Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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si<strong>ch</strong> das Beeinträ<strong>ch</strong>tigungsverbot sowohl auf die gegenwärtige als au<strong>ch</strong> auf mögli<strong>ch</strong>e<br />
zukünftige Güternutzungen dur<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e. Eine Aneignung verletzt Re<strong>ch</strong>te an<strong>der</strong>er<br />
s<strong>ch</strong>on dann, wenn ni<strong>ch</strong>t eine unbegrenzte Fülle an Gütern jedem von ihnen au<strong>ch</strong> zukünftig<br />
glei<strong>ch</strong>e Aneignungsmögli<strong>ch</strong>keiten offenhält. In <strong>der</strong> abges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ten Interpretation<br />
bezieht si<strong>ch</strong> das Beeinträ<strong>ch</strong>tigungsverbot dagegen nur auf die reale Güternutzung.<br />
Eine Aneignung verletzt die Re<strong>ch</strong>te an<strong>der</strong>er nur, wenn diesen dadur<strong>ch</strong> Güter,<br />
die sie bisher bereits genutzt haben, ni<strong>ch</strong>t mehr zur Verfügung stehen. Nur in<br />
dem abges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ten Sinn läßt Nozick die Lockes<strong>ch</strong>e Provisio gelten 282 . Sein S<strong>ch</strong>ädigungsverbot<br />
ist also nur ein Ingerenzverbot, das die Integrität <strong>der</strong> real bestehenden<br />
Güter an<strong>der</strong>er s<strong>ch</strong>ützt, ni<strong>ch</strong>t dagegen ein Verbot mittelbarer Beeinträ<strong>ch</strong>tigungen<br />
dur<strong>ch</strong> die allgegenwärtige Konkurrenz um begrenzte Ressourcen.<br />
In diesem abges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ten Sinn kommen au<strong>ch</strong> die 'Re<strong>ch</strong>te' in Nozicks Anspru<strong>ch</strong>stheorie<br />
zur Geltung. Re<strong>ch</strong>te, die bei strenger Interpretation au<strong>ch</strong> positiv als Re<strong>ch</strong>te<br />
auf etwas bestehen könnten (z.B. eine neue, an<strong>der</strong>e Güterverteilung), sind bei Nozicks<br />
s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>er Interpretation des S<strong>ch</strong>ädigungsverbots ledigli<strong>ch</strong> Re<strong>ch</strong>te gegen Eingriffe in<br />
den Bestand. Nozick überträgt also nur den Integritätss<strong>ch</strong>utz, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Integrität<br />
<strong>der</strong> Person (Leib, Leben) dur<strong>ch</strong> den Minimalstaat gesi<strong>ch</strong>ert wird, auf die Integrität<br />
von Sa<strong>ch</strong>gütern im Rahmen <strong>der</strong> Anspru<strong>ch</strong>stheorie. Damit bleibt die Lockes<strong>ch</strong>e Provisio<br />
bei Nozick bloßes Darstellungsmittel, ist aber für die Begründung funktionslos:<br />
Begründet sind Sa<strong>ch</strong>ansprü<strong>ch</strong>e nämli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on deshalb, weil die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
S<strong>ch</strong>utzgemeins<strong>ch</strong>aft die Sa<strong>ch</strong>güter einbringen, so daß diese automatis<strong>ch</strong> zur Gesamtheit<br />
<strong>der</strong> Güter gehören, <strong>der</strong>en Integrität dur<strong>ch</strong> den Minimalstaat ges<strong>ch</strong>ützt wird. Das<br />
ist eine reine Vorteilsüberlegung egoistis<strong>ch</strong>er Nutzenmaximierer, bei <strong>der</strong> es für jeden<br />
einzelnen besser ist, das zu si<strong>ch</strong>ern, was er hat, als in <strong>der</strong> ständigen Unsi<strong>ch</strong>erheit einer<br />
s<strong>ch</strong>utzlosen Güterzuordnung zu leben. Der Minimalstaat ist kein Umverteilungsorganisator,<br />
<strong>der</strong> kritis<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit <strong>der</strong> Zuordnung fragt, son<strong>der</strong>n ein<br />
bloßer S<strong>ch</strong>utzstaat, in dem jeweils das ges<strong>ch</strong>ützt ist, was seine Mitglie<strong>der</strong> als Güterbestand<br />
eingebra<strong>ch</strong>t haben. Für die S<strong>ch</strong>utzgemeins<strong>ch</strong>aftsargumentation muß Nozick<br />
die Lockes<strong>ch</strong>e Provisio und ihren moralis<strong>ch</strong>en Gehalt vorpositiver Re<strong>ch</strong>te also überhaupt<br />
ni<strong>ch</strong>t aktivieren. Es sind ni<strong>ch</strong>t die Re<strong>ch</strong>te, die den Staat gebieten, son<strong>der</strong>n die<br />
Vorteilhaftigkeit des Staates, <strong>der</strong> im Ergebnis zur Anerkennung von Re<strong>ch</strong>ten führt.<br />
Daß die sol<strong>ch</strong>ermaßen anerkannten Re<strong>ch</strong>te na<strong>ch</strong> Nozicks Auffassung s<strong>ch</strong>on als vorpositive<br />
angelegt sind, ist keine notwendige Voraussetzung für ihre rationale Begründung.<br />
Bei <strong>der</strong> Qualifizierung <strong>der</strong> Theorie Nozicks als Ents<strong>ch</strong>eidungstheorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />
ist deshalb folgende Interpretation am naheliegendsten: Der Minimalstaat<br />
eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> in ihm ges<strong>ch</strong>ützten Güterzuordnung ist allein auf Vorteilserwägungen<br />
gegründet. Die Lockes<strong>ch</strong>e Provisio, die Nozick zur Orientierung heranzieht,<br />
wirkt si<strong>ch</strong> in seinem Sozialvertragsmodell ni<strong>ch</strong>t als Begründungselement aus.<br />
Es handelt si<strong>ch</strong> um eine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens.<br />
3. Theorie <strong>der</strong> Moral dur<strong>ch</strong> Vereinbarung (D.P. Gauthier)<br />
Gauthiers <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie geht in <strong>der</strong> Einbeziehung moralis<strong>ch</strong>er Elemente weiter<br />
als diejenige Nozicks. Sie enthält den wohl umfassendsten Entwurf einer argu-<br />
282 R. Nozick, Anar<strong>ch</strong>y, State, and Utopia (1974), S. 178 ff.<br />
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