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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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Damit ist deutli<strong>ch</strong>, warum 'Fairneß' als Ausdruck eines <strong>der</strong> Gebote <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

anzusehen 391 und mit 'prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>' synonym zu verwenden ist 392 :<br />

Denn wenn <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in D 1 die Ri<strong>ch</strong>tigkeit von sozial- und glei<strong>ch</strong>heitsbezogenem<br />

Handeln bedeutet und Fairneß in D F gerade <strong>der</strong>jenige 'Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanteil' eines Handelns<br />

ist, <strong>der</strong> inhaltsunabhängig im Verfahren gewonnen werden kann, dann wird<br />

bei <strong>der</strong> prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in D 3 die För<strong>der</strong>ung von Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit<br />

dur<strong>ch</strong> Verfahren genau mit demjenigen 'Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanteil' bewirkt, den <strong>der</strong> Begriff<br />

<strong>der</strong> Fairneß bezei<strong>ch</strong>net:<br />

D F ':<br />

Fairneß ist genau das, was in <strong>der</strong> prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Ergebnisses<br />

ausma<strong>ch</strong>t.<br />

Zum Verständnis von Fairneß und prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist es wi<strong>ch</strong>tig, die Abgrenzung<br />

zwis<strong>ch</strong>en den drei Fairneßelementen deutli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en. Als einfa<strong>ch</strong>e Illustration<br />

kann das Beispiel eines Tennisspiels dienen. Substantielle <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit)<br />

ist dann verwirkli<strong>ch</strong>t, wenn <strong>der</strong> bessere Spieler gewinnt. Zu<br />

den Anwendungsbedingungen, unter denen das Spiel als Verfahren den Sieg des besseren<br />

Spielers beför<strong>der</strong>n kann, gehört unter an<strong>der</strong>em, daß beide Spieler tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> gewinnen<br />

wollen und jeweils mit ihrer bevorzugten Ausrüstung spielen dürfen (Hintergrundfairneß,<br />

background fairness). Ferner ist Regeleinhaltung gefor<strong>der</strong>t, die Spieler<br />

dürfen beispielsweise ni<strong>ch</strong>t von einem Ball, <strong>der</strong> die Linie trifft, behaupten, daß er ins<br />

Aus ging; günstigstenfalls wird ein unparteiis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>iedsri<strong>ch</strong>ter die Regeleinhaltung<br />

besorgen (Anwendungsfairneß, procedural fairness). Zur Verfahrensbegründung<br />

gehört, daß die Spielregeln selbst in einer Weise gestaltet sind, die das Spiel zur Ermittlung<br />

des besseren Spielers för<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einen lassen. So ist beispielsweise ein<br />

gelegentli<strong>ch</strong>er Seitenwe<strong>ch</strong>sel vorzusehen, weil sonst die Gefahr besteht, daß <strong>der</strong> bessere<br />

Spieler verliert, nur weil er gegen die Sonne spielen mußte (Prozedurfairneß,<br />

fairness of the procedure). Sind die Spielregeln in diesem Sinne 'fair', ist außerdem das<br />

Verhalten <strong>der</strong> Spieler 'fair' und findet das Spiel unter 'fairen' Voraussetzungen statt,<br />

so kann man als Folgerung aus diesen Fairneßelementen mindestens die Aussage treffen,<br />

daß das Spiel zur Ermittlung des besseren Spielers 'för<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>' ist. Die Dur<strong>ch</strong>führung<br />

des Spiels führt folgli<strong>ch</strong> zu prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Sinne von D 3 .<br />

Das Beispiel vermag aber no<strong>ch</strong> mehr zu zeigen, als die bloße Illustration <strong>der</strong> Fairneßelemente.<br />

Es läßt si<strong>ch</strong> daran entwickeln, wie man relative Aussagen über prozedurale<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> treffen kann, wo es an einer absoluten Meßbarkeit fehlt. Denn es<br />

ist ohne weiteres einsi<strong>ch</strong>tig, daß in dem Beispiel die Einführung eines unparteiis<strong>ch</strong>en<br />

391 Instruktiv aus <strong>der</strong> Verfassungsjudikatur in Deuts<strong>ch</strong>land: BVerfGE 70, 297 (308): »[F]aires, re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>es<br />

Verfahren ... folgt letztli<strong>ch</strong> aus <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>«.<br />

392 Vgl. J. Berkemann, Fairneß als Re<strong>ch</strong>tsprinzip (1989), S. 226 ff. – Fairneß als Inbegriff <strong>der</strong> prozeduralen<br />

Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsdogmatik. Gelegentli<strong>ch</strong> wird Fairneß sogar als Inbegriff<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Re<strong>ch</strong>t angesehen; H.L.A. Hart, Concept of Law (1961), S. 154: »The distinctive<br />

features of justice and their special connexion with law begin to emerge if it is observed that most<br />

of the criticism made in terms of just and unjust could equally well be conveyed by the words<br />

'fair' and 'unfair'.« Diese Konzentration auf prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> erklärt si<strong>ch</strong> bei Hart aus<br />

seiner re<strong>ch</strong>tspositivistis<strong>ch</strong>en Grundhaltung.<br />

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