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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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(discourse theories) 447 untersu<strong>ch</strong>t werden. Sie betra<strong>ch</strong>ten Verhalten, das aus Kommunikation<br />

hervorgeht o<strong>der</strong> hervorgehen könnte und erklären die Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Handelns<br />

damit, daß bestimmte, rationalitätsverbürgende Regeln in <strong>der</strong> handlungsbestimmenden<br />

Kommunikation eingehalten werden.<br />

IV. Die Grenzziehung zwis<strong>ch</strong>en materialen und prozeduralen <strong>Theorien</strong><br />

Der Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en ontologis<strong>ch</strong>en Naturre<strong>ch</strong>tslehren und aufkläreris<strong>ch</strong>em<br />

Vernunftre<strong>ch</strong>t, dem gegenwärtige <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien in ihrer Mehrzahl zuzure<strong>ch</strong>nen<br />

sind, wurde bereits erörtert 448 . Es sind aber keinesfalls alle neueren <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien<br />

prozedural, son<strong>der</strong>n es gibt au<strong>ch</strong> <strong>Theorien</strong> aufkläreris<strong>ch</strong>en Vernunftre<strong>ch</strong>ts,<br />

die man als materiale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien <strong>ch</strong>arakterisieren kann, weil sie<br />

ohne Rückgriff auf Verfahren substantielle Annahmen zum Ausgangspunkt <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung<br />

wählen 449 . Die Zuordnung sol<strong>ch</strong>er <strong>Theorien</strong> (Kommunitarismus,<br />

Utilitarismus) zur aristotelis<strong>ch</strong>en Grundposition und damit zu den materialen<br />

<strong>Theorien</strong> wird im dritten Teil dieser Untersu<strong>ch</strong>ung genauer begründet 450 . Do<strong>ch</strong><br />

es gibt einige Grenzziehungsprobleme zwis<strong>ch</strong>en materialen und prozeduralen <strong>Theorien</strong>,<br />

die allgemeiner Natur sind und deshalb vorab geklärt werden können.<br />

1. Die Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Begründung und Ergebnis<br />

Die Regel, daß ein Verfahrensbezug in <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugung eine Theorie no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t zur 'prozeduralen' ma<strong>ch</strong>t, wurde bereits in <strong>der</strong> Definition und Klassifizierung<br />

angespro<strong>ch</strong>en 451 . Diese Abgrenzungsregel beruht auf <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung und ihren Ergebnissen – den moralis<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen,<br />

die dann in <strong>der</strong> realen Welt verwirkli<strong>ch</strong>t werden wollen. Die Unters<strong>ch</strong>eidung<br />

von Begründung und Begründungsergebnis führt zu weiteren Abgrenzungsregeln<br />

zwis<strong>ch</strong>en prozeduralen und materialen <strong>Theorien</strong>. Zunä<strong>ch</strong>st gilt, daß eine<br />

Theorie ihren prozeduralen Charakter ni<strong>ch</strong>t verliert, wenn sie oberste <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien<br />

begründet, die dann als materiale Ziele (teleologis<strong>ch</strong>) verfolgt werden<br />

452 . Denn <strong>der</strong>lei Effekte beoba<strong>ch</strong>tet man bei je<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie, die von<br />

prozeduraler Begründung zu realen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen gelangt. Wenn beispielsweise<br />

Rawls oberste <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien begründet, die dann als Leitbil<strong>der</strong><br />

für die Gestaltung <strong>der</strong> Sozialordnung dienen, so bleibt seine Theorie eine prozedura-<br />

447 Zum Begriff <strong>der</strong> Argumentationstheorie siehe R. Alexy, Die Idee einer prozeduralen Theorie <strong>der</strong><br />

juristis<strong>ch</strong>en Argumentation (1979), S. 94 f. Zur Klassifizierung prozeduraler <strong>Theorien</strong> vgl. <strong>der</strong>s.,<br />

Idee und Struktur eines vernünftigen Re<strong>ch</strong>tssystems (1991), S. 30.<br />

448 Dazu oben S. 89 (Naturre<strong>ch</strong>ts- und Vernunftre<strong>ch</strong>tstheorien).<br />

449 Dazu oben S. 89 (Naturre<strong>ch</strong>ts- und Vernunftre<strong>ch</strong>tstheorien, Beispiele: Brunner, Grisez, Finnis).<br />

450 Dazu unten S. 152 ff. (<strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en Grundposition).<br />

451 Dazu oben S. 132 ff. (Definition <strong>der</strong> prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie).<br />

452 Ebenso T. Vesting, <strong>Prozedurale</strong>s Rundfunkre<strong>ch</strong>t (1997), S. 99; a.A. R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

(1991), S. 113 f. (113): Die Theorie des demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaats sei eine 'gemis<strong>ch</strong>t<br />

prozedural-materiale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie', weil zu ihr au<strong>ch</strong> die materiale Gewährleistung von<br />

Mens<strong>ch</strong>en- und Bürgerre<strong>ch</strong>ten gehöre, die den Staatsgewalten Grenzen setzten.<br />

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