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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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S<strong>ch</strong>on Rawls hat bewußt offen gelassen, ob <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> und Ungere<strong>ch</strong>tigkeit<br />

gegenüber ni<strong>ch</strong>tmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Entitäten (Tieren, Pflanzen, unbelebten Naturobjekten)<br />

mögli<strong>ch</strong> ist und damit Gegenstand einer umfassenden <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie sein<br />

sollte. Au<strong>ch</strong> hat er die spezifis<strong>ch</strong>en Ungere<strong>ch</strong>tigkeiten in <strong>der</strong> Unglei<strong>ch</strong>behandlung<br />

<strong>der</strong> Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter ni<strong>ch</strong>t aufgegriffen. Die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> zwis<strong>ch</strong>en Generationen ist<br />

zwar Bestandteil seiner Theorie, hat si<strong>ch</strong> aber seitdem innerhalb <strong>der</strong> Diskussion verselbständigt<br />

358 . Au<strong>ch</strong> die internationale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> war bei Rawls ni<strong>ch</strong>t behandelt,<br />

son<strong>der</strong>n ist, wie alle diese Gegenstände, erst als Erweiterung <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie<br />

diskutiert worden 359 . Rawls hat die Bes<strong>ch</strong>ränkung des Gegenstandsberei<strong>ch</strong>es<br />

damit gere<strong>ch</strong>tfertigt, daß eine zunä<strong>ch</strong>st bes<strong>ch</strong>eidener konzipierte Theorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

si<strong>ch</strong> später erweitern lasse 360 . Diese Erweiterbarkeitsthese ist implizit Bestandteil<br />

all jener <strong>Theorien</strong>, die si<strong>ch</strong> auf einen Grundkanon von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sfragen kon-<br />

(1989), S. 89: »critiquing Rawls's theory for its neglect of gen<strong>der</strong>«; dies., Political Liberalism, Justice,<br />

and Gen<strong>der</strong> (1994), S. 24 ff.; S. Benhabib, Der verallgemeinerte und <strong>der</strong> konkrete An<strong>der</strong>e (1989),<br />

S. 462: »Zu Beginn <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen moralis<strong>ch</strong>en und politis<strong>ch</strong>en Theorie [erfolgte] die Ausklammerung<br />

von Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsbeziehungen aus dem Umfeld des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffs überhaupt.«; H.<br />

Nagl-Docekal, Die Kunst <strong>der</strong> Grenzziehung und die Familie (1995), S. 261: »Klis<strong>ch</strong>eebild des männli<strong>ch</strong>en<br />

Haushaltsvorstands«; H. Pauer-Stu<strong>der</strong>, Das An<strong>der</strong>e <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1996), S. 20: »Au<strong>ch</strong><br />

um die mo<strong>der</strong>ne Theorie steht es ni<strong>ch</strong>t besser: Bis auf ganz wenige Ausnahmen haben die zeitgenössis<strong>ch</strong>en<br />

Moralphilosophen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gefragt, ob die von ihnen entwickelten Grundsätze, Thesen<br />

und Modelle Frauen als Moralsubjekte berücksi<strong>ch</strong>tigen.«; S. Baer, Würde o<strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heit?<br />

(1996), S. 163: »Frauen ... vers<strong>ch</strong>winden hinter dem S<strong>ch</strong>leier des Ni<strong>ch</strong>twissens komplett und sie<br />

hatten nie Stimmen im Diskurs.«; S. Hekman, Truth and Method (1997), S. 341 (mit Bezug auf Hartsock):<br />

»[I]t is women's unique standpoint in society that provides the justification for the truth<br />

claims of feminism.«<br />

358 Vgl. z.B. M. Brumlik, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> zwis<strong>ch</strong>en Generationen (1995); D.E. Lee, Generations and the<br />

Challenge of Justice (1996), S. 54 ff. – zum Fehlen eines Alterkontinuums in den U.S.A. zwis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>der</strong> 'World War II Generation' (1906-25, 8,4% in 1994), <strong>der</strong> 'Silent Generation' (1926-1945, 17%), <strong>der</strong><br />

'Baby-Boom-Generation' (1946-1965, 30,9%), <strong>der</strong> 'Generation X' (1966-1985, 28,4%) und <strong>der</strong> 'Twenty-First-Century<br />

Generation' (1986-, 14,8%). Diese getrennte Problemstellung gilt allgemein in <strong>der</strong><br />

Moraltheorie; vgl. D. Parfit, Reasons and Persons (1984), S. 351 ff. – Zeitabhängigkeit moralis<strong>ch</strong>er<br />

Ansprü<strong>ch</strong>e als Son<strong>der</strong>problem.<br />

359 Insbeson<strong>der</strong>e für die internationale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>: T.W. Pogge, Realizing Rawls (1989) – Erweiterung<br />

von Rawls' <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie auf den internationalen Maßstab. Rawls hat später einen<br />

eigenen Entwurf für die internationale Erweiterung seiner Theorie präsentiert: J. Rawls, Das Völkerre<strong>ch</strong>t<br />

(1993), S. 53 ff. (59 ff.). An<strong>der</strong>e Beispiele: D.W. Skubik, Two Models for a Rawlsian Theory<br />

of International Law and Justice (1986), S. 231 ff.; F. R. Tesón, The Kantian Theory of International<br />

Law (1992), S. 53 ff.; C. Chwaszcza, Ethik <strong>der</strong> Internationalen Beziehungen (1996), S. 155 ff. m.w.N.<br />

Kritis<strong>ch</strong> zur Verwendung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien als Legitimationsmaßstab internationalen<br />

Re<strong>ch</strong>ts T.M. Franck, The Power of Legitimacy Among Nations (1990), S. 208 ff. In <strong>der</strong> religiös-materialen<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie von E. Brunner, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1943), S. 268 wurde 'Die gere<strong>ch</strong>te<br />

Völkerordnung' hingegen von Anbeginn als integraler Bestandteil angesehen. Die von Rawls eingeführte<br />

Trennung von nationaler und internationaler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>, die si<strong>ch</strong> fast überall dur<strong>ch</strong>gesetzt<br />

hat, kann deshalb jedenfalls ni<strong>ch</strong>t als zwingend angesehen werden. Vgl. O. O'Neill, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>,<br />

Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terdifferenz und internationale Grenzen (1993), S. 425 – 'unliebsame Wahl'<br />

zwis<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sgrundsätzen mit kosmopolitis<strong>ch</strong>em Anspru<strong>ch</strong> und einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>,<br />

die an den Staatsgrenzen halt ma<strong>ch</strong>t.<br />

360 J. Rawls, Political Liberalism (1993), S. 20: »We may think of these problems as questions of extension.«<br />

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