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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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D 1G :<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Sinne des Prinzips minimax relativer<br />

Konzession ist die Ri<strong>ch</strong>tigkeit und Pfli<strong>ch</strong>tigkeit desjenigen<br />

sozial- und glei<strong>ch</strong>heitsbezogenen Handelns, auf das<br />

si<strong>ch</strong> egoistis<strong>ch</strong>e Nutzenmaximierer einigen würden,<br />

wenn sie si<strong>ch</strong> gegenseitig die mindestens erfor<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

relativen Zugeständnisse ma<strong>ch</strong>ten.<br />

Anhand eines von Gauthier selbst benutzten Beispiels zur Verteilung von Kooperationsgewinnen<br />

wird deutli<strong>ch</strong>, was mit dem Prinzip <strong>der</strong> minimax relativen Konzession<br />

gemeint ist 314 : A und E haben die Gelegenheit, dur<strong>ch</strong> Kooperation einen Gewinn zu<br />

realisieren, den sie ohne Zusammenarbeit in Ermangelung von Kooperationsalternativen<br />

ni<strong>ch</strong>t hätten (Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt; bei Gauthier: 'initial bargaining position').<br />

Aus <strong>der</strong> Kooperation würde die A na<strong>ch</strong> Abzug sämtli<strong>ch</strong>er Kosten des E netto $500<br />

erwirts<strong>ch</strong>aften. E würde na<strong>ch</strong> Abzug sämtli<strong>ch</strong>er Kosten <strong>der</strong> A dagegen nur $50 erhalten.<br />

Beide For<strong>der</strong>ungen zusammen ($550) sind ni<strong>ch</strong>t erfüllbar (claim point). Setzt<br />

man voraus, daß <strong>der</strong> Nutzen von A und E proportional zu den Geldbeträgen wä<strong>ch</strong>st<br />

und außerdem eine glei<strong>ch</strong>mäßige Kurve von mögli<strong>ch</strong>en optimalen Ergebnissen besteht<br />

(optimal outcomes curve), so läßt si<strong>ch</strong> zeigen, daß bei minimax relativer Konzession<br />

A und E jeweils auf knapp 30% ihrer Maximalfor<strong>der</strong>ung verzi<strong>ch</strong>ten müßten, um<br />

dann eine Gewinnteilung von $353 für A und $35 für E zu vereinbaren (outcome of<br />

bargaining; $353+$35=$388 liegt auf <strong>der</strong> optimal outcomes curve 315 ). Jedes an<strong>der</strong>e Ergebnis<br />

wäre ni<strong>ch</strong>t optimal o<strong>der</strong> würde entwe<strong>der</strong> von A o<strong>der</strong> von E eine größere als<br />

die relative Konzession verlangen.<br />

c) Moralis<strong>ch</strong>er Gehalt <strong>der</strong> Theorie<br />

Die Theorie Gauthiers nimmt, ähnli<strong>ch</strong> <strong>der</strong>jenigen Nozicks, ihre Ents<strong>ch</strong>eidungserwägungen<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage vorausgesetzter Re<strong>ch</strong>te vor (Lockes<strong>ch</strong>e Provisio). Das unters<strong>ch</strong>eidet<br />

sie von 'reinen' Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien wie <strong>der</strong> Bu<strong>ch</strong>anans und führt zu<br />

<strong>der</strong> Frage, ob si<strong>ch</strong> Gauthiers Theorie trotz ihres moralis<strong>ch</strong>en Gehalts überhaupt no<strong>ch</strong><br />

als Ents<strong>ch</strong>eidungstheorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> qualifizieren läßt.<br />

Mit <strong>der</strong> Voraussetzung <strong>der</strong> Lockes<strong>ch</strong>en Provisio, die zu einer vorpolitis<strong>ch</strong>en Ausstattung<br />

mit Re<strong>ch</strong>ten führt 316 , gerät ein moralis<strong>ch</strong>es Element in die Theorie. Dieses<br />

müßte in einer reinen Theorie rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens selbst wie<strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> Erwägungen<br />

rationalen Ents<strong>ch</strong>eidens begründet werden. Zwar stellt Gauthier heraus, es<br />

handle si<strong>ch</strong> um eine notwendige Voraussetzung für rationales Ents<strong>ch</strong>eiden – führt mithin<br />

ein transzendental-rationales Argument an 317 . Do<strong>ch</strong> ist dies zunä<strong>ch</strong>st nur eine<br />

unbelegte Gegenthese zu <strong>der</strong> ebenso plausiblen Aussage Bu<strong>ch</strong>anans, daß erst in einem<br />

re<strong>ch</strong>tsfreien hypothetis<strong>ch</strong>en Drohspiel ein natürli<strong>ch</strong>er Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tszustand gefunden<br />

werden könne, <strong>der</strong> als Ausgangspunkt für eine rationale Bere<strong>ch</strong>nung <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Kooperationsvorteile erfor<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> sei. Denn warum sollte ni<strong>ch</strong>t (mit Bu<strong>ch</strong>a-<br />

314 Vgl. das entspre<strong>ch</strong>ende Beispiel bei D. Gauthier, Morals by Agreement (1986), S. 137 ff.<br />

315 Dur<strong>ch</strong> eine Grafik näher erläutert bei D. Gauthier, Morals by Agreement (1986), S. 139.<br />

316 Dazu oben S. 84 ff. (abs<strong>ch</strong>ließendes S<strong>ch</strong>ema <strong>der</strong> Grundpositionen und die Frage na<strong>ch</strong> einer 'lockeanis<strong>ch</strong>en<br />

Grundposition').<br />

317 Vgl. unten S. 225 ff. (transzendentale Argumente).<br />

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