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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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gensatz zur sozialistis<strong>ch</strong>en Planwirts<strong>ch</strong>aft. Sein Gedanke einer mit minimalem<br />

Zwang auskommenden spontanen Ordnung hat aber darüber hinaus – ähnli<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

'Great Society' von Adam Smith o<strong>der</strong> <strong>der</strong> 'offenen Gesells<strong>ch</strong>aft' von Karl Popper – den<br />

Charakter eines politis<strong>ch</strong>en Ideals 23 . Das Ideal versteht au<strong>ch</strong> den mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>ssinn<br />

als Fähigkeit zur Bildung spontaner Ordnung 24 . Moralis<strong>ch</strong>e Regeln<br />

seien Ergebnisse spontaner Ordnung und ni<strong>ch</strong>t Ausdruck steuern<strong>der</strong> mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />

Vernunft 25 . In einer ri<strong>ch</strong>tigen und gere<strong>ch</strong>ten Sozialordnung ersetze <strong>der</strong> selbstorganisierende<br />

und si<strong>ch</strong> selbst generierende (endogene) 'Organismus' die künstli<strong>ch</strong> von außen<br />

konstruierte und dur<strong>ch</strong> Direktiven geregelte (exogene) 'Organisation' 26 .<br />

Die resultierende <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie kann nur eine sol<strong>ch</strong>e weitestgehen<strong>der</strong><br />

staatli<strong>ch</strong>er Abstinenz sein. Hayek wendet si<strong>ch</strong> gegen einen konstruktivistis<strong>ch</strong>en Rationalismus,<br />

<strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> drei Grundannahmen <strong>ch</strong>arakterisiert werden kann 27 : Erstens<br />

geht er davon aus, daß alle sozialen Ordnungen das Ergebnis bewußter Gestaltung<br />

sind und sein sollten 28 ; zweitens nimmt er an, daß mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Vernunft ausrei<strong>ch</strong>t,<br />

um alle relevanten Faktoren mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Existenz bei <strong>der</strong> Gesells<strong>ch</strong>aftsgestaltung<br />

einzubeziehen 29 ; und drittens s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> impliziert er, daß alle Institutionen, die<br />

ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>tbar die Errei<strong>ch</strong>ung sanktionierter Ziele för<strong>der</strong>n, abges<strong>ch</strong>afft werden sollten<br />

30 . Dem stellt Hayek gegenüber, daß es in mo<strong>der</strong>nen Gesells<strong>ch</strong>aften Einigkeit über<br />

die allgemeinen Prinzipien sozialer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> o<strong>der</strong> eine einheitli<strong>ch</strong>e Konzeption<br />

des Guten ni<strong>ch</strong>t gibt und jede autoritative Festlegung dur<strong>ch</strong> ein Individuum o<strong>der</strong> die<br />

Regierung glei<strong>ch</strong>ermaßen willkürli<strong>ch</strong> wäre, weil si<strong>ch</strong> die Frage <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ein-<br />

23 R. Kley, Hayek's Social and Political Thought (1994), S. 120 f.<br />

24 Zu diesem Verständnis des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>ssinns als Gespür für die s<strong>ch</strong>on vorhandene ri<strong>ch</strong>tige<br />

Ordnung, ni<strong>ch</strong>t dagegen als Vernunftbegabung, siehe F.A. Hayek, Primacy of the Abstract (1968),<br />

S. 46: »[O]ur capacity to judge actions of our own or of others as just or unjust, must be based on<br />

the possession of highly abstract rules governing our actions, although we are not aware of their<br />

existence and even less capable of articulating them in words.« Vgl. dazu <strong>der</strong>s., Confusion of Language<br />

in Political Thought (1967), S. 81: »What we call the 'sense of justice' is nothing but that capacity<br />

to act in accordance with non-articulated rules, and what is described as finding or discovering<br />

justice consists in trying to express in words the yet unarticulated rules by whi<strong>ch</strong> a particular<br />

decision is judged.«<br />

25 Hayek hat beispielsweise unter Berufung auf Charles Darwin, David Hume und Adam Smith bei<br />

glei<strong>ch</strong>zeitiger Abgrenzung vom Sozialdarwinismus (Social Darwinism) Humes' These: »The rules<br />

of morality, therefore, are not conclusions of our reason.« (D. Hume, A Treatise of Human Nature,<br />

Bd. III: Of Morals (1740), Teil I: Of Virtue and Vice in General, Abs<strong>ch</strong>nitt I: Moral Distinctions not<br />

Derived from Reason; ähnli<strong>ch</strong> <strong>der</strong>s., ebd., Teil III, Abs<strong>ch</strong>nitt I) dahin konkretisiert, daß Moralität<br />

ein unters<strong>ch</strong>eidbares Vermögen zwis<strong>ch</strong>en Instinkt und Vernunft ist: »a system of restraints on our<br />

animal instincts whi<strong>ch</strong> we sentimentally dislike and whose functions transcended our intellectual<br />

comprehension«; F.A. Hayek, Rules of Morality (1987), S. 227 ff. (235).<br />

26 F.A. Hayek, Law, Legislation and Liberty, Bd. I (1973), S. 35 ff.<br />

27 Zur Analyse siehe R. Kley, Hayek's Social and Political Thought (1994), S. 187.<br />

28 Kritik des 'constructivist rationalism' bei F.A. Hayek, Law, Legislation and Liberty, Bd. I (1973), S. 5<br />

ff.<br />

29 Kritik dieser 'Cartesian tradition' bei F.A. Hayek, Law, Legislation and Liberty, Bd. I (1973), S. 29 ff.<br />

30 Deutli<strong>ch</strong> etwa die Kritik als 'scientific error' bei F.A. Hayek, Errors of Constructivism (1970), S. 13:<br />

»Constructivists ... demand that all those grown values not visibly serving approved ends ...<br />

should be discarded to offer individuals improved prospects of a<strong>ch</strong>ieving their different and often<br />

conflicting goals.«<br />

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