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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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Fairneß des Verfahrens selbst (Prozedurfairneß) zu begründen 68 . Die (konkretisierungsbedürftige)<br />

Spieltheorie beurteilt eine unendli<strong>ch</strong>e Anzahl von Verteilungsergebnissen<br />

und Verteilungsverfahren als glei<strong>ch</strong>ermaßen rational und gere<strong>ch</strong>t.<br />

Um zu ents<strong>ch</strong>eiden, wo genau auf <strong>der</strong> Pareto-Linie die gere<strong>ch</strong>te Ents<strong>ch</strong>eidung<br />

liegt, können <strong>Theorien</strong> an zwei vers<strong>ch</strong>iedenen Punkten ansetzen. Bei je<strong>der</strong> Theorie<br />

rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens wird nämli<strong>ch</strong> in einem zweistufigen Verfahren zunä<strong>ch</strong>st ein<br />

Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt (nonagreement basepoint) festgelegt, das ist die Situation <strong>der</strong> Parteien<br />

bei Ni<strong>ch</strong>tzustandekommen einer Kooperation, und dana<strong>ch</strong> die Prozedur eingeführt,<br />

die bestimmt, na<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>em rationalen Ents<strong>ch</strong>eidungskriterium si<strong>ch</strong> die Parteien<br />

dur<strong>ch</strong> Kooperation vom Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt zur Pareto-Linie hin bewegen.<br />

<strong>Theorien</strong>, die in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Weise die Ents<strong>ch</strong>eidungsprozedur ausgestalten<br />

o<strong>der</strong> den Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt festsetzen, wurden oben bereits ges<strong>ch</strong>il<strong>der</strong>t 69 . Für die<br />

Analyse wi<strong>ch</strong>tig ist hier, daß die Spieltheorie für jede dieser Konkretisierungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

offen ist. Sie steckt nur einen äußersten Rahmen ab, den Ents<strong>ch</strong>eidungsverfahren<br />

einhalten müssen, um als rational angesehen werden zu können. Die<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten <strong>der</strong> Konkretisierung <strong>der</strong> Spieltheorie zu einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie<br />

sind unendli<strong>ch</strong> und lassen eine Vielzahl unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Prozeduren und Ergebnisse<br />

zu. Au<strong>ch</strong> alle hobbesianis<strong>ch</strong>en Sozialvertragstheorien passen in dieses Modell: Ihr<br />

Naturzustand ist <strong>der</strong> Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt und ihre Vertragsverhandlung bildet die<br />

Prozedur, die zu einem Ergebnis auf <strong>der</strong> Pareto-Linie führt. Die Grenzen <strong>der</strong> Spieltheorie<br />

sind deshalb Grenzen, die für die hobbesianis<strong>ch</strong>e Grundposition insgesamt<br />

gelten.<br />

3. Die Grenzen <strong>der</strong> Spieltheorie als <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie<br />

Der nur begrenzte Nutzen <strong>der</strong> Spieltheorie als Grundlage einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie<br />

kann erstens daran gezeigt werden, daß sie nur unvollständig Kritierien für <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

liefert (a), und zweitens daran, daß das rationalistis<strong>ch</strong>e Nutzenkalkül ein für<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien inadäquates Modell anbietet, weil es sittli<strong>ch</strong>es o<strong>der</strong> moralis<strong>ch</strong>es<br />

Verhalten, auf das die politis<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aft angewiesen ist, ni<strong>ch</strong>t erklären<br />

kann (b-d).<br />

a) Die immanenten Grenzen <strong>der</strong> Spieltheorie<br />

Mit <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Konkretisierungsmögli<strong>ch</strong>keiten ist glei<strong>ch</strong>zeitig eine Grenze <strong>der</strong><br />

Spieltheorie als Werkzeug in <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien aufgedeckt. Die Spieltheorie<br />

gibt selbst keine Anhaltspunkte dafür, wie eine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprozedur ri<strong>ch</strong>tigerweise<br />

zu gestalten ist. Sol<strong>ch</strong>e Prozedurfairneß ist dem Fairneßbegriff <strong>der</strong> Spieltheorie<br />

fremd 70 . Es bleibt ergänzenden normativen Elementen vorbehalten, eine sol<strong>ch</strong>e Konkretisierung<br />

dur<strong>ch</strong>zuführen. Die S<strong>ch</strong>wierigkeiten, die für Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien <strong>der</strong><br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> dabei entstehen, haben si<strong>ch</strong> beim Drohspielproblem gezeigt. Während<br />

Braithwaite und Bu<strong>ch</strong>anan Drohungen als rational ansehen, werden diese von Selten,<br />

68 Vgl. oben S. 271 (spieltheoretis<strong>ch</strong>er Fairneßbegriff).<br />

69 Dazu oben S. 171 ff. (<strong>Theorien</strong> zur Optimierung relativer Nutzenfaktoren).<br />

70 Dazu oben S. 271 (spieltheoretis<strong>ch</strong>er Fairneßbegriff).<br />

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