Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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teilen. Das bietet den Vorteil, keine verfahrensexternen Kriterien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />
bestimmen zu müssen 414 . Statt dessen findet si<strong>ch</strong> im Verfahren selbst das (prozedurale)<br />
<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skriterium verkörpert. Es genügt, die Verfahrensregeln zu bea<strong>ch</strong>ten,<br />
um ein qua definitionem gere<strong>ch</strong>tes Ergebnis zu bewirken. Reine prozedurale<br />
<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> stellt diesen Zusammenhang ausnahmslos in allen Fällen her und hat<br />
dadur<strong>ch</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründungsfunktion.<br />
Das trifft im Grundsatz au<strong>ch</strong> für die unvollkommene Variante <strong>der</strong> quasi-reinen<br />
prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> zu 415 , jedo<strong>ch</strong> mit <strong>der</strong> Eins<strong>ch</strong>ränkung, daß die Einhaltung<br />
<strong>der</strong> Verfahrensregeln nur prima facie das Ergebnis als gere<strong>ch</strong>t definiert. Das Verfahren<br />
begründet keine Si<strong>ch</strong>erheit, son<strong>der</strong>n stellt die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> des Verfahrensergebnisses<br />
unter den Vorbehalt <strong>der</strong> Vereinbarkeit mit übergeordneten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skriterien.<br />
Es ist ein übergeordneter <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>srahmen mit unbestimmt vielen<br />
Ents<strong>ch</strong>eidungsmögli<strong>ch</strong>keiten begründet, in dessen Grenzen si<strong>ch</strong> die quasi-reine prozedurale<br />
<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> halten muß und in aller Regel als Folge <strong>der</strong> Verfahrensbedingungen<br />
au<strong>ch</strong> hält. Wird unter den mögli<strong>ch</strong>en Ents<strong>ch</strong>eidungen eine getroffen, so ist<br />
das Resultat dieser Wahl qua definitionem gere<strong>ch</strong>t; werden die Grenzen hingegen ausnahmsweise<br />
verlassen, so ist sie wegen Verstoßes gegen den übergeordneten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>srahmen<br />
ungere<strong>ch</strong>t. Die Form erzeugt demna<strong>ch</strong> wi<strong>der</strong>legli<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>.<br />
Quasi-reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> nimmt an <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründungsfunktion<br />
teil, hat jedo<strong>ch</strong> wegen <strong>der</strong> mit ihr verbundenen Unsi<strong>ch</strong>erheit nur einen Status,<br />
<strong>der</strong> si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>lagwortartig als <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>swahlfunktion kennzei<strong>ch</strong>nen läßt.<br />
V. Ergebnisse<br />
<strong>Prozedurale</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist die För<strong>der</strong>ung von Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit dur<strong>ch</strong> Verfahren.<br />
Sie tritt abs<strong>ch</strong>ließend in vier Formen auf. Nur die reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />
läßt eine Begründung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> zu, die ohne verfahrensexterne <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skriterien<br />
und ohne einen übergeordneten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>srahmen auskommt.<br />
Die quasi-reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> bedarf dagegen immer eines übergeordneten<br />
<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>srahmens. Die beiden 'dienenden' Formen, die unvollkommene<br />
und die vollkommene prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>, eignen si<strong>ch</strong> allein ni<strong>ch</strong>t zur <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung,<br />
son<strong>der</strong>n sind auf verfahrensexterne Kriterien angewiesen.<br />
Es kann darum ni<strong>ch</strong>t verwun<strong>der</strong>n, wenn prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründungstheorien,<br />
wie die folgenden Beispiele im einzelnen zeigen werden, si<strong>ch</strong> vorwiegend<br />
auf reine und ergänzend auf quasi-reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> stützen.<br />
Demgegenüber stellen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugungstheorien in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsdogmatik<br />
vorwiegend auf die dienenden Formen <strong>der</strong> vollkommenen und unvollkommenen<br />
<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ab. Auf diese Trennungslinie wird beim beson<strong>der</strong>en Begriff <strong>der</strong> 'prozeduralen<br />
<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugungstheorie' zurückzukommen sein 416 .<br />
414 J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 14, S. 87.<br />
415 Vgl. J. Berkemann, Fairneß als Re<strong>ch</strong>tsprinzip (1989), S. 227; die bei den dortigen Beispielen (Sportre<strong>ch</strong>t,<br />
Losverfahren bei Studienplatzvergabe, formale Chancenglei<strong>ch</strong>heit <strong>der</strong> Parteien) erwähnte<br />
'reine' Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit ist tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> eine 'quasi-reine', weil sie im verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
Rahmen stattfindet.<br />
416 Dazu unten S. 133 (prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugungstheorie).<br />
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