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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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hen werden, dann wird dadur<strong>ch</strong> zumindest mittelbar die Gesamtheit <strong>der</strong> Verfahren<br />

in einem demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaat erfaßt. Insoweit kann von <strong>der</strong> Diskurstheorie<br />

als Basistheorie des demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaates gespro<strong>ch</strong>en werden<br />

136 .<br />

4. Zu den <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sfunktionen realer Verfahren<br />

Innerhalb einer Verfassungsordnung können reale Verfahren ni<strong>ch</strong>t mehr die Funktion<br />

reiner prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> haben 137 . Ihnen ist bereits ein <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>srahmen<br />

dur<strong>ch</strong> die unmittelbar begründeten <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen vorgegeben. Verfahren<br />

im demokratis<strong>ch</strong>en Verfassungsstaat haben häufig nur no<strong>ch</strong> eine heuristis<strong>ch</strong>e<br />

Funktion, indem sie zur Realisierung <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>on verfahrensextern als gere<strong>ch</strong>t begründeten<br />

Ergebnisse beitragen 138 . Das gilt für die Verfahren <strong>der</strong> vollkommenen und unvollkommenen<br />

prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>. Für beide Verfahrensarten lassen si<strong>ch</strong><br />

Beispiele im Re<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>weisen 139 . Do<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e Verfahren sollen im folgenden nur<br />

am Rande interessieren.<br />

Sehr viel wi<strong>ch</strong>tiger sind Verfahren <strong>der</strong> quasi-reinen prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>.<br />

Ihnen kommt teilweise Definitionswirkung für die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> des Ergebnisses zu.<br />

Vereinfa<strong>ch</strong>t gespro<strong>ch</strong>en definieren sol<strong>ch</strong>e Verfahren prima facie gere<strong>ch</strong>te Ergebnisse<br />

und leisten dadur<strong>ch</strong> einen eigenen Beitrag zur Begründung <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit des<br />

Re<strong>ch</strong>ts, d.h. <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Re<strong>ch</strong>t. Insoweit kann von einer '<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>swahlfunktion'<br />

gespro<strong>ch</strong>en werden 140 . Die Begründungskomponente dieser Funktion<br />

läßt si<strong>ch</strong> am Beispiel des parlamentaris<strong>ch</strong>en Gesetzgebungsprozesses verdeutli<strong>ch</strong>en.<br />

Der parlamentaris<strong>ch</strong>e Gesetzgeber hat im Rahmen <strong>der</strong> verfassungsmäßigen Grenzen<br />

die Wahl zwis<strong>ch</strong>en unendli<strong>ch</strong> vielen Gestaltungsmögli<strong>ch</strong>keiten. Ents<strong>ch</strong>eidet er si<strong>ch</strong><br />

im Gesetzgebungsverfahren für eine dieser Mögli<strong>ch</strong>keiten, so ist sie prima facie gere<strong>ch</strong>t,<br />

weil er sie dur<strong>ch</strong> das Verfahren als gere<strong>ch</strong>t definiert, es sei denn, sie verstößt<br />

ausnahmsweise gegen die materiellen S<strong>ch</strong>ranken, die au<strong>ch</strong> dem Gesetzgeber im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Verfassungsordnung gezogen sind.<br />

Warum kann diese <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sdefinitionswirkung eintreten? Voraussetzung<br />

für jede Form prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> sind die drei Fairneßelemente, d.h. Hintergrundfairneß<br />

(background fairness), Anwendungsfairneß (procedural fairness) und Prozedurfairneß<br />

(fairness of the procedure) 141 . Hintergrundfairneß besteht etwa darin, daß<br />

alle Mitglie<strong>der</strong> des Parlaments die glei<strong>ch</strong>e Stimme haben. Anwendungsfairneß verlangt<br />

die korrekte Einhaltung aller wesentli<strong>ch</strong>en Verfahrensregeln, also etwa die fehlerfreie<br />

Stimmenauszählung. Am anspru<strong>ch</strong>svollsten ist, wie immer, die Prozedurfairneß.<br />

Hier muß begründet werden, warum die parlamentaris<strong>ch</strong>e Gesetzgebung<br />

ein faires (prozedural gere<strong>ch</strong>tes) Verfahren ist. Formale Gründe können beispiels-<br />

136 Dazu oben S. 247, Fn. 608.<br />

137 Vgl. oben S. 127 (reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

138 Vgl. A. Kaufmann, <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1989), S. 20 – zum 'heuristis<strong>ch</strong>en Wert'<br />

<strong>der</strong> prozeduralen <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>; R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 107 ff. –<br />

zur <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>serzeugung in realen Verfahren.<br />

139 Dazu oben S. 125 (Formen dienen<strong>der</strong> Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit).<br />

140 Dazu oben S. 128 (quasi-reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

141 Dazu oben S. 121 ff. (Begriff <strong>der</strong> Fairneß).<br />

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