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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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werden: <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist die Erfüllung eines Anspru<strong>ch</strong>es, den das Re<strong>ch</strong>t notwendig<br />

erhebt.<br />

D. Die spezifis<strong>ch</strong> juristis<strong>ch</strong>e Perspektive <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

Bisher ist nur dargelegt, wel<strong>ch</strong>e Bedeutung die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Re<strong>ch</strong>t erlangen kann<br />

und warum ein (wie au<strong>ch</strong> immer inhaltli<strong>ch</strong> ausgestalteter) <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbezug zu<br />

den begriffli<strong>ch</strong> notwendigen Elementen des Re<strong>ch</strong>ts gehört. Damit ist no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t erklärt,<br />

weshalb <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ein Gegenstand <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tswissens<strong>ch</strong>aft sein soll. Denn es<br />

wäre eine wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Aufgabenverteilung denkbar, in <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sfragen<br />

zwar in Philosophie, Religion, Politik, Psy<strong>ch</strong>ologie, Soziologie und an<strong>der</strong>en Wissens<strong>ch</strong>aften,<br />

ni<strong>ch</strong>t aber in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tswissens<strong>ch</strong>aft untersu<strong>ch</strong>t werden 59 . Einer sol<strong>ch</strong>en<br />

'<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sabstinenz' <strong>der</strong> Jurisprudenz kann die These entgegengehalten werden,<br />

daß es eine spezifis<strong>ch</strong> juristis<strong>ch</strong>e Perspektive für <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sfragen gibt, die es nötig<br />

ma<strong>ch</strong>t, <strong>der</strong>artige Fragen ni<strong>ch</strong>t nur als Gegenstand <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Philosophie und<br />

<strong>der</strong> empiris<strong>ch</strong>en Wissens<strong>ch</strong>aften, son<strong>der</strong>n außerdem als sol<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tswissens<strong>ch</strong>aft<br />

zu begreifen. Bei <strong>der</strong> Begründung dieser These ist zwis<strong>ch</strong>en den re<strong>ch</strong>tswissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Teilberei<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tstheorie und <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsdogmatik zu unters<strong>ch</strong>eiden.<br />

I. <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tstheorie<br />

Zur Re<strong>ch</strong>tstheorie zählt heute mehr als die bloße Bes<strong>ch</strong>äftigung mit formalen Eigens<strong>ch</strong>aften<br />

und Strukturen des Re<strong>ch</strong>ts 60 . Gemeint ist eine »allgemeine juristis<strong>ch</strong>e Theorie<br />

des Re<strong>ch</strong>ts und <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tswissens<strong>ch</strong>aft« 61 , in <strong>der</strong> analytis<strong>ch</strong>e, empiris<strong>ch</strong>e und<br />

normative Aussagen 62 über das Re<strong>ch</strong>t an si<strong>ch</strong> untersu<strong>ch</strong>t werden, also ohne Be-<br />

59 Diese Art <strong>der</strong> Aufgabenverteilung liegt offenbar <strong>der</strong> Reinen Re<strong>ch</strong>tslehre Kelsens zugrunde; vgl.<br />

H. Kelsen, Das Problem <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1960), S. 402 ff. (429 f.) – notwendige Wi<strong>der</strong>sprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit<br />

<strong>der</strong> Naturre<strong>ch</strong>tslehren. Ebenso die Bewertung bei R. Walter, Hans Kelsen, die Reine Re<strong>ch</strong>tslehre<br />

und das Problem <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1996), S. 208.<br />

60 So aber no<strong>ch</strong> A. Kaufmann, <strong>Prozedurale</strong> <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1989), S. 5; D. v.d. Pfordten,<br />

Re<strong>ch</strong>tsethik (1996), S. 204 f. – Re<strong>ch</strong>tstheorie als 'deskriptiv-historis<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tsphilosophie' im Gegensatz<br />

zur Re<strong>ch</strong>tsethik als materialer Re<strong>ch</strong>tsphilosophie. Zum Ganzen R. Dreier, Was ist und<br />

wozu Allgemeine Re<strong>ch</strong>tstheorie (1974), S. 17 ff.; R. Alexy/R. Dreier, The Concept of Jurisprudence<br />

(1990), S. 8; N. Luhmann, Das Re<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft (1993), S. 9 ff. Wenig konkret die Definition<br />

<strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tstheorie als Reflexion <strong>der</strong> Identität des Re<strong>ch</strong>tes im Re<strong>ch</strong>tssystem selbst: N. Luhmann,<br />

Selbstreflexion des Re<strong>ch</strong>tssystems (1981), S. 446; sowie G. Roellecke, Theorie und Philosophie des<br />

Re<strong>ch</strong>tes, S. 1. Zu <strong>der</strong> Last einer marxistis<strong>ch</strong>-leninistis<strong>ch</strong>en und positivistis<strong>ch</strong>en Vereinnahmung<br />

des Re<strong>ch</strong>tstheoriebegriffs vgl. R. Dreier, Zum Verhältnis von Re<strong>ch</strong>tsphilosophie und Re<strong>ch</strong>tstheorie<br />

(1992), S. 15 f.<br />

61 So die Definition bei R. Dreier, Re<strong>ch</strong>tstheorie und Re<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te (1989), S. 27; R. Alexy/R. Dreier,<br />

The Concept of Jurisprudence (1990), S. 7 ff.; ausführli<strong>ch</strong> R. Dreier, Zum Verhältnis von Re<strong>ch</strong>tsphilosophie<br />

und Re<strong>ch</strong>tstheorie (1992), S. 20 ff.<br />

62 Zu diesen Dimensionen <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tstheorie ausführli<strong>ch</strong> R. Alexy/R. Dreier, The Concept of Jurisprudence<br />

(1990), S. 9 ff. Im anglo-amerikanis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> hat si<strong>ch</strong> wegen <strong>der</strong> Vielfalt<br />

dieser Dimensionen eine Glei<strong>ch</strong>setzung von 'Legal Theory' und 'Jurisprudence' eingestellt; s. etwa<br />

J.J. Kelly, A Short History of Western Legal Theory (1992), S. xi.<br />

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