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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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2. Zur Begründung <strong>der</strong> Freiheit<br />

a) Ein Grundre<strong>ch</strong>t auf optimierte Freiheiten (N F )<br />

Die Begründungsweise des Konsensarguments kann auf an<strong>der</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

ausgedehnt werden und dadur<strong>ch</strong> eine zusätzli<strong>ch</strong>e Last bei <strong>der</strong> Begründung von<br />

Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>ten und Demokratie tragen, die den diskurstheoretis<strong>ch</strong>en Notwendigkeiten<br />

ni<strong>ch</strong>t aufzubürden war 92 . In Anlehnung an Rawls und Habermas kann zunä<strong>ch</strong>st<br />

ein Re<strong>ch</strong>t auf optimierte Freiheiten formuliert werden 93 :<br />

N F :<br />

Grundre<strong>ch</strong>t auf optimierte Freiheiten: Je<strong>der</strong> hat das Re<strong>ch</strong>t<br />

auf das größtmögli<strong>ch</strong>e Maß glei<strong>ch</strong>er subjektiver Handlungsfreiheiten.<br />

Das Grundre<strong>ch</strong>t auf optimierte Freiheiten ist diskursiv notwendig. So, wie si<strong>ch</strong> Unglei<strong>ch</strong>heit<br />

in einem idealen Diskurs über <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>tfertigen<br />

ließe, so kann au<strong>ch</strong> kein Grund gegen die Optimierung subjektiver Handlungsfreiheiten<br />

angeführt werden.<br />

Vor <strong>der</strong> Begründung dieser These muß zunä<strong>ch</strong>st betont werden, daß ein System<br />

größtmögli<strong>ch</strong>er Freiheiten no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bedeutet, es müsse dabei eine bestimmte Gewi<strong>ch</strong>tung<br />

<strong>der</strong> Freiheiten geben. Das Grundre<strong>ch</strong>t N F drückt beispielsweise ni<strong>ch</strong>t aus,<br />

daß dem Freiheitsre<strong>ch</strong>t auf Nutzung privaten Grundeigentums gegenüber einem<br />

mögli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>t auf Bewegungsfreiheit ein bestimmter Vorrang eingeräumt werden<br />

müßte – sozialistis<strong>ch</strong>e Vorstellungen über das Primat kollektiven Eigentums sind<br />

ni<strong>ch</strong>t ausges<strong>ch</strong>lossen. N F legt au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t fest, daß eine Staatsordnung laizistis<strong>ch</strong> sein<br />

muß, son<strong>der</strong>n erlaubt beispielsweise Konkretisierungen des Re<strong>ch</strong>tssystems, in denen<br />

bestimmten religiösen Freiheiten Vorrang vor künstleris<strong>ch</strong>en o<strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Freiheiten<br />

eingeräumt wird. Dadur<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> dieses Grundre<strong>ch</strong>t auf optimierte<br />

Freiheiten unter an<strong>der</strong>em von Rawls erstem <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzip, das zwar<br />

ähnli<strong>ch</strong> formuliert ist, inhaltli<strong>ch</strong> aber bereits ein bestimmtes Maß an politis<strong>ch</strong>en<br />

Handlungsfreiheiten voraussetzt. Das Grundre<strong>ch</strong>t N F gebietet ni<strong>ch</strong>t bestimmte Einzelfreiheiten,<br />

son<strong>der</strong>n verbietet ledigli<strong>ch</strong>, daß eine staatli<strong>ch</strong>e Ordnung ohne sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Grund unglei<strong>ch</strong> behandelt bzw. ohne Abwägung mit an<strong>der</strong>en Freiheitsinteressen<br />

Handlungsbes<strong>ch</strong>ränkungen erri<strong>ch</strong>tet. N F enthält insoweit ein Verbot staatli<strong>ch</strong>er Willkür<br />

im Sinne eines allgemeinen Glei<strong>ch</strong>heitssatzes sowie das Gebot <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit,<br />

das dem Staat verbietet, ungeeignete, ni<strong>ch</strong>t erfor<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>e o<strong>der</strong> unangemessene<br />

92 Zur gebotenen Zurückhaltung oben S. 302 ff. (Kritik an <strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> genuinen Diskursteilnahme).<br />

93 Vgl. oben S. 203 (N 1 : »Jede Person hat das glei<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>t auf das umfangrei<strong>ch</strong>ste Gesamtsystem<br />

glei<strong>ch</strong>er Grundfreiheiten, das mit einem entspre<strong>ch</strong>enden Freiheitssystem für alle vereinbar ist.«),<br />

S. 209 (N 1 ': »Jede Person hat einen glei<strong>ch</strong>en Anspru<strong>ch</strong> auf ein vollständig angemessenes System<br />

glei<strong>ch</strong>er Grundre<strong>ch</strong>te und Freiheiten, das mit dem glei<strong>ch</strong>en System für alle verträgli<strong>ch</strong> ist; und in<br />

diesem System muß den glei<strong>ch</strong>en politis<strong>ch</strong>en Freiheiten, und nur diesen Freiheiten, ihr fairer Wert<br />

garantiert werden.«) und Habermas' erste Grundre<strong>ch</strong>tskategorie oben S. 241 (»Grundre<strong>ch</strong>te, die<br />

si<strong>ch</strong> aus <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong> autonomen Ausgestaltung des Re<strong>ch</strong>ts auf das größtmögli<strong>ch</strong>e Maß glei<strong>ch</strong>er subjektiver<br />

Handlungsfreiheiten ergeben. ...«).<br />

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