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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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gewähren könnten. Wenn beispielsweise eine Gesells<strong>ch</strong>aft so deutli<strong>ch</strong> entlang ethnis<strong>ch</strong>er<br />

Linien gespalten sei, daß keine prozeduralen Mitbestimmungsre<strong>ch</strong>te <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit<br />

(z.B. Zigeuner o<strong>der</strong> Slumbewohner) einen si<strong>ch</strong>eren S<strong>ch</strong>utz gegen die zur Diskriminierung<br />

ents<strong>ch</strong>lossene Mehrheit bieten, dann müssten substantielle <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sregeln<br />

in <strong>der</strong> Verfassung diesen S<strong>ch</strong>utz erzwingen 450 . In <strong>der</strong> Regel hingegen seien<br />

prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sregeln gefor<strong>der</strong>t 451 , insbeson<strong>der</strong>e diejenigen, die eine öffentli<strong>ch</strong>e<br />

Diskussion <strong>der</strong> Regierungsents<strong>ch</strong>eidungen si<strong>ch</strong>erstellen 452 , etwa dur<strong>ch</strong> Meinungsäußerungs-<br />

und Informationsfreiheit, aber au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> strikte Bes<strong>ch</strong>ränkungen<br />

<strong>der</strong> privaten Parteienfinanzierung 453 .<br />

Zusammenfassend kann man Barrys neuere Theorie als eine Begründung verfassungskräftiger<br />

Mens<strong>ch</strong>en- und Demokratiere<strong>ch</strong>te verstehen, die vollständig auf dem<br />

Scanlon-Kriterium T S aufbaut.<br />

IV. Diskurstheorien<br />

1. Charakteristika<br />

Na<strong>ch</strong> den <strong>Theorien</strong> des rationalen praktis<strong>ch</strong>en Diskurses ist die Antwort auf eine<br />

praktis<strong>ch</strong>e Frage genau dann ri<strong>ch</strong>tig, wenn sie das Ergebnis einer bestimmten Prozedur,<br />

<strong>der</strong> des rationalen praktis<strong>ch</strong>en Diskurses, sein kann 454 . In bezug auf <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sfragen<br />

sind Diskurstheorien dadur<strong>ch</strong> prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien im<br />

Sinne von D 4 . Diskurstheorien bringen in Diskursregeln die Ideen <strong>der</strong> Universalität<br />

und Autonomie zum Ausdruck und stellen die Diskurstheorie dadur<strong>ch</strong> in die kantis<strong>ch</strong>e<br />

Tradition. Autonomie liegt darin, daß die Diskursteilnehmer als freie und glei<strong>ch</strong>e<br />

Individuen angesehen werden. Universalität ist glei<strong>ch</strong> in mehrfa<strong>ch</strong>er Hinsi<strong>ch</strong>t<br />

enthalten. Sie kommt zum Ausdruck in <strong>der</strong> persönli<strong>ch</strong>en Teilnahmefreiheit (universelle<br />

Teilnahme) und dadur<strong>ch</strong>, daß eine Begründung von <strong>der</strong> Zustimmung aller abhängt<br />

(universelle Zustimmung).<br />

Diskurstheorien treten als prozedurale <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> praktis<strong>ch</strong>en Ri<strong>ch</strong>tigkeit in<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Spielarten auf, die vor allem auf Habermas, Apel sowie, beson<strong>der</strong>s im<br />

Berei<strong>ch</strong> juristis<strong>ch</strong>er Argumentation, auf Alexy und Günther zurückgehen. Unters<strong>ch</strong>iede<br />

zwis<strong>ch</strong>en den einzelnen diskurstheoretis<strong>ch</strong>en Entwürfen zeigen si<strong>ch</strong> in zahlrei<strong>ch</strong>en<br />

Details 455 . Bei allen Unters<strong>ch</strong>ieden im einzelnen gibt es aber einige Theorie-<br />

450 B. Barry, Justice as Impartiality (1995), S. 100 f.<br />

451 B. Barry, Justice as Impartiality (1995), S. 109 f.: »Generalizing the point, we may say that, where<br />

substantive justice falls short, the sear<strong>ch</strong> for agreement has to be pushed up to the procedural level.<br />

... [N]obody could reasonably object to this proposition: that, in cases where justice is not determinative,<br />

the constitutional rules, plus the relevant educational institutions, the organization of<br />

the mass media of communication, and so on, should provide for the decision to be made in conditions<br />

that instantiate the circumstances of impartiality.«<br />

452 B. Barry, Justice as Impartiality (1995), S. 103.<br />

453 B. Barry, Justice as Impartiality (1995), S. 108.<br />

454 Vgl. R. Alexy, Idee und Struktur eines vernünftigen Re<strong>ch</strong>tssystems (1991), S. 30.<br />

455 Dazu etwa T. Baus<strong>ch</strong>, Unglei<strong>ch</strong>heit und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1993), S. 155 ff. – Unters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>der</strong> universal- o<strong>der</strong> formalpragmatis<strong>ch</strong>en Begründung bei Habermas einerseits und <strong>der</strong> transzendentalpragmatis<strong>ch</strong>en<br />

Begründung bei Apel an<strong>der</strong>erseits; ähnli<strong>ch</strong> H. Gronke, Apel versus Habermas<br />

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