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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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anzen von den Betroffenen akzeptiert werden, solange die Verfahrensregeln in <strong>der</strong><br />

Ents<strong>ch</strong>eidungsfindung eingehalten werden 39 . Der sol<strong>ch</strong>ermaßen verkürzte Legitimationsbegriff<br />

zeigt eine <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskepsis, die <strong>der</strong>jenigen des re<strong>ch</strong>tsethis<strong>ch</strong>en Relativismus<br />

ähnelt 40 . Luhmann will dur<strong>ch</strong> sein Legitimationsverständnis ältere naturre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Begründungen o<strong>der</strong> taus<strong>ch</strong>förmige Methoden <strong>der</strong> Konsensbildung ersetzen<br />

41 . Es komme für 'Legitimation' allein auf das tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Akzeptieren an, das<br />

ni<strong>ch</strong>t einmal eine subjektive Überzeugung von <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit <strong>der</strong> Werte, Re<strong>ch</strong>tfertigungsprinzipien,<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungsprämissen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Inhalte einer Ents<strong>ch</strong>eidung voraussetzt.<br />

Auss<strong>ch</strong>laggebend für sol<strong>ch</strong>e 'Legitimation' ist allein das Hinnehmen von<br />

Einzelents<strong>ch</strong>eidungen im Sinne einer freiwilligen Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verhaltenserwartung<br />

42 .<br />

Obwohl Luhmann von 'Legitimation dur<strong>ch</strong> Verfahren' spri<strong>ch</strong>t und genau diejenigen<br />

institutionalisierten Verfahren in Re<strong>ch</strong>t und Politik untersu<strong>ch</strong>t, die in einer politis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie zentral sind 43 , handelt es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t um eine prozedurale<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie im Sinne von D 4 . Denn es geht ni<strong>ch</strong>t um die Begründung von<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> mit Verfahren, son<strong>der</strong>n allein um die Umstrukturierung von Verhaltenserwartungen<br />

dur<strong>ch</strong> geregeltes Ges<strong>ch</strong>ehen 44 . Das Verfahren als ents<strong>ch</strong>eidungsorientiertes<br />

soziales System soll ni<strong>ch</strong>t <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> realisieren, son<strong>der</strong>n ledigli<strong>ch</strong> eine<br />

Komplexitätsreduzierung bewirken und Orientierungshilfen bieten. Ein Geri<strong>ch</strong>tsverfahren<br />

begründet beispielsweise ni<strong>ch</strong>t dadur<strong>ch</strong> Legitimität, daß ihm dur<strong>ch</strong> die<br />

Verfahrensbedingungen eine ri<strong>ch</strong>tigkeitsverbürgende Wirkung zukommt, son<strong>der</strong>n<br />

allein dadur<strong>ch</strong>, daß es ein wirksames Si<strong>ch</strong>abfinden mit <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidung zu errei<strong>ch</strong>en<br />

vermag 45 . Es geht ni<strong>ch</strong>t um das Begründen <strong>der</strong> Geri<strong>ch</strong>tsents<strong>ch</strong>eidung als ri<strong>ch</strong>tig<br />

und gere<strong>ch</strong>t, son<strong>der</strong>n um das Si<strong>ch</strong>abfinden mit dem Urteil. Luhmanns 'Legitimation'<br />

ist eine »Selbstlegitimation« innerhalb des autonomen Systems 'Re<strong>ch</strong>t' 46 . Die Verfahrensregeln<br />

müssen ledigli<strong>ch</strong> so ausgeri<strong>ch</strong>tet sein, daß sie Akzeptanz erzeugen<br />

können. Ob das zufällig mit Regeln zusammenfällt, die eine Ents<strong>ch</strong>eidung ri<strong>ch</strong>tig<br />

und gere<strong>ch</strong>t ma<strong>ch</strong>en, ist (jedenfalls unmittelbar) ni<strong>ch</strong>t von Belang 47 . Die Funktion<br />

des Verfahrens liegt in <strong>der</strong> Symbolbildung, in <strong>der</strong> »Ausgestaltung des Verfahrens als<br />

39 N. Luhmann, Legitimation dur<strong>ch</strong> Verfahren (1969), S. 28.<br />

40 O. Höffe, Politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1987), S. 171-187 – 'sozialges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Re<strong>ch</strong>tspositivismus'.<br />

41 N. Luhmann, Legitimation dur<strong>ch</strong> Verfahren (1969), S. 31.<br />

42 N. Luhmann, Legitimation dur<strong>ch</strong> Verfahren (1969), S. 30 ff., 120. Vgl. <strong>der</strong>s., <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in den<br />

Re<strong>ch</strong>tssystemen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesells<strong>ch</strong>aft (1973), S. 131, 153 – Der Geltungsgrund des positiven<br />

Re<strong>ch</strong>ts liege ni<strong>ch</strong>t länger in normimmanenten Qualitäten, son<strong>der</strong>n nur no<strong>ch</strong> in seiner Än<strong>der</strong>barkeit<br />

selbst, in seiner Negierbarkeit.<br />

43 Vgl. unten S. 334 ff. (Diskurstheorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>; mittelbare Begründung gere<strong>ch</strong>ten Re<strong>ch</strong>ts:<br />

parlamentaris<strong>ch</strong>e Gesetzgebung, Geri<strong>ch</strong>tsverfahren, Verwaltungsverfahren, Wahlen).<br />

44 N. Luhmann, Legitimation dur<strong>ch</strong> Verfahren (1969), S. 37.<br />

45 Vgl. N. Luhmann, Legitimation dur<strong>ch</strong> Verfahren (1969), S. 109.<br />

46 Vgl. N. Luhmann, Selbstlegitimation des Staates (1981), S. 75 ff.<br />

47 Eine mögli<strong>ch</strong>e mittelbare Wirkung könnte dadur<strong>ch</strong> bestehen, daß Verfahren immerhin einen allgemeinen<br />

Glauben an das System benötigen, selbst wenn sie nur Akzeptanz erzeugen sollen. Insoweit<br />

kann man bei Luhmanns Theorie von einer bloß 'teilweisen Erklärung' <strong>der</strong> Verfahrenswirkung<br />

spre<strong>ch</strong>en; S. Ma<strong>ch</strong>ura, The Individual in the Shadow of Powerful Institution (1997), S. 188.<br />

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