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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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Tenniss<strong>ch</strong>iedsri<strong>ch</strong>ters zu einer weitergehenden prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> führen<br />

muß. Der unparteiis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>iedsri<strong>ch</strong>ter kann besser als die parteiis<strong>ch</strong>en Spieler für<br />

die Regeleinhaltung sorgen und Ents<strong>ch</strong>eidungen über die Anwendungsbedingungen<br />

(Wind, Regen, Material) treffen. Ein Spiel mit S<strong>ch</strong>iedsri<strong>ch</strong>ter wird darum in aller Regel<br />

den besseren Spieler si<strong>ch</strong>erer ermitteln als ein sol<strong>ch</strong>es ohne S<strong>ch</strong>iedsri<strong>ch</strong>ter. Mit<br />

an<strong>der</strong>en Worten: Tennisspiele mit S<strong>ch</strong>iedsri<strong>ch</strong>ter sind prozedural gere<strong>ch</strong>ter als sol<strong>ch</strong>e<br />

ohne S<strong>ch</strong>iedsri<strong>ch</strong>ter. Diese relative Aussage können wir treffen, au<strong>ch</strong> ohne etwas<br />

über die absolute Eignung des Tennisspiels zur Ermittlung <strong>der</strong> besseren Spielerin zu<br />

wissen. Dabei wird au<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>, daß prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Gegensatz zur<br />

Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit graduell bestehen kann; ein Verfahren kann mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

för<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> für die Errei<strong>ch</strong>ung eines gere<strong>ch</strong>ten Ergebnisses sein 393 .<br />

Das Beispiel geht über eine bloße Illustration <strong>der</strong> Fairneßelemente au<strong>ch</strong> insoweit<br />

hinaus, als das Tennisspiel mehr als nur 'för<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>' zur Ermittlung <strong>der</strong> besseren<br />

Spielerin ist. Die Dur<strong>ch</strong>führung eines Spiels ist die einzige Mögli<strong>ch</strong>keit zu ermitteln,<br />

wel<strong>ch</strong>er Spieler besser ist. Es gibt keinen allwissenden, objektiven Beoba<strong>ch</strong>ter, <strong>der</strong><br />

diese Frage ents<strong>ch</strong>eiden könnte. Selbst wenn es ihn gäbe, würden ihm spielunabhängige<br />

Kriterien für die Beurteilung <strong>der</strong> relativen Spielerqualität in einem festgelegten<br />

Zeitpunkt fehlen, denn es geht ja gerade um das Bessersein zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt, mit an<strong>der</strong>en Worten: bei einem bestimmten Spiel. Mangels verfahrensunabhängiger<br />

Kriterien bleibt also nur die Dur<strong>ch</strong>führung des Spiels als Kriterium dafür,<br />

wer <strong>der</strong> besser Spieler ist. Dies ist ein beson<strong>der</strong>er Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Ergebnis-<br />

und Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit, <strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t bei allen, aber do<strong>ch</strong> bei dem wi<strong>ch</strong>tigen<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sverfahren <strong>der</strong> reinen prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> besteht 394 . Damit<br />

stellt si<strong>ch</strong> die allgemeine und soglei<strong>ch</strong> zu behandelnde Frage, wel<strong>ch</strong>e Formen prozeduraler<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> na<strong>ch</strong> den beson<strong>der</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften einzelner Verfahren unters<strong>ch</strong>ieden<br />

werden können.<br />

III. Vier Formen prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (Enumerationsthese)<br />

Es können vier Formen innerhalb <strong>der</strong> objektiven prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> unters<strong>ch</strong>ieden<br />

und in ihrer Bedeutung für <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien bewertet werden. Die<br />

Abgrenzung orientiert si<strong>ch</strong> dabei mit Ausnahme zweier Details an <strong>der</strong> von Rawls<br />

vorges<strong>ch</strong>lagenen, wie sie inzwis<strong>ch</strong>en allgemein gebräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ist 395 . Rawls unters<strong>ch</strong>ei-<br />

393 Zur Eigens<strong>ch</strong>aft <strong>der</strong> Ni<strong>ch</strong>tgradualität <strong>der</strong> Ergebnisgere<strong>ch</strong>tigkeit na<strong>ch</strong> D 1 siehe oben S. 52 ff. (Sollensbezug<br />

und 'binär kodierte' <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>). Im Gegensatz zum <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprädikat kann<br />

dasjenige <strong>der</strong> prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> graduell verwirkli<strong>ch</strong>t werden, denn die För<strong>der</strong>ung mag,<br />

wie das Beispiel zeigt, mehr o<strong>der</strong> weniger intensiv ausfallen. Das heißt in <strong>der</strong> Fairneßterminologie:<br />

Ein Ergebnis kann nur ganz o<strong>der</strong> gar ni<strong>ch</strong>t 'gere<strong>ch</strong>t' sein; das Verfahren, das zur Ermittlung<br />

des Ergebnisses geführt hat, kann hingegen mehr o<strong>der</strong> weniger 'fair' sein. Entspre<strong>ch</strong>end können<br />

prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien einerseits absolute Aussagen über die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> von Ergebnissen<br />

treffen und an<strong>der</strong>erseits relative Aussagen darüber, wel<strong>ch</strong>e Verfahrensbedingungen gere<strong>ch</strong>tigkeitsför<strong>der</strong>li<strong>ch</strong><br />

sind; vgl. unten S. 221 (idealer Diskurs als regulative Idee); S. 317 ff. (Begründung<br />

von Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>ten und Demokratie).<br />

394 Dazu soglei<strong>ch</strong> S. 127 (reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

395 Selbst in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsdogmatik; vgl. etwa C.-W. Canaris, Die Bedeutung <strong>der</strong> iustitia distributiva im<br />

deuts<strong>ch</strong>en Vertragsre<strong>ch</strong>t (1993), S. 58 f. m.w.N.<br />

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