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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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zen <strong>der</strong> gere<strong>ch</strong>ten Aneignung, Übertragung und Beri<strong>ch</strong>tigung ein Anspru<strong>ch</strong> besteht.<br />

Beri<strong>ch</strong>tigung in diesem Sinne erfaßt aber nur den Ausglei<strong>ch</strong> historis<strong>ch</strong>er Ungere<strong>ch</strong>tigkeiten<br />

bei Aneignung und Übertragung, ni<strong>ch</strong>t aber allgemeine Umverteilung na<strong>ch</strong><br />

Ergebnisvorstellungen (end-state principles), da eine sol<strong>ch</strong>e Umverteilung Re<strong>ch</strong>te verletze,<br />

ohne selbst gere<strong>ch</strong>tfertigt zu sein. In Abgrenzung zu Rawls konkretisiert Nozick seine<br />

Theorie des Besitzes dur<strong>ch</strong> eine Argumentationskette, die beim Anspru<strong>ch</strong> aller Mens<strong>ch</strong>en<br />

auf ihre natürli<strong>ch</strong>en Gaben beginnt, dann folgert, daß si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Anspru<strong>ch</strong> auf alle<br />

aus den Begabungen si<strong>ch</strong> ergebenden Ansprü<strong>ch</strong>e erstrecken muß und hierunter s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />

die Aneignung und <strong>der</strong> Erwerb von Besitz fällt 277 . Demzufolge ist jegli<strong>ch</strong>er Besitz,<br />

mag er au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> so unglei<strong>ch</strong> sein und auf no<strong>ch</strong> so unglei<strong>ch</strong>en Erwerbsfähigkeiten <strong>der</strong><br />

Beteiligten beruhen, gere<strong>ch</strong>t, wenn er nur die Regeln gere<strong>ch</strong>ter Aneignung und Übertragung<br />

ni<strong>ch</strong>t verletzt.<br />

c) Moralis<strong>ch</strong>er Gehalt <strong>der</strong> Theorie<br />

Eine Reihe von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien, die praktis<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong>tigkeit mit rationaler Ents<strong>ch</strong>eidung<br />

identifizieren und insofern Kandidaten für 'Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien <strong>der</strong><br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>' im Sinne <strong>der</strong> Definition D 4RC sind, fallen dadur<strong>ch</strong> auf, daß sie außer<br />

den Vorteilserwägungen au<strong>ch</strong> moralis<strong>ch</strong>e Gehalte aufweisen, weil sie ni<strong>ch</strong>t vollständig<br />

an <strong>der</strong> Perspektive des egoistis<strong>ch</strong>en Nutzenmaximierers orientiert sind. Zu diesen<br />

gehört au<strong>ch</strong> die Theorie Nozicks. Denn in den Ents<strong>ch</strong>eidungserwägungen greift<br />

die Theorie unter an<strong>der</strong>em auf die Konzeption vorpositver Re<strong>ch</strong>te bei Locke zurück.<br />

Damit stellt si<strong>ch</strong> die Frage, ob die Theorie trotz dieses moralis<strong>ch</strong>en Gehalts no<strong>ch</strong> als<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungstheorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Sinne von D 4RC qualifiziert werden kann.<br />

Die Antwort hängt davon ab, ob Nozick <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen genau dann für ri<strong>ch</strong>tig<br />

hält, wenn sie das Ergebnis eines rationalen Ents<strong>ch</strong>eidungsverfahrens sein können,<br />

o<strong>der</strong> ob na<strong>ch</strong> seiner Theorie no<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e (moralis<strong>ch</strong>e) Kriterien eine Rolle spielen.<br />

Da Nozick si<strong>ch</strong> selbst ni<strong>ch</strong>t ausdrückli<strong>ch</strong> zu dieser Frage äußert, kommt es auf eine Interpretation<br />

seiner Theorie an, die bezügli<strong>ch</strong> des Verhältnisses von moralis<strong>ch</strong>en zu<br />

rationalistis<strong>ch</strong>en Elementen innerhalb des Begründungskonzeptes mehrere Deutungen<br />

zuläßt.<br />

Der moralis<strong>ch</strong>e Gehalt liegt in <strong>der</strong> Bezugnahme auf die Lockes<strong>ch</strong>e Provisio und <strong>der</strong><br />

damit verbundenen Annahme vorpositiver Re<strong>ch</strong>te 278 . Die Lockes<strong>ch</strong>e Provisio besagt,<br />

daß bei je<strong>der</strong> originären Aneignung no<strong>ch</strong> »genug und genauso Gutes für an<strong>der</strong>e übrig<br />

sein muß« 279 , was von Nozick als allgemeines S<strong>ch</strong>ädigungsverbot interpretiert<br />

wird 280 . Von <strong>der</strong> Pfli<strong>ch</strong>t, an<strong>der</strong>e ni<strong>ch</strong>t zu s<strong>ch</strong>ädigen, bis zu dem Re<strong>ch</strong>t an<strong>der</strong>er, ni<strong>ch</strong>t<br />

ges<strong>ch</strong>ädigt zu werden, ist es dann nur no<strong>ch</strong> ein kleiner S<strong>ch</strong>ritt, in dem Nozick si<strong>ch</strong><br />

Locke ans<strong>ch</strong>ließt, wodur<strong>ch</strong> er letztli<strong>ch</strong> zu seiner Anspru<strong>ch</strong>stheorie gelangt.<br />

Die Lockes<strong>ch</strong>e Provisio wird von Nozick in zwei Auslegungsvarianten präsentiert,<br />

einer strengen und einer abges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ten 281 . In <strong>der</strong> strengen Interpretation bezieht<br />

277 R. Nozick, Anar<strong>ch</strong>y, State, and Utopia (1974), S. 206 ff.<br />

278 R. Nozick, Anar<strong>ch</strong>y, State, and Utopia (1974), S. 174 ff.<br />

279 J. Locke, Two Treatises of Government (1698), II § 33: »enough, and as good left«.<br />

280 R. Nozick, Anar<strong>ch</strong>y, State, and Utopia (1974), S. 175.<br />

281 Nozick spri<strong>ch</strong>t von einer Interpretation als 'stringent requirement' und einer sol<strong>ch</strong>en als 'weak requirement';<br />

R. Nozick, Anar<strong>ch</strong>y, State, and Utopia (1974), S. 176.<br />

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