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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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ni<strong>ch</strong>t aber sol<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> 66 . Erst wenn das Handeln au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e Personen<br />

betrifft, kann es sinnvoll als 'gere<strong>ch</strong>t' o<strong>der</strong> 'ungere<strong>ch</strong>t' bezei<strong>ch</strong>net werden 67 .<br />

Das in <strong>der</strong> Begriffsbestimmung in D 1 vorausgesetzte Handeln 'in bezug auf an<strong>der</strong>e'<br />

ist eine Kurzform für 'Handeln eines <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>ssubjekts mit Auswirkung auf<br />

mindestens ein an<strong>der</strong>es <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>ssubjekt'. Damit setzt si<strong>ch</strong> D 1 einer kritis<strong>ch</strong>en<br />

Frage aus, die au<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> allgemeinen Moraldiskussion gestellt wird: Wer o<strong>der</strong> was<br />

ist taugli<strong>ch</strong>es Subjekt und Objekt eines als moralis<strong>ch</strong> o<strong>der</strong> gere<strong>ch</strong>t zu beurteilenden<br />

Handelns? Genauer: Wer ist taugli<strong>ch</strong>er Adressat (Moralsubjekt, moral agent) und wer<br />

o<strong>der</strong> was ist taugli<strong>ch</strong>er Gegenstand (Objekt) moralis<strong>ch</strong>er Pfli<strong>ch</strong>ten bzw. wer o<strong>der</strong> was<br />

ist taugli<strong>ch</strong>er Inhaber moralis<strong>ch</strong>er Re<strong>ch</strong>te? Die Diskussion in <strong>der</strong> Morallehre konzentriert<br />

si<strong>ch</strong> dabei auf die Frage, inwieweit künftige Generationen, Föten und ni<strong>ch</strong>tmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Entitäten (Tiere, belebte Natur, unbelebte Natur) Moralsubjekte und<br />

-objekte sein können. Diese Diskussion findet ihre Parallele in <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sdiskussion,<br />

da man zum Beispiel sinnvoll fragen kann, ob es au<strong>ch</strong> ungere<strong>ch</strong>tes Handeln<br />

gegenüber Tieren, Föten o<strong>der</strong> künftigen Generationen gibt. Die Begriffsbestimmung<br />

in D 1 bleibt gegenüber den vers<strong>ch</strong>iedenen Konkretisierungsmögli<strong>ch</strong>keiten bewußt offen.<br />

Für die Zwecke dieser Arbeit wird später eine vorläufige, enge Konkretisierung<br />

vorzunehmen sein, die aber na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>e Weiterungen ni<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>ließt 68 .<br />

5. Der Glei<strong>ch</strong>heitsbezug<br />

In D 1 bedeutet 'unter dem Gesi<strong>ch</strong>tspunkt <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heit', daß ein <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>surteil<br />

die Frage eins<strong>ch</strong>ließt, ob die Behandlung des einen angemessen ist, wenn man sie mit<br />

<strong>der</strong> Behandlung des an<strong>der</strong>en verglei<strong>ch</strong>t 69 . Dieser Glei<strong>ch</strong>heitsbezug entspri<strong>ch</strong>t sowohl<br />

dem klassis<strong>ch</strong>-aristotelis<strong>ch</strong>en (a, b) als au<strong>ch</strong> dem normalspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Begriffsverständnis<br />

(c), ist aber glei<strong>ch</strong>wohl ni<strong>ch</strong>t frei von Kritik (d).<br />

a) Zum aristotelis<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff<br />

In <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en Ethik, die für das Verständnis von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Glei<strong>ch</strong>heit<br />

bis heute paradigmatis<strong>ch</strong> ist 70 , findet si<strong>ch</strong> ein Glei<strong>ch</strong>heitsbezug in beiden Formen <strong>der</strong><br />

66 Ebenso H. Kelsen, Das Problem <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1960), S. 357; S. Huster, Re<strong>ch</strong>te und Ziele (1993),<br />

S. 202; zu an<strong>der</strong>en mögli<strong>ch</strong>en Abgrenzungen von Moral und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> vgl. oben Fn. 51.<br />

67 O. Höffe, Politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1987), S. 51. Ganz an<strong>der</strong>s stellt si<strong>ch</strong> ein re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es Verbot des<br />

Suizids o<strong>der</strong> ein Gebot <strong>der</strong> Rettungshandlung dar. Allein dur<strong>ch</strong> die Regelung als Re<strong>ch</strong>tsnorm<br />

wird ein Sozialbezug begründet.<br />

68 Dazu unten S. 114 ff. (Erweiterbarkeitsthese); S. 359 (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> gegenüber <strong>der</strong> Natur).<br />

69 Zu dieser Deutung <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Glei<strong>ch</strong>heit vgl. die grundre<strong>ch</strong>tsdogmatis<strong>ch</strong>e Arbeit von<br />

S. Huster, Re<strong>ch</strong>te und Ziele (1993), S. 29 ff. Umgekehrt wird gelegentli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Verglei<strong>ch</strong>smaßstab<br />

innerhalb des Glei<strong>ch</strong>heitssatzes an den <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>szielen orientiert: P. Kir<strong>ch</strong>hof, Der allgemeine<br />

Glei<strong>ch</strong>heitssatz (1992), § 124 Rn. 21. Nähme man beide Beziehungen zusammen, so müßte eine<br />

Identität resultieren; materielle Glei<strong>ch</strong>heit wäre glei<strong>ch</strong>bedeutend mit <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>.<br />

70 C. Perelman, Eine Studie über die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1945), S. 22 f.; R. Dreier, Zu Luhmanns systemtheoretis<strong>ch</strong>er<br />

Neuformulierung des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sproblems (1974), S. 195; zur Bedeutung <strong>der</strong><br />

Glei<strong>ch</strong>heit au<strong>ch</strong> S. Huster, Re<strong>ch</strong>te und Ziele (1993), S. 36 ff.<br />

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