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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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fahren na<strong>ch</strong> den Regeln des Strafprozeßre<strong>ch</strong>ts dienen 399 . Die Verfahrensregeln sind<br />

generell geeignet, ein gere<strong>ch</strong>tes Ergebnis zu för<strong>der</strong>n, indem sie in den meisten Fällen<br />

nur bei denjenigen zur Verurteilung führen, die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> einer Straftat s<strong>ch</strong>uldig<br />

sind (Verfahrensbegründung). Aber selbst wenn <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>ter kein eigenes Interesse<br />

am Ausgang des Verfahrens hat (Anwendungsbedingung) und alle Re<strong>ch</strong>tsvors<strong>ch</strong>riften<br />

bea<strong>ch</strong>tet (Regeleinhaltung) ist nie ganz ausges<strong>ch</strong>lossen, daß es do<strong>ch</strong> zu einem<br />

Fehlurteil kommen kann. Wird ein Uns<strong>ch</strong>uldiger verurteilt, so ist dies au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t als<br />

eine 'angemessene Annäherung' an die Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit aus Gründen <strong>der</strong> Prozeßökonomie<br />

hinnehmbar 400 . Folgli<strong>ch</strong> 'för<strong>der</strong>t' das Strafverfahren die Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit,<br />

bleibt aber dabei stets unvollkommen.<br />

2. Formen <strong>der</strong> definitoris<strong>ch</strong>en Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit<br />

Die beiden Formen, denen eine Definitionswirkung zukommt, können gemeinsam<br />

als definitoris<strong>ch</strong>e Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit bezei<strong>ch</strong>net werden. Bei ihnen gibt es keine<br />

verfahrensunabhängigen Kriterien, mit denen ein Ergebnis als gere<strong>ch</strong>t begründet<br />

werden könnte 401 . Die Begründung liegt im Verfahren selbst.<br />

a) Reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (D 3c )<br />

D 3c :<br />

Reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (pure procedural justice)<br />

ist diejenige prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>, bei <strong>der</strong> ein Verfahren<br />

mit Si<strong>ch</strong>erheit ein gere<strong>ch</strong>tes Ergebnis bewirkt,<br />

wobei es kein verfahrensunabhängiges Kriterium für die<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit gibt (Definitionswirkung).<br />

Mit Rawls kann man sagen, daß die Umstände das Verfahren als gere<strong>ch</strong>t definieren<br />

(Verfahrensbegründung) 402 . Das erwähnte Tennisspiel bietet hierfür ein Beispiel 403 .<br />

Die Dur<strong>ch</strong>führung des Spiels bildet die einzige Mögli<strong>ch</strong>keit zu begründen, warum<br />

eine Spielerin besser ist als die an<strong>der</strong>e. Entspre<strong>ch</strong>ende Beispiele finden si<strong>ch</strong> bei allen<br />

399 Ebenso im Ergebnis U. Neumann, Materiale und prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Strafverfahren<br />

(1989), S. 52 ff. (70) – Mit <strong>der</strong> Annahme reiner prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> würden »die Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

einer Re<strong>ch</strong>tfertigung des Urteils dur<strong>ch</strong> Verfahren überzogen.«<br />

400 Vgl. aus <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en Strafprozeßre<strong>ch</strong>tsliteratur U. Neumann, Materiale und prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

im Strafverfahren (1989), S. 53: »Das Prozeßziel <strong>der</strong> auf Wahrheit beruhenden gere<strong>ch</strong>ten<br />

Ents<strong>ch</strong>eidung führt zu einer klaren Dominanz des materiellen Strafre<strong>ch</strong>ts gegenüber dem<br />

Strafprozeßre<strong>ch</strong>t. Das Verfahrensre<strong>ch</strong>t wird auf te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Funktionen reduziert; man bes<strong>ch</strong>einigt<br />

ihm eine 'existentielle Abhängigkeit' vom materiellen Re<strong>ch</strong>t.«<br />

401 C.-W. Canaris, Die Bedeutung <strong>der</strong> iustitia distributiva im deuts<strong>ch</strong>en Vertragsre<strong>ch</strong>t (1993), S. 58:<br />

»Das prägende Charakteristikum ... ist das Fehlen eines unabhängigen Kriteriums für die Beurteilung<br />

<strong>der</strong> Frage, ob das Ergebnis des Verfahrens eine faire Verteilung darstellt«.<br />

402 J. Rawls, Theory of Justice (1971), § 14, S. 86: »[T]here is a correct or fair procedure su<strong>ch</strong> that the<br />

outcome is likewise correct or fair, whatever it is, ... the background circumstances define a fair<br />

procedure.«<br />

403 Dazu oben S. 121 ff. (Begriff <strong>der</strong> Fairneß und Tennisbeispiel).<br />

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