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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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5. Zu mögli<strong>ch</strong>en Wi<strong>der</strong>legungen <strong>der</strong> Grundre<strong>ch</strong>te<br />

Au<strong>ch</strong> bezügli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> diskursiv notwendigen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen lassen si<strong>ch</strong> Ansatzpunkte<br />

für eine mögli<strong>ch</strong>e Falsifizierung markieren 109 . Eine Wi<strong>der</strong>legung müßte<br />

zeigen, daß <strong>der</strong> hypothetis<strong>ch</strong>e Konsens, den reale Personen unter idealen Bedingungen<br />

errei<strong>ch</strong>en würden, ni<strong>ch</strong>t notwendig alle genannten Grundre<strong>ch</strong>te und Ordnungsprinzipien<br />

eins<strong>ch</strong>ließen muß. Das könnte analytis<strong>ch</strong> gelingen, wenn si<strong>ch</strong> zeigen ließe,<br />

daß jenseits bloßer Spekulation niemals Aussagen darüber mögli<strong>ch</strong> sind, was Ergebnis<br />

eines idealen Diskurses sein muß; den besten S<strong>ch</strong>utz gegen eine sol<strong>ch</strong>e analytis<strong>ch</strong>e<br />

Wi<strong>der</strong>legung mit dem Argument des 'Mün<strong>ch</strong>hausen-Trilemmas' bietet <strong>der</strong> Verzi<strong>ch</strong>t<br />

auf Letztbegründung 110 .<br />

Eine empiris<strong>ch</strong>e Wi<strong>der</strong>legung müßte belegen, daß eine <strong>der</strong> empiris<strong>ch</strong>en Prämissen<br />

unzutreffend ist. Hier konnten die weitergehenden empiris<strong>ch</strong>en Prämissen, na<strong>ch</strong> denen<br />

nur die Form eines demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaates geeignet ist, die optimale<br />

diskursive Kontrolle <strong>der</strong> sozialen Ordnung zu errei<strong>ch</strong>en, ni<strong>ch</strong>t im einzelnen dargelegt<br />

werden. Die relative Konkretisierungsoffenheit, die für den demokratis<strong>ch</strong>en<br />

Verfassungsstaat angenommen wurde, ma<strong>ch</strong>t eine empiris<strong>ch</strong>e Wi<strong>der</strong>legbarkeit aber<br />

jedenfalls unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>.<br />

IV. Ergebnisse<br />

Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und Demokratie lassen si<strong>ch</strong> weitgehend unmittelbar begründen, also<br />

ohne Rückgriff auf konkrete Diskurse. Eine diskurstheoretis<strong>ch</strong>e Präsuppositionsanalyse,<br />

erweitert um s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e empiris<strong>ch</strong>e Prämissen, kann dabei zeigen, daß die<br />

Grundsätze <strong>der</strong> anthropozentris<strong>ch</strong>en Souveränität, <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Meinungsäußerungsfreiheit,<br />

<strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heit im Diskurs und <strong>der</strong> mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Existenzbere<strong>ch</strong>tigung<br />

bei je<strong>der</strong> Kommunikation über <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> notwendig vorausgesetzt werden müssen<br />

(diskurstheoretis<strong>ch</strong>e Notwendigkeit). Sie sind damit aber ni<strong>ch</strong>t ausnahmslos, son<strong>der</strong>n<br />

nur 'im Prinzip' objektiv anerkannt, haben also no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t den Status vorpositiver<br />

Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te. Mit Hilfe des hypothetis<strong>ch</strong>en idealen Diskurses – einem Verfahren<br />

<strong>der</strong> reinen prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> – lassen si<strong>ch</strong> darüber hinaus einzelne<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien begründen (diskursive Notwendigkeit). Dazu gehören ein<br />

umfassendes System öffentli<strong>ch</strong>er und privater Freiheiten, <strong>der</strong> allgemeine Glei<strong>ch</strong>heitssatz,<br />

das Gebot <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit und ein Grundre<strong>ch</strong>t auf Demokratie. Die<br />

spezifis<strong>ch</strong>e Abwägung <strong>der</strong> Freiheitsre<strong>ch</strong>te untereinan<strong>der</strong>, die Begründung einer Eigentumsordnung<br />

und die konkrete Institutionalisierung eines demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaates<br />

folgen hingegen ni<strong>ch</strong>t aus einem idealen Diskurs. Die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

sol<strong>ch</strong>er Konkretisierungen kann nur in einer mittelbaren Begründung unter Bezugnahme<br />

auf reale Diskurse gezeigt werden 111 .<br />

109 Zum hier verwendeten Falsifikationsbegriff oben S. 264, Fn. 20.<br />

110 Dazu oben S. 261 ff. (Mün<strong>ch</strong>hausen-Trilemma).<br />

111 Dazu unten S. 334 ff. (mittelbare Begründung gere<strong>ch</strong>ten Re<strong>ch</strong>ts).<br />

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