strong>ch</strong>ern kann.<br />

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